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Der Sächstlche Lrzähter. Beiblatt z« Rümmer . 3S6 Aufruf. Der Winter steht vor der Tür. ES eilt, «ufere Truppe» »it warmer Unterkleid«»« zu versorgen. Wohl tut das die Armeeverwaltung in dem vorgeschriebenen Mähe; doch darü ber hinaus sind freiwillige Spenden: Strümpfe, Leibbinden, Pulswärmer, Hemden, Unterjacken, Kopfschützer, Ohrenklap- Pen, Unterhosen, noch dringend erwünscht. Eude Oktober geht von Dresden ein Transport ab, der unseren Armeekorps im Westen wollene Sachen brmgea soll. Alles, wab von fleißigen Frauenhänden an derartigen Wollsachen f^rtiggestellt ist, möchte bis spätestens Dienstag den 27. d. M., in Dresden und Leipzig an die wiederholt be kanntgegebenen Sammelstellen, im übrigen Lande unmittel- bar an die Abnahmestellen des 12. Korps (Dresden-N., Neu städter Bahnhof, Hansastrahe 2) und des 19. Korps (Leipzig- Gohlis, Artilleriekaserne) gesandt werden. Die aus der Leipziger Abnahmestelle gefüllten Wagen werden dort dem Dresdener Zuge angehängt. AIS Verpackung werden Säcke möglichst aus wasserdich tem Stoff empfohlen, weil sie sich besser als Kisten dazu eig nen, mit Kraftwagen von der Etappe aus den Truppentei len zugeführt zu werden. Die Säcke sind an der Außenseite mit Inhaltsverzeichnis unter dem Stichwort: Wollsachen zu versehen. Der den Gaben beigefügte Frachtbrief soll den Inhalt der Sendung und die empfangende Stelle genau angeben. Auch aus dem Lande dürfen unverpackte Wollsachen nicht unmittelbar den genannten Abnahmestellen, sondern müssen zunächst den bekannten Sammelstellen zugeführt werden, die sie verpackt an die Abnahmestellen weitergeben. Frachtstücks, welche die Bezeichnung „Freiwillige Gaben" tragen, werden frachtfrei zur Abnahmestelle befördert. Haupttättgkeit der Vereine vom Roten Kreuz. Die Haupttätigkeit der Vereine vom Roten Kreuz liegt in der Fürsorge für Verwundete im Heimatgebiet. Aber auch hier ist sie lediglich eine Unterstützung des Sanitätsdienstes -er Militärverwaltung. Sie erstreckt sich, um nur das Wich tigste hervorzuheben: 1) auf die Einrichtung besonderer Vereinslazarette, Ge nesungsheime und Privatpflegeanstalten und Ausstattung derselben mit Pflegepersonal usw.; 2) auf Einrichtungen von Verband- und Erfrischungs stellen; 3) auf Einrichtungen zur Krankenbeförderung. Für die aufzustellenden Vereinslazarette und Gene sungsheime im ganzen Lande hüt der Landesausschutz eine große, fast übergroße Anzahl willkommener Angebote von Städten, Vereinen und Privaten erhalten. Wenn auch die Gebäude meistens in dankenswerter Weise kostenfrei gestellt werden, so erfolgt doch die Ausstattung mit Lazarettwäsche und Verbandmitteln größtenteils durch das Rote Kreuz, wo für bereits rund 150000 verausgabt worden sind. Bis jetzt sind in den Lazaretten und Genesungsheimen rund 7000 Betten der Militärbehörde zur Verfügung gestellt wor den, während 1500 der Bereitstellung harren. Die Unterhaltung der Dereinslazarette und Genesungs- Heime erfolgt auf Kosten des Roten Kreuzes. Rechnet man auch nur 3 für Tag und Bett, so belaufen sich dessen Aus gaben allein für diesen Zweck bei voller Belegung der 7000 Betten auf täglich 21000 monatlich also auf etwa 630 000 Mark. Bereits im Frieden wird Pflegepersonal in ausreichen dem Maße für den Kriegsfall ausgebildet. Von den vorhan denen Krankenpflegern, Krankenträgern und Depotpersonal sind bereits 697 Mann im Etappengebiet tätig, 164 Mann befinden sich auf der Ausreise, während 160 Mann in Ver einslazaretten usw. in Sachsen Beschäftigung fanden. Ver wendungsbereit sind noch über 300 Krankenpfleger und ge gen 2000 Träger- und Depotpersonal. Außerdem finden in den Kriegs- und Etappenlazaret ten 125 Schwestern, in