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1)1E CmOETII EZ EIT Anna Amalia Herzogin von Sachsen-Weimar 1Mi8. J ahrhundert vollzieht sich in der deutschen Lite ratur wie anderswo die Wendung von der unpersön lichen höfischen Kunst zur Erlebnisdichtung, wenn gleich auch jetzt noch zu nächst der Dichter meist von der Gunst der Höfe oder ver mögender Mäzene abhängig bleibt und somit einen gro ßen Teil seines Schaffens, seines Dichtens undDenkens dem Geist des jeweiligen Hofes anpassen muß, soweit es ihm nicht gelingt den Hof nach seinem Genius zu for men. Klopstock fand nicht Herren eine Art Nebenhof in ihrem Weimarer Wittumspalais und dem reizenden Tiefurter Schlößchen. Ihr ältester Sohn war der nachmalige Herzog und Groß herzog Karl August von Sachsen-Weimar (1758 bis 1828), ein, soweit das damals möglich war, freiheitlich gesinnter, temperamentvoller Herrscher, dem es am Herzen lag, das zerberstende deutsche Reich unter Preußens Führung noch einmal zusammenzukitten. Als preußischer General marschierte er gegen das revolutionäre Frankreich. Vor Napoleon, der ihn einen der unruhigsten Fürsten Europas nannte, war er anfangs geflüchtet, 1806 aber schloß er sich dem Rheinbund an und wurde von Napoleon zum Großherzog gemacht. Später leistete er der preußischen Politik, besonders dem preußischen Zollverein, hartnäckige Gegenwehr. Gegen den Willen seines reaktionär gesinnten Staatsminister Goethe führte er die Pressefreiheit und als erster deutscher Fürst eine landständische Verfassung ein. Goethe gegenüber, den er duzte, war er ein aufrichtiger Freund, er hatte ihn kurz nach in Deutschland, sondern in Dänemark seinen Mäzen; Les sing mußte lange vagabundie ren, ehe er sein Brot als Bibliothekar in fürstlichem Dienst hatte; Schiller erhielt erst spät eine Anstellung, die ihm die Muße seines Schaffens gewähren sollte, anfangs ohne Gehalt (währenddes ihm der dänische König jährlich 1000 Taler für fünf Jahre schenkte), dann mit 200 Talern im Jahr, wozu er von seiner Schwieger mutter einen Zuschuß von 2 5 o Talern erhielt. Später erhöhte der Herzog sein Gehalt auf 400 und dann auf 800 Taler, wäh rend der Dichter ein Angebot des preußischen Hofes mit 3000 Talern abschlug. Der kleine Hof von Weimar mit einer Hauptstadt von knapp 6000 Einwohnern wurde, wie in der italienischen Renaissance Flo renz und Ferrara, der Musensitz zahlreicher Dichter und Künst ler, der geistige Mittelpunkt Deutschlands, die Wiege der deutschen Klassik. An der Spitze des weimarischen Herzogtums stand seit 1758 die Karl August, Großherzig von Sachsen-Weimar (17 f 8—1828) Nach einer Miniatur von Heinrich Müller (?) nach dem Gemälde von Heinrich Kolbe, 182} seiner Thronbesteigung an sei nen Hof gezogen, mit ihm alle Freuden eines ungebundenen Lebens genossen, wobei er seine junge Gemahlin ungebührlich vernachlässigte und oft den Unwillen des Hofes erregte, der anfangs in dem „aus ländischen Günstling“ den Ver führer des jungen Herzogs sah. Zu seinem Erzieher hatte die Herzogin Anna Amalia 1772 denDichterChristophMar- tin Wieland (1733—1813) an den Weimarer Hof berufen, der, als schwäbischer Pfarrer sohn geboren, im Geiste des frömmlerischen Pietismus er zogen war, dann aber unter dem Eindruck der Aufklärungs- Philosophen eine ganz andere Richtung eingeschlagen hat. Er hatte bereits einige Haus lehrerstellen innegehabt, war städtischer Kanzleidirektor in Biberach, dann Akademiepro fessor inErfurt geworden. Von hier kam er nach Weimar, drei Jahre bevor Goethe dort eintraf, und blieb hier bis an sein Lebensende, literarisch un ¬ ermüdlich tätig, dichtend, übersetzend und rezensierend, sowie verwitwete Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar (1739—1807), als Leiter der Zeitschrift „Der teutsche Merkur“ eine starke eine braunschweigische Prinzessin und Nichte des Preußen königs Friedrich II. Sie hatte sich mit 16 Jahren vermählt, Wirkung ausübend. Die religiöse Schwärmerei seiner Jugend hatte er längst über Bord geworfen, aber die Veranlagung zu war mit 17 Jahren Mutter, mit 18 Jahren wieder Mutter und Witwe und Regentin des Ländchens geworden, eine verständige und kluge Fürstin und Frau. Sie schrieb die Musik zu Goethes Singspiel „Erwin und Elmiar“, zeich nete und verstand allerliebste Silhouettchen zu schneiden. schwärmerischen Exzessen, wenigstens im Dichterischen, blieb ihm und ist in seinen Romanen und Verserzählungen stets spürbar, auch wo er sie mit überlegener Vernunft zu bändigen strebt. In leicht fließender melodischer Sprache plaudern und fabulieren seine amourösen, leicht frivolen Geschichten, die Im Alter zog sie sich von dem lauter gewordenen Treiben am Hofe ein wenig schmollend zurück und bildete mit den alten meist in Verfalls kulturen spielen. Erhebt die Natur, vor allem den Märchenzauber des Waldes, aber das Einmalige einer