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FIIA.VK It EICH unter Ludwig A'K Als Ludwig XIV. gestorben war, verkündete der war tenden Menge ein Herold mit schwarzer Feder am Hut: „Le Roi est mort“ (der König ist gestorben), verschwand und kam sogleich mit weißer Feder hervor, um die Worte zu sprechen: „Vive le Roi“ (es lebe der [neue] König). Der Leichenzug des Sonnenkönigs wurde mit Johlen und Pfeifen begleitet. Von einer Vergötterung des Monarchen war ange sichts der Mißwirtschaft am Hofe und im Staate längst keine Rede mehr, nur Furcht hatte die Menge im Zaum gehalten. Der ein Jahrhundert lang geduckte alte Adel war ebenso wie die hohe Geistlichkeit im üppigen Hofleben ver weichlicht und demoralisiert, so daß von dieser Seite kein Heil erwartet werden konnte. Während der Herrschaft des begabten, aber liederlichen Regenten regte sich das Parlament unter dem Eindruck der Vorgänge in England, das mit Hilfe der Paläste, die Wände und Decken der Säle, die Teppiche und Möbel, die Gebrauchs gegenstände, besonders das Por zellan, die Bildhauerei und vor allem die Malerei der Watteau und Lancret, der Boucher und Fragonard. Ludwig XIV. hatte die Leitung des Staates für die Zeit der Minderjährigkeit seines Urenkels einem Regentschafts rat testamentarisch übertragen, Orleans (1674—1723), der Sol John Lan> a dem Philipp II. von Philipps I. und der Liselotte von der Pfalz, eine Stimme haben sollte. Diesem gelang es aber, die andern Ratsmitglieder auszuschalten und sich zum alleini- dieser Institution einen mäch tigen Auftrieb erlangt hatte. Von hier kam auch der Anstoß zu der gewaltigen, anfangs im Stillen wirkenden, anfangs nur literarischen Bewegung, die allmählich die Herzen aller mit neuen Idealen erfüllte und ihren Ausbruch fand in der großen Revolution am Ende des Jahrhunderts. Noch aber war es nicht so weit, noch wagte die Masse des Volkes, eingelullt von den Verheißungen der Regierenden, betört von den Hoffnungen des Aktienschwin dels, dann verelendet unter den Wirkungen des Staatsbanke- rotts, nicht den Kampf. Noch konnte das Zerrbild eines Poten taten, eines der Jagdliebhaberei und den Mätressen ergebenen galanten Königs, wie es Lud wig XV. war, den Staat und das Volk nach seinem Gutdünken gen Regenten erklären zu lassen. Allerdings mußte er sich zu einer Reihe von Zu geständnissen an das Parlament bereit finden, das wieder zu erheblichem Einfluß gelangt war. Bei dem Versuch, mit Hilfe des Schotten Law die Finanzen des Staates aus ihrem Tiefstand zu retten, geriet er in die größten Schwierigkeiten. In seiner Jugend war er durch seinen Vater in schlechte Gesell schaft geraten. Sein Auftreten war so roh, verletzend und sittenwidrig, daß seine Mutter, die pfälzische Prinzessin, wünschte, er möge zu der Ninon de L’Enclos in Beziehung treten, von der er wenigstens Anstand und feines Benehmen lernen könne. Er suchte in Ausschweifungen alle zu über trumpfen, war dabei aber in Künsten und Wissenschaften durchaus gebildet, malte, musi zierte, philosophierte besonders gern, trieb archäologische und chemische Studien (als seit 1711 königlichen Familie starben, Philipp II., Herzog von Orleans (1674— 1 7 2 3) Nach einer anonymen französischen Miniatur des lö.Jahrh. (?) zahlreiche Mitglieder verdächtigte ihn das seine Mutter, schrieb „Das Muß ich gestehen, dass Mein sohn gott sey danck nicht von verstandt fehlt, Er hatt auch nicht übel studirt und weiss Ein wenig mehr, alß die andere fürsten vom Königlichen hauß, In die schwerste Sachen hatt Er seine grösste lust, daß macht auch, daß Er offt die leichsten Sachen zu viel negligirt.“ Der Titel des Regenten ist nicht nur dem französischen Über gangsstil der Regence verblieben, sondern auch einem be rühmten großen Diamanten, „der Regent“, den Philipp einem Engländer für 12 Millionen Livres (aus der Staatskasse) ab kaufte, um ihn einer seiner Geliebten zu schenken. Die Staatsschulden Frankreichs zu dieser Zeit werden mit etwa 3000 Millionen Livres geschätzt, was einer heutigen Summe von 20 Milliarden Goldfranken entsprechen dürfte. der Volk des Giftmordes). Liselotte, über ihn in einem ihrer Briefe: regieren und zur Befriedigung seines Vergnügens aussaugen. Alles diente dem Wohlleben des Feste feiernden Hofes, auch die Kunst, durch und durch höfisch und spielerisch, ließ sich zu seiner Verherrlichung mißbrauchen und hat doch dabei eine glanzvolle Epoche durchgemacht. Das aufgeplusterte, breit ausladende, schwer wuchtende Wesen der barocken Kunst Frankreichs im 17. Jahrhundert hatte nach dem Ableben des machtvoll gebietenden,Pomp und Prunk liebendenLudwigXI V. seine Daseinsberechtigung verloren. Es folgte ein Jahrhundert der Leichtlebigkeit und Unbeschwertheit, wenigstens in den Bezirken des Hofes und seiner Ableger in der Provinz, und da aus diesen Kreisen die Aufträge für die Künstler kamen, so war notwendigerweise auch die Kunst auf dieses Treiben eingestellt. Die heitere Arabeske, die schnörkelige Verzierung überzog alle ihre Äußerungen. Immer blieb die Antike Vor bild und Muster, die fröhlichen Liebesgeschichten der antiken Mythologie waren ihr Inhalt. Der höfische Stil des Rokoko erfüllte mit seiner Heiterkeit und Lebensfreude die Fassaden