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AtzWM P» Nusuuek SS5. Der Sächsische LrMer. Sonntag, de» 27. SepteMter 1914. AettseMätze Betr«chtmsge«. I» Zeichen tze» Eisen». Da» war ein gesegnete» köstliche» Jahr, — das jäh uns die Feinde verdorben, — es boten manch Bild, manch bezau bernde» dar — de» Sommer» helleuchtende Farben. — Wie ist'» mit der Ernte gar herrlich bestellt — so hörten wir dan ken und preisen — und friedlichen Sinn» schwang der Schnitter im Feld: Da» Eisen.— Wohl sichert die Ernte da» tägliche svrot, — doch meider man Erntefesttänze. — Die Sturmglocke schallt und die Brandfackel loht, — Einbrecher umschleichen die Grenze. — Hinaus au» dem Lause, schallt'» zornig und weit, — wir werden die Wege Such weisen, — Nun schärften die Schnit ter zum blutigen Streit: DaS Eisen.— Die Frevler, wohl sind sie einander sich wert! — So herrsche der Krieg denn, der grause; — wir wollen sie schla gen mit wuchtigem Schwert. — Wer bliebe da gerne zu Hause? — Mit Donnergewalt dröhnt da» Mörsergeschoß, — -em Feinde die Macht zu beweisen. — In rauchende Trümmer legt Burgen und Schloß — Da» Eisen.— Nun ran an die Feinde! Und donnert» und dräut» -- auch drüben von teuflischen Tücken. — ES gilt zu erringen das eiserne Kreuz, — bald wird es manch Tapferen schmücken. — Und schmerzen die Wunden den wackeren Mann, — es bannt selbst den Seufzer, den leisen. — Mit strahlendem Auge blickt selig er an: Das Eisen.— Das war ein gesegnetes köstliches Jahr, — das jäh uns die Feinde verdarben, — doch nein, ein gesegnetes bleibt eS fürwahr, — hell leuchten Germania'» Farben. — Der Opfermut war schon der Vorfahren Zier, — wir wollen wie sie uns erweisen. — Sie opferten Gold und sie nahmen dafür Das Eisen.— Albert Jäger. Feldpostbriefe der Söhne unserer Heimat. Der Krastwagenführer M. Ti. schreibt aus Montmedy, den 14. September: Da ich heute nach mehrtägiger Anstrengung wieder mal einen Tag habe, wo der Wagen in Stand zu setzen ist, so er laube ich mir. Ihnen wieder folgendes von meinen Erleb nissen zu schreiben. Wir stationieren in M . . . ., bis hierher geht die Bahn, denn die Franzosen haben hier einen 300 Meter langen Tunnel total zersprengt und somit mutzte eine Umgehungsbahn von 5 Kilometern gebaut werden, welche heute feierlich eingeweiht wurde. Es ist fabelhaft, mit welcher Geschwindigkeit eine Bahn gebaut wird, die Bahn geht mitten durch die Stadt. Es mutzten mehrer? Häuser weggerissen, ausgeschachtet und aufgefüllt werden. Nun geht sie bis S . . . und ins Innere Frankreichs hinein. Alle Maschinen sind geschmückt mit schwarz-weitzrotec Flagge, das Blau ist schwarz gefärbt worden. So war un sere Tour jetzt meistens C . . . —M ..... dazwischen liegt C ein große» Dorf, durch diese» sind wir mindesten» schon zehnmal gefahren. Am Donnerstag vor- mittag Uhr fuhren wir wieder durch und mit einem Mal bekamen wir Feuer aus allen Ecken und Fenstern. Aus den Dächern hatten die Bewohner Dachziegel herau»genom- men und feuerten durch. ES waren Häuser dabei von un ten bi» oben voll Franktireur». Wir gingen in das Dorf und haben geschossen, was wir nur schießen konnten und ausgebrannt, wo wir nur irgend hinkonnten. Es wurde alles niedergeschossen, ob Frauen oder Kinder, alles gleich, was nicht erschossen wurde, wurde verbrannt. Das Dorf wurde in Brand gesteckt, aber auch nicht ein Haus steht mehr, es find mehr als 100 Häuser. 