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DER ABSOLUTISMUS in Frankreich In Frankreich waren im 17. Jahrhundert die Vorbedingungen für eine nationale Staatsauffassung, wie sie der erste große Staatsmann dieser Nation, der Kardinal Richelieu, in einem absoluten Königtum verwirklicht sehen wollte, günstig, günstiger als in Deutschland, wo der Partikularismus die ver schiedenen deutschen Stämme gegeneinander trieb. Im kaiser lichen Österreich aber war der Absolutismus zu stark mit dynastischen Interessen verknüpft, als daß sich eine einheit liche Staatsidee hätte durchsetzen können. Die ganze Macht in einer Person, in einem Symbol zu vereinigen, war das Bestreben der drei großen französischen Staatsmänner, Richelieu, Mazarin und Colbert, verwirklicht wurde es von einem König, von Ludwig XIV., der, von seiner Gott ähnlichkeit überzeugt, mit diesem Anspruch des Gottes- gnadentums den Staat selbst zu verkörpern sich anmaßte. Ludwig XIII., König von Frankreich (1601—164}) Nach einer Miniatur von Henri Toutin Auf den Trümmern der vernichteten kleineren Gewalten erhob sich seine gebieterische Persönlichkeit zu einem die ganze Welt umstrahlenden Glanz, aber der göttergleiche Auf stieg trug den Keim des Verfalls in sich; Allzumenschliches haftete auch diesem Sonnenkönige an. Mit Colberts Tod erblaßte Ludwigs Stern; dies war ein Wendepunkt in Frank reichs Glück. Gewalttätige und übermütige Minister und Höflinge, eine die Kraft des Königs und das Ansehen des Staates schädigende Mätressenwirtschaft, die maßlose, nicht mehr zu deckende Verschwendung, die durch die Eroberungs kriege angeschwollene Schuldenlast, Mißgriffe in der äußeren und inneren Politik — alles dies wirkte zusammen und be reitete den Sturz vor, der kommen mußte. Zu einer stolzen Höhe aber war Frankreich unter diesem glorreichen Regime emporgestiegen. Die Kräfte der Nation hatten sich eine Weile verschwenderisch entwickeln können. Für die Industrie und den Handel, für Künste und Wissenschaften schien ein gol denes Zeitalter herangebrochen, vergleichbar dem hohen Stand der Renaissancekultur in Italien. Ludwig XIII. (1601—1643), der älteste Sohn Heinrichs IV. und seiner zweiten Gemahlin Maria de Medici, wurde schon im neunten Lebensjahre König von Frankreich. Er stand bis 1617 unter der Vormundschaft seiner Mutter, beschäftigte sich am liebsten mit der Jagd oder mit kindlichen Spielen, worin ihn die Höflinge bestärkten. In der Politik trat er nicht viel hervor, nur bei dem Sturz des Marschalls d’Ancre, des Günstlings seiner Mutter, zeigte er männliche Entschlossen heit. Wenn er öffentlich sprechen sollte, war er befangen, stotterte und suchte sich dann durch heftige Bewegungen der Arme verständlich zu machen. Unfähig, mit eigenen Händen den Staat zu lenken, war er zeitlebens von andern abhängig und führte besonders unter der kraftvollen Staatsleitung Anna von Oesterreich, Königin von Frankreich (1601—1666) Nach einer Miniatur von Jean Petitot seines ersten Ministers Richelieu eine anfangs nur ungern ertragene Scheinregierung. Niemals aber haben die Intrigen, die von vielen Seiten, vor allem von der Königin-Mutter, gegen den Kardinalherzog gesponnen wurden, ihn vermocht, den Minister fallen zu lassen, dessen autoritärer Lenkung er bedurfte. Seine italienische Mutter hatte ihn i4jährig mit der gleich altrigen Anna von Österreich (1601—1666) vermählt, einer Prinzessin aus dem spanisch-habsburgischen Hause, Tochter des spanischen Königs Philipp III. Luynes hatte die Ehegatten einander entfremdet, noch mehr aber trübte Richelieus antispanische Politik das eheliche Verhältnis, so daß König und Königin lange Jahre getrennt lebten. Eine Aussöhnung fand erst 1637 statt, und im nächsten Jahre, also nach 23)ähriger Ehe, wurde Anna Mutter eines Prinzen, des späteren Königs Ludwig XIV., für den sie nach dem frühen Tode ihres Gemahls die Regentschaft in engster, man sagte wohl mit Unrecht: in innigster Verbindung mit dem Kardinal Mazarin übernahm.