den Vereinslazaretten und Gene sungsheimen usw. 138 Schwestern Verwendung. Eine grö- Here Anzahl Schwestern ist noch bereit, einem an sie gerich teten Ruse sofort Folge zu leisten. Sache des Roten Kreuzes ist es, die Kosten für die Verpflegung, Belöhnung und Unterbringung des gesamten Pflegepersonals in den Vereinslazaretten usw. dauernd zu tragen. Sie belaufen sich auf etwa 3 für Tag und Kopf. Ferner sind Sanitätswachen auf allen größeren Bahn höfen Sachsens eingerichtet, die mit dem nötigen Personal und der erforderlichen Ausrüstung für den Sanitätsdienst versehen find. Einzelnen Wachen sind Krankenpflegerinnen zugeteilt. Ebenso sind in allen Orten mit Lazaretten ein Transportdienst mit Auwmobilen, Krankentragen usw. auf gestellt und Erfrischungsstellen auf den Bahnhöfen eingerich tet worden. Die Vorbereitungen zur Aufstellung eines Hilfslazarett zuges sind imgange. Die Kosten belaufen sich auf etwa 50000 Bisher war ein solcher von der Militärbehörde nicht angefordert worden. AuS Vorstehendem ist ohne weiteres ersichtlich, daß das Rote Kreuz zur Erfüllung seiner Aufgaben dauernd großer Mittel bedarf» Die bisherigen Geldspenden reichen gegen über den Leistungen, die von der freiwilligen Krankenpflege erwartet werden, bei weitem nicht aus, zumal mit einer lan gen Dauer des Krieges gerechnet werden muß. Der Landesausschuß kann daher Liese Mitteilung nicht beenden, ohne von neuem die dringende Bitte an die Öffent lichkeit zu richten, die freiwillige Krankenpflege andauernd und nachhaltig mit Geldspenden zu unterstützen. Ergebnis der Kriegsanleihe. Berlin, 9. Oktober. (W. T. B.) Das Ergebnis der Zeichnungen auf die Kriegsanleihen läßt sich nunmehr im einzelnen übersehen. Die Gesamtzeichnung von 4 460 791400 Mark besteht aus 1 177 235 Einzelzeichnungen. Hiervon entfallen auf Einzelbeträge von 100 bis 2000 Mk. 926 059 Zeichnungen mit einer Summe von 733 776 400 Mark und auf Einzelbeträge von 2100 bis 20000 Mark 233 342 Zeichnungen mit einer Summe von 1336 738 700 Mark. Der Rest bestehl aus Zeichnungen von über 20 000 Mark. Das deutsche Volk wird aus diesen Ziffern mit Freude ersehen, wie die Zeichnung sich auf alle Schichten der Bevöl kerung gleichmäßig verteilt und wie Reiche und Arme, jeder nach seinen Kräften, dazu beigetragen haben, den über alle Sonnabend, de» 1V. Oktober LVL4. Maßen glänzenden Erfolg der Kriegsanleihen zustande zu bringen. Die baren Einzahlungen auf die Kriegsanleihen haben nach den bis gestern vormittag vorliegenden Nachweisungen den Bettag von 2420 Millionen Mark erreicht, das sind 54,26 Prozent der gezeichneten Summe, und 636 Millionen Mark oder 14,26 Prozent mehr, als zum 5. Oktober fällig war. Die tatsächlich eingezahlten Beträge sind noch höher, weil von einem Teil der entfernter gelegenen Reichsbankanstal ten die Aufgaben noch nicht in Berlin eingetroffen sind. Es dürste dies die größte Zahlung sein, die jemals von einem Volke in so kurzer Zeit geleistet worden ist. 30 Jahre Geschützwesen. Mit unseren 42,5 Zentimeter-Geschützen vor Lüttich ha- ben wir die ganze Welt überrascht. Diese „Brummer" be deuten einen Fortschritt, wie man ihn bisher kaum für mög- lich gehalten hat. Um diesen Fortschritt in der Anfertigung von Kriegswasfen recht beurteilen zu können, braucht man nur etwa 30 Jahre Rückschau zu halten. Wunderwerke der Technik nannte man die 40 Zentimeter-Kanonen, die Krupp 1885 zur Armierung des Kriegshafens Spezia geliefert hatte. Das 14 Meter lange Rohr dieser Kanonen wog 121 000 Kilogramm, das Geschoß 1050 Kilogramm. Es hatte eine Anfangsgeschlvindigkeit von 580 Meter, bei einer notwendigen Pulverladung von 384 Kilogramm. Der Ver- schluß hatte ein Gewicht von 3760 Kilogramm und die Wucht des Geschosses