23 Mann wurden hinter dem Dorf auf einen Haufen gestellt und erschossen. Am anderen Ende wollten 7 Mann auSreitzen, da gab es eine Salve hin terher; 2 Mann sind entkommen, 5 Mann haben wir mitge nommen zum General-Oberkommando, wo sie nach Men Seiten verhört wurden. Dann wurde jedem Einzelnen die deutschen Kriegsartikel in französischer Sprache vorgelesen. Hierauf mutzte jeder Einzelne einen Zettel schreiben, ich heiße, (so und so), bin hingerichtet worden, weil ich auf deutsche Soldaten geschossen habe. Jeder wurde an einen Baum gebunden, über ihn der Zettel angenagelt, die Augen verbunden und jedesmal eine Gruppe (8 Mann) schossen auf einen nach Kommando. Ein paar Tage blieben sie an den Bäumen hängen zum Abscheu der anderen. Wir haben 3 Verwundete, darunter 2 schroer. klS. Zur Hilfe waren Train und Infanterie zur Stelle, sonst wäre es für uns schlimm geworden. Die Armee, der wir zugeteilt find, ist die Maas armee unter der Führung Seiner Kaiserlichen Hoheit des deutschen Kronprinzen, welcher täglich in unserer Armee ist. Wir mußten wieder zurückgehen und den Franzosen das Feld räumen. Die Franzosen saßen derart verschanzt, daß trotz aller Aufopferung nicht ranzukommen war. Heute sieht es aber schon anders aus, durch unser Zurückgehen haben lvir die Franzosen aus ihrer Stellung herausgelockt. Im Gefecht ist nur Artillerie, die Infanterie hat unsagbar bei uns ge litten, die franz. Artillerie schießt nur auf unsere Infanterie. Die Verwundeten sind garnicht unterzubringen. Heut? haben wir wieder 11 französische Kanonen erobert und an unsere Lastwagen angehängt mit nach Montmedy geschleppt. We stolz wir da jedesmal sind, können Sie sich wohl denken. Wir haben aber auch ein trauriges Schicksal erlitten wieder durch einen französischen Pfaffen und 4 Franktireurs; sie haben von einem von Deutschen besetzten Dorfe vom Kirch turm aus in die feindliche Stellung telephoniert. Von 2 französischen Granaten wurde eine ganze Batterie Protzen in Klumpen geschossen, 40 Pferde mit Mann und Maus weg. Zum Glück haben sie aber 2 Ulanen entdeckt und ge- fangen. Im Telephonieren sind die Franzosen groß. Zum Beispiel hat jetzt ein ganz verbundener französischer Soldat in einem Krautfelde gelegen, aber ganz gesund, unter sich ein Telephongerät und feste telephoniert. Dem haben sie aber gleich den Kopf eingeschlagen. Heute vormittag war ich wieder mit meinem Kolonnenführer bei der Artillerie in Feuerstellung, wo ungefähr 50 Meter vor uns eine Granate einschlug, es kommt einem vor, als wenn die Erde bebte, oder man unterginge, schon der Luftdruck. Wir haben schleu nigst kehrt gemacht und sind mit Volldampf abgefahren. Wir haben die 21 Ztm.-Feldhaubitzen hier, die können die Franzosen garnicht vertragen. Wird im Lande auch nichts bekannt, wie die Lagen sind? Wir erfahren garnicht» hier, nur wa» wir selber erleben, sogar die Offiziere wissen nicht» und verbreiten manchmal die größten Märchen; oder wollen sie un» dadurch Mut verschaffen? Keine Zeitung oder Extra blatt, nichts bekommen wir in die Hände. An diesem Brief hab« ich eine halbe Woche geschrieben, wir hatten furchtbar wenig Zeit und hier ist jetzt ein kolossales Regenwetter, so daß unter freiem Himmel keine Möglichkeit zum Schreiben ist. Jetzt sind wir von Montmedy nach Stenay übergefiedelt. Au» dem Feldpostbriefe eine» Putzkauer Kriegsteilnehmer». 9. September. . . . Die Franzosen haben hier in den hohen, mit Wald bedeckten Bergen schwer verschanzte Stel lungen, wovon viele schon im Sturm genommen sind. So gar im deutschen Elsaß hatten sie in den hohen Waldbergen Stellungen angelegt. Wie lange man in Frankreich den Krieg vorbereitet hat, geht daraus hervor, daß französische Truppenteile bereits seit Mai (also zu einer Zeit, wo man sich bei uns noch über die Zabernaffäre und andere Sachen aufregen zu müssen glaubte! D. R.) auf den deutschen Vo gesenpässen große Waldstrecken gefällt haben, um Schuß bahnen zu bekommen. Bei der riesigen Waldausdehnung und der größtenteils franzosenfreundlichen Gesinnung der Grenzbevölkerung (die größtenteils einheimischen Forstbc- amten inbegriffen) war dies möglich. Nun sind wir ihnen aber anscheinend immer noch zu zeitig auf den Hals gerückt. Hoffentlich können wir ihnen derartige Frechheiten gründ lich heimzahlen und schenkt der liebe Gott unseren Fahnen auf allen Seiten weitere Siege, damit recht bald wieder der Frieden auf Erden hergestellt wird und alle übermütigen