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Wie man eine Landstraße an den in regelmäßigem Abstand ge setzten Alleebäumen aus großer Entfernung sicher erkennt, so verfolgt das Auge des Naturfreundes den gewundenen Lauf des Wiesenbaches an den Schwarzerlen, Weiden und Pappeln, die sich in lockerer Zeile durch den Wiesengrund ziehen. Manch mal gesellt sich auch eine Birke dazu oder eine Esche, und in der Ferne, wo ein Feldweg den Bach auf einer alten Holzbrücke überschreitet, steht eine alte, mächtige Eiche als weithin sichtbares Wegzeichen. Die Erlen und Birken sind auch von weitem leicht zu erkennen. Bei beiden setzt sich der aufstrebende Stamm bis in den Kronenwipfel fort, und beide zeigen eine sehr lockere Be laubung. Aber, obwohl Verwandte ein und derselben Familie, wirkt die schwarzgrüne Erle mit ihren dünnen, fast waagerecht ab gereckten Asten förmlich und steif gegenüber der viel eleganteren, lichtgrünen Birke, die sich auch durch ihre weiß leuchtende Rinde deutlich sichtbar heraushebt. Bei den Pappeln ist es schon schwie riger zu erkennen, um welche Art es sich handelt, ob Schwarz pappel, Zitterpappel oder Silberpappel, denn alle drei können als Bachbegleiter in Frage kommen. Gelingt es uns nicht, sie am Wuchs der Krone zu unterscheiden oder an der Farbe ihrer Belaubung, so werden wir beim Näherkommen an der klar unter schiedenen Form der Blätter bald Aufschluß darüber gewinnen. Am meisten Mühe machen die artenreichen Weiden. Wenn sie nicht gerade in Blüte stehen, ist es schwer, besonders die schmal blättrigen genauer zu bestimmen. Wie schon die lockere Belaubung verrät, haben alle diese Hölzer^ die den Bach begleiten, eine Vorliebe für reichliche Besonnung. Der seitliche Lichteinfall wird durch die Laubkronen der Baum reihe wenig behindert, und daher gibt es kaum woanders eine so reiche Strauch- und Kcautflora wie am Bachuser, dessen feuch ter, humusreicher Boden genug Nah rung bietet für alle. Von Baum zu Ainrings). Famitie.'Letutaeeen. L/üteieit: Feite ts Baum bilden Kreuzdorn, Pulverholz, Haselnuß und Pfaffenhütchen dichte Hecken. Cinschwerer, betäubender Duft liegt im Wonnemond über dem Bach lauf, wenn die Ahlkirsche ihre weißen Blütentrauben öffnet. Wenig später überschüttet der Weißdorn die Hecken mit einem Konfetti weißer, scharf duf tender Blüten, und der Schwarze Ho lunder prangt im Juni mit großen, gelblichweißen Blütentellern, deren Geruch unverkennbar ist. Ost mischt sich die Waldrebe unter diese Gesellschaft, die zusammen mit dem Wilden Hopfen die Sträucher überlagert. Aus dem Blattgewirr streckt der Bittersüße Nachtschatten seine verdächtigen blau gelben Blüten hervor, und auch die Zaunwinde klimmt im Gesträuch em por, um ihre großen, weißen Trichter blüten zur Schau zu stellen. Die Le bensbedingungen im Gebüsch des Bachufers sind mehr oder weniger die gleichen wie am Rande der feuchten Auwälder, und so ist es nicht verwun derlich, daß eine große Zahl der Wald blumen auch im Ufergebüsch wieder kehrt. Wo die Sträucher eine größere Lücke freigeben, ist die Flora der nassen Wiesen vertreten, und sofern die Strö mung des Wassers nicht zu stark ist, be herbergt der Bach noch zahlreiche Was ser- und Sumpfpflanzen, so daß sich hier eine vielgestaltige Pflanzengenos senschaft zusammenfindet. Wenn im März die Bienen, Hummeln und Falter, nachdem sie sich den Win terschlaf aus den großen Augen geputzt haben, an den schönen, sonnigen Ta gen des Vorfrühlings die Weidenkätz chen umschwärmen, erhebt am Bach ufer und auf nassen Wiesen die Pestwurz (Lstssttss okkiciiiälis) ihre länglichen, großen, hell fleischrosa Blütenstände.