betrug 18000 Metertonnen. Wie anders 25 Jahre später, also vor jetzt fünf Jahren. Zu dieser Zeit lie ferte Krupp als „neuestes" ein Schiffsgeschütz, bei dem die erstaunlichen Fortschritte auf die eindrucksvollste Weise her vortreten: es hat ein Kaliber von zwar nur 35,5 Zenfimeter, aber eine Rohrlänge von 18,5 Meter. Dieses Rohr wiegt jedoch nur 75 400 Kilogramm, das Geschoß nur 620 Kilo gramm, der Verschluß nur 2000 Kilogramm und die Pulver ladung nur 255 Kilogramm. Trotz dieser um ein Drittel geringeren Pulverladung, des fast ein Drittel geringeren Rohrgewichtes, und des viel mehr als ein Drittel geringeren Gewichtes des Geschosses bei nur 4,5 Zenfimeter kleinerem Kaliber beträgt die Arbeitsleistung über die Hälfte mehr, nämlich 27 650 Metertonnen. Zu diesen beträchtlichen Er folgen haben Artillerietechnik, Metallurgie und Pulverche mie gleicherweise beigetragen! Noch vor 30 Jahren lieferte 1 Kilogramm des besten Pulvers eine Arbeit von 48,5 Me tertonnen, heute stellt man Pulver her, von dem 1 Kilogc. eine Arbeit von 108,4 Metertonen hervorbringt. Vor 30 Jahren kam auf je 1 Kilogramm Rohrgewicht eine Höchstlei stung von 148 Meterkilogramm, heute erzielt man auf 1 Kilogramm Rohrgewicht eine Höchstleistung von 366 Meter- kilogramm! Und endlich: ehedem konnte man mit einer Riesenkanone nur 60 bis 70 sichere Schüsse abgeben, die oben genannte Schifsskanone gestattete aber schon 140 sichere Schüsse und die gewaltigen „Brummer" sollen sogar 1000 Schüsse aushalten. Diese Brummer, der Frau Bertha Krupp z»l Ehren auch „schöne Bertha" genannt, sind freilich schon gar keine richtigen Kanonen mehr, es sind wahrhafte Ma schinen, Schießmaschinen, die ja auch nicht von einfachen Ar tilleristen «-gefeuert werden, sondern von besonderen In genieuren der Firma Krupp. » Sinnspruch. » M Tas edle Metall muß durch die Flamme ge- A L läutert werden, und geht es zugrunde, so war es A nicht edel. Sternau. Gedenktage: s. Oktober 1806: Klirgserktärung Preußens an Frankreich. 1870: Gambetta trifft mittels Luftballon in Tour« ein. V Astronomischer Kalender. 10. Oktober: Sonnenausg. 6 Uhr 15 Min.! Mondaufg. 7 Uhr 56 Min. Sonnrnunterg. 5 Uhr 18 Mm. Monduntrrg. 1 Uhr 6 Min. Im Spittel. Roman von Iulia Jobst. (38. Nortfe»mi«., «Nachdruck verboten.) . „Hier mußt du einen Blick hinabwerfen, Lothar," rief sie und hielt zu seiner Freude auf der Straße eine kleine Rast. Er schaute in die schwindelnde Tiefe, und es wurde ihm schwarz vor den Augen bei dem steilen Absturz, an dessen Fuß -ie wilden Wasser zogen. Er faßte einen Baum und schloß die Lider. Die junge Frau bemerkte es gar nicht, er schien ihr doch der Weg wie ein Kinderspiel, jubelnd ent deckte sie plötzlich die großartige Felspyramide des Kämpen, die über den dicht bewaldeten Vorbergen emporragt. „Wenn wir erst miteinander dort hinaüfkleitern dllrf- fen. Ich halte eS hier unten nicht mehr aus, Lothar. Ich muh «inei^Leil der Unruhe, die in mir ist, verpuffen lassen. Ich werde den Hirschberg besteigen. Diel ist eS ja nicht, aber es genügt vorläufig." „So schwer wird es dir, zu entsagen?" „Aber ich bin doch gesund und kräftig. Ich denke, dü muht mich doch am ersten verstehen." „Ich habe es wohl verlernt, Rose Marie. Ich bin ein Schwächling geworden." „Weil sie dich verzärtelt haben", rief sie und drückte ihm in leidenschaftlicher Zärtlichkeit die Hand. „Noch einige Wo- chen und wir besteigen miteinander die Kerle, die von über all her lockend zu uns hinuntersehen. Dich muß doch jetzt auch die Sehnsucht packen." „Man wird mit der Zeit so ungeduldig. Es gab Tage, an denen ich an einem Besserwerden verzweifelte. Und nun nehme ich schon solche Höhen." „Diese Lwur durstest du schon lange machen, man ist ja droben