Friedensstörer ihren verdienten Lohn bekommen. Bruno G. Bilder von der großen Schlacht an der Marne. Bon einem Italiener, der im französischen Lager weilt, geschildert. Luigi Barzini schreibt im „Corriere della Sera": „Sobald man die Stadtgrenze von Paris mit ihren Lauf gräben, ihren Barrikaden, ihren Verhauen, ihren Schild wachen hinter sich gelassen hat und auf der Strass, die über Claye-Souilly nach Meaux führt, weiter schrotet, merkt man sofort, daß man sich auf der großen Straße des Krieges befindet. In langen Reihen fahren Zugkarren, Packwagen, Provianiwagen vorüber. Von starken, zu vier oder zu sechs angespannten normannischen Pferden gezogen, ziehen Hun derte von massiven grauen Militärwagen auf breiten, ge räuschvollen Rädern dahin, schwer und voll beladen, mit Planen bedeckt, geleitet von Dragonern mit langer Lanze oder von eleganten Husaren in blauer Uniform. Unter einem Geflatter von Fahnen des Roten Kreuzes kommen lange Karawanen von Automobilen, die Verwundete brin gen, von der Schlachtfront. Munitionswagen, ganz von Eisen, fahren mit dumpfem, metallischen Getöse vorüber. Die Fahrer und die Begleiter schweigen ermüdet. Jede Lücke, jeden Raum ausnutzend, blitzen die Automobile des Generalstabes vorbei. Auf den Wiesen bilden sich hier und da Wagenparke; die Fahrzeuge ordnen sich in Reihen ein; zwischen den Rädern blitzen die Feldfeuer auf; diese Rast erinnert lebhaft an ein großes Zigeunerlager. Und ist nicht der ganze Krieg eine Rückkehr zum Nomadenleben? Im Spittel. Roman von Julia Jobst. (27. Aorsetzung) Flachdruck verboten.) 3. Kapitel. Es nahte sich der Juli seinem Ende zu. Drunten am See flutete das Leben wie eine einzige Welle aufjauchzender, genießender Freude. Jedes Haus, jede Kammer, die bewohn bar war, beherbergte Menschen. Für Lothar war es zuerst eine Quelle des Amüsements gewesen, diesem hastenden Treiben zuzusehen, und sich, soweit es ihm erlaubt wurde, an der Hetz, wie er es nannte, zu beteiligen, zumal die Kom tessen von dazumal auch da waren, aber dieses Mal nicht in Kreuth, sondern in einer der schönen Villen im Weißachtal. Er war mit Marlene am frühen Morgen, denn die Hitze war jetzt schon groß — an der schäumenden Weißach entlang gewandert, um das zweite Frühstück beim Glasl in Oberach zu nehmen. Zu so zeitiger Stunde war es in dem Cafe, das Nachmittags stark besucht Wurde, leer. Auch in dem wei ten Tal störte kein Menschengewühl, die Reichhaltigkeit der Spaziergänge war eine zu große, nur an den beliebtesten Punkten und am See selber wurde die Fülle der Sommer gäste lässig. Die beiden Kameraden, daS Wort betonte Marlene be sonders stark, ost zum Aerger Lothars — gingen ihren ruhi gen Schritt und plauderten von allem, was ihnen am Her zen lag. Da war vor allem die Zukunft, die -em Rekon valeszenten in immer rosigerem Scheine strahlte, um so kräf tiger er sich fühlte. „Du mußt doch sagen, Marlene, daß ich mich von dir am Gängelband führen lasse, wie und wohin du willst." Sie lachte und schwenkte den Hut, den sie am Arm hän- gen hatte- hin und her. Sie war in ihrem Dirndlkostüm, da» Lothar an ihr so liebte. Der blau gemusterte Rock legte sich eng gekräuselt um die Hüsten, um unten in freiem Fal tenwurf auszuspringen, darüber die breite Weiße Schürze. DaS Mieder mit dem reichen, silbernen Geschnür umschloß die schlanke Taille, und darüber zeigte sich da» buntseidcne Halstuch, da» im Nacken in ziemliche Falten gelegt war. Ein schöner Schmuck aus vielen Silberketten, die von einem gro ßen, mit Halbedelsttinen geschmückten Schloß gehalten wur- den, umschloß eng den weißen Hal». Der grüne Hut, der die blonde Flechtenpracht auf das kleidsamste deckte, hing, wie Marlene es liebte, meist am Arm. Trotzdem sie sich also unbekümmert den Strahlen der Sonne aussetzte, war ihre Haut weiß und rosig, wie die einer um ihren Teint ängstlich besorgten Schönen. „Du lachst, aber mir wird es oft höllisch sauer, so ver