Volltext Seite (XML)
HITMAMSMIJS und Reformation in Deutschland Mit dem Zeitalter, das wir gemeinhin als Renaissance (Wiedergeburt) oder im besonderen Hinblick auf Mitteleuropa als das des Humanismus oder der Reformation bezeichnen, beginnt auf allen Gebieten des Lebens in fast ganz Europa eine gewaltige Erneuerung. Wenn man an seinen Anfang die Zertrümmerung des byzantinischen Reiches und die Eroberung Konstantinopels durch die Türken im Jahre 1453 setzt, so ist man sich bewußt, daß dieses Ereignis, das der Christenheit und der Macht des römischen Papstes einen schweren Schlag versetzte, nur eines der vielen Momente ist, die die neue Zeit heraufführen. Schon seit dem Beginn des Jahrhunderts setzt stärkte, auch die Freiheit des einzelnen Christenmenschen in seinem Glauben und Denken rang sich, wenn auch in gewissen Grenzen, durch. Die Wissenschaft entzog sich der kirchlichen Bevormundung, neue Erkenntnisse rüttelten an dem Lehr gebäude der Kirche, und auch die Kunst befreite sich von den Fesseln, die sie zur Dienerin der Religion gemacht hatten. In dem nun überall einsetzenden Ringen um die Eroberung neuer Gebiete fand sich auch die Malerei vor neue Ziele gesetzt. In der mittelalterlichen Einheitskultur war bei der überra genden Bedeutung alles Religiösen und Kirchlichen der einzelne Mensch ein Nichts, mit dem zu beschäftigen es sich Maximilian I., Deutscher Kaiser (1499—ID9) Nach einer Miniatur des 19. Jahrhunderts nach dem Gemälde von Albrecht Dürer in Italien das Streben ein, der Größe der antiken Welt nach zueifern, von der man durch die allenthalben aus dem Erd boden zutage geförderten griechischen und römischen Mar morplastiken eine Ahnung bekommen hat. Von Spanien und Portugal aus erschließt man auf der Suche nach einem Seeweg nach Indien neue Welten in Amerika und Südasien, die das Weltbild völlig umgestalten. Nördlich der Alpen erstehen ebenso wie schon vorher in den Stadtstaaten Italiens mächtige Handelszentren; die Republiken Venedig und Genua, die Augsburger Patrizierhäuser Fugger und Welser stellen in der Zeit ihrer Blüte jede für sich eine Weltmacht dar, die den welt lichen und kirchlichen Fürsten ebenbürtig an die Seite treten. Und schließlich erhebt sich im Herzen Deutschlands eine Be wegung, die, von einem Augustinermönch ausgehend, der Allgewalt des Papsttums den zweiten schweren Schlag ver setzt : die Reformation des Martin Luther. Die Alleinherrschaft des römischen Papstes über die ganze europäische Christen welt ist gebrochen. Die Fürsten, die sich der protestantischen Bewegung anschließen, lösen sich damit aus ihrer Abhängig keit von einer Macht, die sich außerhalb ihres Herrschafts bereiches befand und ihnen die Gesetze ihres Handelns vor schrieb. Aber nicht nur die Selbständigkeit der Fürsten er- Karl V., Deutscher Kaiser (ifoo—1998) Nach einer Miniatur des 19. Jahrhunderts nach dem Gemälde von Tizian für den Künstler nicht lohnte. Erst in der Zeit der Wieder geburt antiker Auffassung von der Größe der Persönlichkeit, in der italienischen Früh-Renaissance, war es für den Maler eine Aufgabe geworden, den aus der Masse hervorragenden Einzelmenschen zu schildern. So entstehen in Rom die Bild nisse der Päpste, in Venedig die der Dogen, in Florenz die der Mediceer. In Frankreich malt Jean Clouet das Bildnis des Königs und die seiner Hof leute, in Deutschland Lukas Cranach und Albrecht Dürer die Bildnisse ihrer Zeit und in England porträtiert der Deutsche Hans Holbein den Hofstaat Hein richs VIII. Clouet, Cranach und Holbein schufen auch bereits Miniaturporträts. In Deutschland regierten zu Anfang dieses Zeitalters die in höchster Machtvollkommenheit in Wien residierenden Kaiser aus dem Geschlecht der Habsburger, zunächst Maxi milian I. (1459— I 5 I 9)> der „letzte Ritter“, ein athletischer Mann, der als Jüngling eine ungewöhnliche Schönheit be sessen hatte, ein waghalsiger Bergsteiger und tapferer Turnier kämpfer, prachtliebend, ein Förderer der Kunst, der selbst die Abfassung seiner Lebensgeschichte in gereimten Versen beauf sichtigte, der die altgermanischen Heldenlieder sammelte, dem wir die Erhaltung des Gudrunliedes verdanken. Er trat auch