und spürt es kaum." „Sind wir schon am Ziel?" „Wenn wir so weiter schleichen, in einer halben Stunde", lachte sie. Wieder ging es vorwärts, die Sonne brannte, der Schweiß rieselte, und das Herz pochte wild, in den Ohren brauste das gepeitschte Blut. Aber er meisterte es und nun waren sie endlich droben. Wie ein Sack fiel er in das Weiche Gras, es war ihm zu Mute, als könnte er keinen Schritt mehr tun. Unter Scher- zen verbarg er seine Erschöpfung und behauptete, hier sei es so zauberhaft schön, hier gedenke er einen tiefen Schlaf zu tun. — „So werde ich das Essen bestellen und dich alsdann holen." Wäre sie noch geblieben, so hätte sie es sehen müssen, wie die fieberhafte Röte des Gesichts einer aschfahlen Für- bung wich. Er lag da wie ein Toter, eine jähe Angst be fiel ihn bei seinem Zustand, aber es ging ebenso rasch vor- über, als es gekommen war. Schon lag er auf den Ellen bogen gestützt, als er Rose Marie auf sich zukommen sah, sie trug ein Glas in der Hand. Mit strahlendem Lächeln kam sie auf ihn zu, kniete ne ben ihm nieder und flößte ihm das Glas Enzianschnaps ei». „Nun ist der Bub wieder munter, und nun wollen wir es uns schmecken lassen." Sie zog ihn empor, und Han- in Hand, wie übermütige Kinder, liefen sie über die grüne Matte dem langgestreckten Bauernhaus zu, wo unter den Bäumen das Tischleindeckdich ihrer wartete. Man sah nichts in der Runde, wie grüne Berge und Wiesen. Die kahlen Felsen hielten sich versteckt, als trauten sie sich nicht, als graue Schrecken über der lieb lichen Landschaft zu stehen. Lothar hätte gern hier oben Mittagsruhe gehalten, aber Rose Marie trieb zum Aufbruch, weil drohende Wolken gleich weißen Gebirgen sich über den grünen Höhen aufzu türmen begannen. Sie wählte zum Abstieg einen anderen Weg. Als sie die Wiesen verließen und der Pfad sich im Walde verlor, blickten sie noch einmal zurück auf das Idyll das sie so rasch verlassen mußten. Ein Schrei des Entzückens brach aus Rose Maries Brust. Da standen über dem grünen Frieden die kahlen Felsriesen, und aus ihren Schluchten quollen dicke Wolken, die sich droben ballten oder von den aufkommenden Winden also zerrissen wurden, daß sie gleich Fetzen umherflogen, bis sie an irgend einer Spitze hängen blieben. „Ich glaube nicht, daß wir ein Wetter bekommen, denn das zieht hin und her ohne Zweck und Ziel," meinte die junge Frau. „Aber im Gebirge kennt man sich nie aus, und die Sonne sticht gewaltig. Machen wir lieber, daß wir hinunter kommen." Trällernd lief sic voran, als ob sie sich auf dem Parkett eines Saales bewegte, so geschickt eilten die kleinen Füße den steinigen Weg hinab. Lothar mußte sich beeilen, wenn er nicht Zurückbleiben wollte. Wie die Hitze zunahm, als sie nicht mehr die Höhenluft spürten, die so erquickend das Hoch tal bestrichen hatte. Seine Stirn glühte, die Schläfen klopf ten und die Knie zitterten ihm von dem raschen Abstieg. Jede Wegkürzung wurde von der jungen Frau mit beson derer Freude genommen, sie ahnte nicht, daß dieses Springen und Gleiten auch eine Anstrengung für Lothar bedentete. Ein Blick nach oben, und die rasch sich verdichtenden Wolken trieben die junge Frau zu noch größerer Eile an. Sie hatte leichtsinnigerweise alle schützenden Hüllen, selbst den Schirm zu Hause gelassen, es gelüstete sie gar nicht da nach, in ihrer dünnen Bluse bis auf die Haut naß zu werden. Es war nur gut, daß Rose Marie in Abwinkel ihren Wagen wußte, und es glückte wirklich, daß sie in dessen Innern wohlgeborgen gen Egern fuhren, als der Regen nie- dcrsttömte. Stumm lag Lothar in seiner Ecke, während sie nicht müde wurde, zu scherzen. „Was er nur hat" fragte sie sich. „Sollte Marlene verklatscht haben? Aber nein, daS sah ihr gar nicht ähnlich."