Volltext Seite (XML)
ftellungen werden von Tobsuchtsanfällen und Krämpfen gefolgt, bis schließlich eine Gehirnlähmung nach 3-15 Stunden den Un glücklichen von seinen Leiden erlöst. Rettung ist in der Regel unmöglich. Der Giftstoff, der in allen Teilen der Pflanze ent halten ist, am reichlichsten in den Wurzeln während des Winters, ist das Alkaloid H^ose^smin, das sehr schnell in das nicht weniger giftige Atropin übergeht. In der Hand des Arztes wird es zum segensreichen Heilmittel, z. B. bei Nervenleiden und Muskel krämpfen. Ls dient außerdem als Gegengift bei Morphium vergiftungen. Seine Eigenschaft, die Pupille zu erweitern, er möglicht es dem Arzt, durch Einspritzung geeigneter Lösungen die Sehöffnung so groß zu machen, daß er auch das Innere des Auges untersuchen kann. Diese pupillenerweiternde Eigenschaft der Tollkirsche ist schon seit dem Altertum allen Völkern Mittel und Südeuropas, Kleinasiens, Persiens und Vorderindiens be kannt, so weit sich das Verbreitungsgebiet der Pflanze erstreckt; und es hat immer eitle Frauen gegeben, die durch die Anwendung des violetten Beerensaftes ihren Augen einen „verführerischen Glanz" zu verleihen wußten. Hierauf bezieht sich der Beiname LellackoiuiÄ, der „schöne Frau" heißt. Die verheerende Wirkung der Pflanze, die unabwendbar zum Tor des Todes führt, gibt sinnfällig der Gattungsname .-VtropL wieder, den ihr der große schwedische Naturforscher und Systematiker Karl v. Linne ge geben hat. Denn von den drei griechischen Schicksalsgöttinnen war Atropos diejenige, die den Lebensfaden zerschnitt, den Elotho und Lachesis gesponnen. Die Tollkirsche wächst am liebsten an lichten Waldstellen, an Waldrändern und auf Waldschlägen. Im Gebirge steigt sie bis zu 1300 m empor. Mit ihren bis zu 2 m hohen, mächtigen und ost stark verholzten Stengeln möchte man sie für einen Strauch halten; sie ist aber nur eine Staude, denn alle oberirdischen Teile sterben im Spätherbst ab, und nur der dicke, fleischige Wurzelstock überwintert. In den Achseln der 8-13 cm großen, eiförmig zugespitzten, zum Stiel verschmälerten Blätter stehen vom Juni bis August die ziemlich großen, 2-3 cm langen, glockenförmigen, schmutzig rötlichbraunen Blüten meist einzeln, höchstens zu zweien. Die Blüten sind fünfzählig wie bei asten Sol-macssm Sie werden von Hummeln und Bienen besucht, da am Grunde des Fruchtknotens von einem fleischigen, gelben Polster Honig abgesondert wird. Der Nektar sammelt sich in fünf Grübchen, die von den Leistchen gebildet werden, die die fünf an der Blumenkrone angehesteten Staubfäden mit dem Fruchtknoten verbinden. Vor dem Zugriff kleinerer Insekten ist der Honig durch eine Haardecke geschützt. Die 1-1 st- cm gro ßen, saftigen Beeren mit dem bleibenden, grünen Kelch am Grunde, glänzen wie schwarzer Iapanlack und enthalten zahl reiche kleine Samen. Amseln, Drosseln und Feldhühner fressen die Früchte massenweise ohne jeden Schaden, man hat z. B. im Magen geschossener Fasanen bis zu 50 dieser Beeren gefunden. Die unverdaulichen, harten Samen werden wieder ausgeschie den und auf diese Weise verbreitet. Zur Gewinnung des Atro pins werden in Deutschland jährlich etwa 13000 KZ Tollkirschen laub verarbeitet. Der gartenmäßige Anbau der Pflanze könnte daher vielen eine zusätzliche Erwerbsquelle bieten. Die zweite Gruppe der Nachtschattengewächse umfaßt die Gat tungen mit Kapselfrüchten. In der Nähe menschlicher Siedlungen finden wir an bebauten und unbebauten Orten, auf kompostigem Anger und an Schuttstellen ziemlich häufig das Schwarze Bilsenkraut (lIvnscHimus niZci-), ein widerlich riechendes Unkraut, das auf stickstoffreichen Böden, also in der Nähe von Dunggruben und Misthaufen, am besten gedeiht und manchmal bis zu 1 m hohen Pflanzen heranwächst. 2m allgemeinen wird es 30-60 cm hoch. Die aufrechten, klebrig-zottigen Stengel sind mit großen, länglichen, großbuchtig gezähnten, graugrünen Blättern dicht besetzt. In den Achseln der oberen Blätter stehen die ansehn lichen Blüten in einseitswendigen, ährenförmigen, beblätterten Wickeln. Aus dem bleibenden, krugförmigen Kelch mit fünf steifen, stachelspitzigen Zipfeln öffnet sich eine trichterförmige Blumenkrone von unappetitlicher, schmutziggelber Farbe. Der Schlund der Blüte ist dunkelpurpurn, die fünf, etwas ungleich stumpfen Lappen der Blumenkrone mit einem feinen, hellvioletten Adernetz geziert. Fünf Staubgefäße mit violetten Staubbeuteln sind der Blumenkrone eingefügt, ähnlich wie bei der Tollkirsche, und aus der Mitte ragt der weiße Griffel des oberständigen Fruchtknotens heraus. Die Besucher sind hauptsächlich Hummeln und Bienen. Auch hier ist der von der unteren Hälfte des Frucht knotens ausgeschiedene Honig durch eine Haardecke abgeschlossen und kleineren Insekten nicht erreichbar. Die Blütezeit währt vom Juni bis September. Nach der Befruchtung wächst der Kelch zu ziemlicher Größe und umschließt eine bauchige, zweifächerige Kapsel, die sich bei der Reife durch Abtrennen eines kreisrunden Deckels öffnet. Der Herbstwind schüttelt dann die zahlreichen Samen heraus. Wie groß die Vermehrungskrast der Pflanze ist, erkennt man daran, daß größere Exemplare etwa 80000 bis 90000 Samenkörner in einem Jahr hervorbringen. Der Name Bilsenkraut geht auf den altdeutschen Namen Belisa- kraut zurück, wobei bei oder L-ck - töten bedeutet. Auch die volks tümliche Bezeichnung „Dullkraut" weist ähnlich wieTollkirsche auf die gehirnlähmende Wirkung der Pflanze hin. Sie enthält in allen Teilen, auch in den Samen, die trotzdem von Vögeln gefressen werden, das Alkaloid H^oscznmm, das dem Toll kirschengift sehr ähnlich ist, und von dem bereits Dosen von 5 Milligramm tödliche Wirkung haben. Als Pfeilgift wurde L/üterer't.- /rr/rr