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DER DREIS^KmJAIIKIGE KRIEG Die luthersche Formel „cuius regio, eins religio“ (wem das Land gehört, dessen Konfession haben seine Unter tanen anzunehmen) hatte über die deutschen Lande unsäg liches Unglück gebracht, denn bei einem Herrscherwechsel mußte manchmal das ganze Volk auch den Glauben wechseln, und mancher Fürst, der für irgend einen Vor teil einen andern Glauben angenommen hatte, verlangte, daß seinem Vorbild sogleich die Untertanen folgten. Mit Schadenfreude sah der Katholik, der Lutheraner, der Cal- vinist zu, wenn auf diese Weise die Andersgläubigen zu leiden hatten, denn der Grundsatz der Staatsreligion wurde blutig durchgeführt. Der Katholischen Liga (der Vereinigung der Staaten dieses Glaubens) stand die Protestantische Union gegenüber. Die Habsburger, die Karl V. auf dem deutschen Kaiserthron folgten, hatten sich vergeblich bemüht, die Glaubensparteien zu versöh nen; Rudolf II. schließlich hatte die Dinge gehen lassen, wie sie gingen. Da nahmen sich in den österreichischen Erblanden der Erzherzog Karl und sein Sohn Ferdinand mit Hilfe der Jesu iten der katholischen Sache an und setzten den Protestanten grausam zu. Ferdinand wurde mit Unterstützung protestan tischer Fürsten deutscherKaiser. Gegen seine strengen Glaubens verfolgungen setzten sich die Böhmen zur Wehr, sie warfen die kaiserlichen Statthalter 1618 aus den Fenstern des Prager Rat hauses. Der jetzt ausbrechende Krieg endete 1623 vorläufig mit dem Sieg des Führers der Katholischen Liga, des Gene rals Tilly, über die Protestanten, die vom Grafen von Mansfeld geführt wurden. Der Krieg flackerte aber wieder auf, England, Holland und Dänemark traten unter dem Dänenkönig Christian IV. dem drohenden habsburgischen Übergewicht entgegen, doch wurden sie von Tilly und dem neuen kaiserlichen Feldherrn Wallenstein ge schlagen. 1630 wandte sich das Kriegsglück. Der schwedische König Gustav Adolf trat auf die Seite der deutschen Prote stanten, schlug Tilly am Lech, Wallenstein bei Lützen. Tilly und Gustav Adolf fielen, Wallenstein wurde einige Jahre später ermordet. Die Kaiserlichen waren jetzt wieder siegreich, bis Frankreich für die Protestanten eingriff und 1648 aus allge meiner Erschöpfung der Frieden geschlossen wurde. Die deutschen Länder waren verwüstet, in manchen Gegenden die Bevölkerung um die Hälfte hingeschlachtet. Greueltaten, wie sie die Welt kaum erblickt hatte, hatten die Luft er schüttert. Da wurden Kinder aufgespießt, die wehrlosen Einwohner ganzer Städte niedergemacht, Ratsherren die Zunge ausgerissen, die Haut wurde den Menschen abgezogen, Augen ausgestochen, Glieder stückweise abgeschnitten, Körper langsam geröstet. Die Welt schien aus den Fugen zu gehen. Einer verriet den andern, die Sitten verwilderten, Verzweiflung und Haß erfüllten das abergläubische, wunder und sterngläubige und in starren Dogmen befangene Volk, das vom Machtgelüst einer Handvoll erbärmlicher Fürsten in Tod, Hunger und Elend getrieben wurde. Jahrhunderte lang waren die Folgen zu spüren. Ferdinand II. (1578—1637) war als Sohn des Erzherzogs Karl Erbe von Steiermark, Kärnten und Krain, wurde 1617 König von Böhmen, 1618 König von Ungarn, 1619 römisch deutscher Kaiser. Er rottete den Protestantismus in seinen Erblanden aus, der böhmische Widerstand entfesselte den unseligen 30jährigen Krieg. Nach dem für ihn glücklichen Ausgang des ersten Abschnit tes befahl er dem böhmischen Adel, es solle sich jeder mel den, der am Aufstand teilge nommen habe, um seine Ver zeihung zu erlangen. Es mel deten sich 728 Edelleute, die nun aller ihrer Güter beraubt wurden. Ferdinand verfolgte hartnäckig eine begonnene Sache, war aber in seinen Entschlüssen gänzlich abhän gig von gewissenlosen Rat gebern, besonders von seinem Beichtvater, dem Jesuiten Lamormain. Die Kaiserwahl Ferdinands hatte 1619 der Führer der Prote stantischen Union, Kurfürst FriedrichV.vonderPfalz (15 96—163 2), am gleichen Tage unterstützt, an dessen Abend ihm die Nachricht überbracht wurde, daß ihn die von Fer dinand bedrohten Böhmen zu ihrem König erkoren hatten. Auf Drängen seiner schönen, lebenslustigen Gemahlin, einer Tochter Jakobs I. von England, nahm er die Wahl an. Er mißfiel den Böhmen aber vom ersten Tage an wegen seiner französischen Sitten, und weil er französisch sprach. Sein Glück dauerte auch kaum ein Jahr. In der Schlacht am Weißen Berge verlor er, den man den „Winterkönig“ nannte, Krone und Land. Auch die Pfalz wurde ihm genommen; er flüch tete von Land zu Land und starb vor Schreck, als er die Nach richt von Gustav Adolfs Tode erhielt. Feldherr der protestantischenTrup- pen im ersten Akt des Trauerspiels war der kühne, nie entmutigte und außerordentlich gewandte Aben teurer Ernst von Mansfeld (1580—1626), dem es immer wieder gelang, sich mit seinen Emst Graf von Mansfeld Ferdinand II., Deutscher Kaiser (177!—16)7) Nach einer anonymen Miniatur, um 1797 (fugendbildnis)