nünftig zu bleiben, jetzt, wo die Kraft sich wieder regt." Prüfend blickte sie ihn von der Seite an. Nie hatte er so gut ausgesehen »vie jetzt. Das Hagere in seiner Erschei- nung war verschwunden, die Ruhe hatte alle Glieder gerun det, ohne ihnen doch zu viel Fülle zu geben. Die bleiche Gesichtsfarbe war einem kräftigen warmen Rot gewichen, nur die ungewöhnlichen großen, glänzenden Augen verrieten noch, wie krank er gewesen war, und oft auch das Spiel der nervösen, schlanken, weißen Hände, die er als Offizier nach alter Gewohnheit stets mit Handschuhen gegen den Sonnen brand schützte. Sie dachte, wie er davonziehen würde, und ihr Herz klagte schon jetzt. „Warum bist du so schweigsam?" Lothar beugte den Kopf zu ihr hin und blickte ihr mit unbequemem Forschen in die Augen. „Soll ich lieber mit dir zanken, weil du so undankbar bist?" „Ja, zank und schilt mit mir, soviel du magst, ich halte still. Kannst mich auch zausen. Da!" Er hielt ihr den Kopf mit dem dichten dunklen Haar hin. In diesem Augenblick unterlag sie der Versuchung. Sie wa ren Mein auf dem Dammweg, der zu beiden Seiten von dichtem Gebüsch besetzt war, und sie griff lachend in den schwarzen Schopf und zauste ihn wie einen übermütigen Knaben. „O du unnützer Bua!" Blitzschnell legte er die Arme um den Leib un- drückte sie zärtlich an sich: ,O) du liab» Dirndl, du!" Einen Herzschlag lang lag sie an seiner Brust und schloß die Lider, es schwindelte ihr vor einem kommenden großen Glück. Dann küßte er zärtlich die blauen schönen Lugen, die also ihres Wächteramtes vergaßen, und die Wimpern zitter ten vor innerer Erregung. Fröhliche Stimmen schreckten sie auf, hastig löste sie sich aus den haltenden Armen und wurde der Störung froh. Wie hatte sie sich nur so vergessen können. Und doch fühlte sie keine Scham, beseeligt blickte sie umher, Sin Freuen lag in ihr und in der Luft ringsum, es war, als ob das Herz in der stürmisch klopfenden Brust zerspringen müßte. Warum immer alles unter die Lupe der Moral nehmen. Genießen, dieweil der Himmel blaut, die rauschenden Was ser fließen und die grünen Berge sich in der Sonne baden. „Ach, diese Sonne!" sie rief es laut hinaus. „Ist es nicht, als ob sie wisse, daß hier ein krankes Herz ist, das sie heilen soll?" „Dein Herz, Marlene?" fragte er scherzend und ver suchte, die Hand darauf zu legen, als ob er seinem Klopfen nachspüren wollte. Aber sie schlug kräftig zu und sprang ihm lachend davon. An zwei Damen eilte sie vorbei, die um die Wegbiegung schritten. „Ach, Herr von Tolsdorff, Sie sind wieder hier?" Marlene blieb wie angewurzelt stehen und sah der herz lichen Begrüßung verwundert und mit Plötzlich erwachender Eifersucht zu. Nein, sie gedachte mit keiner zu teilen. Lang sam schritt sie ihres Weges dahin. „Nirn?" fragte sie gedehnt, als er endlich so raschen Schrittes nachkam, daß die Brust flog. „Warum läufst du denn so?" „Ich war in Sorge, du könntest mich diesen Komtessen überlassen und derweil davonlaufen." „Haben wir ein böses Gewissen", scherzte sie voller Neber- mut, daß sie ihn so bald wieder hatte. / „Das waren die beiden Komtessen aus Kreuth, den Na men habe ich natürlich vergessen, mit denen ich damals so fleißig gerodelt habe." „Ach so." Nun war Marlene völlig beruhigt. Wenn er nicht mal den Namen wußte. Bald blieb ihr überhaupt keine Zeit -um Denken mehr, denn sie hatte alle erdenkliche Mühe, des Detters Uebermut in den Schranken zu halten. Er gefiel sich plötzlich in aller lei verliebten Scherzen, die aber so waS jugendlich Knaben haftes an sich hatten, daß sie nicht böse werden konnte. Sir brauchte ihn nur anzusehen, wenn das glückliche Lachen um seinen sonst zu energisch geschlossenen Mund lag und es in den großen ernsten Augen heimlich zu glänzen begann. Sie saßen zusammen am Tisch beim GlaSl und hatten sich einen Schmarren bestellt. Die kleine Flasche mit dun roten Tyrolerwein stand vor ihnen, sie wurde mehrmals er-