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68. Jahrgar,-. Sonntag. 27. September 1614. Dkl MWe LMlkr Aischofswerdaer Tageblatt. Ruvnner 225 " Amtsblatt der Röniglichen Amtshaupftnannschast, der Röniglichen Schulinspektion und des Röniglichen ^auptzollamtes zu Bautzen, sowie des Röniglichen Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda, und der Gemeindeämter des Bezirks. Anzeigeblatt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend, sowie für die angrenzenden Bezirke. Aeltestes Blatt im Bezirk. Erscheint seit ,84S. Telegr.-Adresse: Amtsblatt. Fernsprecher Nr. 22. Mit de« wöchentlichen Beilage«: Dienstags: Belletristische Beilage; Donnerstags: Der Sächsische Landwirt; Sonntags: Illustriertes Sonntagsblatt. Erscheint jeden Werktag abends für den folgenden Tag. Der Be zugspreis ist einschließlich der 3 wöchentlichen Beilagen bei Abholung in der Expedition vierteljährlich 1 Mk. SO Pfg.» bet Zustellung in» Hau« l Mk. 70 Pfg.; durch die Post frei ins Haus viertel jährlich l Mk. 92 Pfg., <un Postschallrr abarholt 1 Mk. SO Psg. 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Nach 8 4 der Geschäftsordnung für gemeinschaftliche Sitzungen beider Kollegien wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß in dieser Sitzung ohne Rücksicht auf die Zahl der erschienenen Mitglieder Beschluß gefaßt werden kann. Bischofswerda, am 25. September 1914. Der Stadtrat. Die Entscheidung im Westen rückt näher. Das erste Sperrfort bet Verdun gefallen. — Deutsche Truppen überschreiten die Maas. Drostes Hauptquartier, 25. September, abends. Der Fortgang der Operationen hat auf unserem rechten Flügel zu neuen Kämpfen geführt, in denen eine Entscheidung bisher nicht gefallen ist. In der Mitte der Schlachtfront ist heute, abgesehen von einzelnen Vorstößen beider Parteien, nichts geschehen. Als erstes der Sperrforts südlich Verdun ist heute Camp des Romains bei St. Mihiel ge fallen. Das bayrische Regiment von der Tann hat auf dem Fort die deutsche Fahne gehißt; unsere Truppen haben die Maas überschritten. Im übrigen weder im Westen noch im Osten irgend welche Veränderungen. (W.-T.-B.) Bismarck und der jetzige Krieg. Fast zwanzig Jahre lang hat Fürst Bismarck noch nach der Gründung des Deutschen Reichs, seines Werkes, als treuer Berater seinem Kaiser an der Spitze der deutschen Politik gestanden. Diese langen Jahre lang war das Ziel seiner auswärtigen Politik, den Frieden zu wahren und zu diesem Zweck war es notwendig, Frankreich zu isolieren. Seine Staatskunst verstand es, mit Österreich ein festes Bündnis zu schließen und doch nicht alle Brücken zu Rußland abzubrechen. Das geschah erst nach seiner Entlassung. Ruß. land war schon vorher lau geworden, es war gekränkt, daß in 'der Regelung der neuen Grenzen auf der Balkanhalbinsel Deutschland nicht nur russische Politik trieb. Auch als dann Frankreich und Rußland sich gefunden hatten, folgte noch lange nicht, daß dieses Bündnis direkt gegen Deutschland ge richtet sei. In Rußland gab es einflußreiche und verständige Staatsmänner, die wußten, daß ihr Land zuerst seine wirt schaftlichen Kräfte entfalten müßte und daß es darum Kapi tal brauchte. Frankreich hatte Kapital, lieh es und bezog reiche Zinsen. Man genoß sie und duldete, daß Presse und Pöbel gelegentlich gegen Deutschland tobten. Bismarck hatte diese Form des Bündnisses immerhin Sorge gemacht, er wußte, daß künstlische Verhetzung doch zum Ziele führen konnte, aber er wußte auch, daß es zum Kriege kommen würde durch den Ehrgeiz hoher Militärs. Als Bismarck starb, hatten gerade die ersten Ereignisse in Ostasien stattgc- funden, aus denen sich dann die nächste Geschichte entwickelt hat. Der Krieg Japans gegen China zeigt« das Aufkommen einer neuen Militärmacht in einer Gegend, die Rußland ge wohnt war, als harmloses Gebiet anzusehen, wo es nur zu- . zugreifen brauchte. Denn was war China wert? Rußland hielt dann den Moment für gekommen, mit den Japanern gründlich abzurechnen. Der Erfolg war kläglich, sein mili tärisches Renommee dahin. Und die ehrgeizigen Militärs waren bemüht, sich in neuen Feldzügen von dieser Schmach rcinzuwaschen. Sie suchten einen Krieg. Die Türkei anzu greifen war schwierig, auch war dann Rußland auf seine Kräfte antzewiesbn. Und dann war England dagegen. Eng- land an der Seite Rußlands! Das hat Bismarck wohl nie recht für möglich gehalten. Er hatte vor der englischen Poli tik keine allzu hohe Meinung und wußte aus Erfahrung, daß Epgland gewohnt war, auf dem Kontinent Bundesge nossen zu werben. So hatte eS sich auch während deS Krim- kriegeS um Preußen bemüht. Preußen sollte Englands Schlachten gegen Rußland schlagen. Das wollte e- nicht und England war unzufrieden, aber von dieser Unzufriedenheit zum Kriege ist ein weiter Weg. Und Bismarck hat selbst gesehen, wie dieser Weg sich anbahnte. Seine Wirtschafts politik hat Deutschlands Industrie, Handel und Finanzen in einer Weife entwickelt, die die Engländer mit Staunen, Neid und Zorn erfüllte. Da mit ehrlicher Konkurrenz dem Deut schen nicht beizukommen war, so brach der Seeräubergeist der Vorfahren die Hülle christlicher Sitte und Frömmigkeit, in die er sich gern maskierte und trat in voller Nacktheit ans Tageslicht. Deutschland muß vernichtet werden. Auf jede Weise. Unserer kolonialen Entwicklung hat Bismarck stets ein gewisses Mißtrauen entgegengetragen. Die „Gedanken und Erinnerungen" schweigen über sie. Er konnte sich nicht verhehlen, daß wir hier auf das Wohlwollen Englands an gewiesen waren. Er fürchtete, daß hier Reibungsflächen ent- stehen könnten, die sonst durchaus fehlten. Denn warum sollten sonst Deutschland und England zum Kriege kommen? Er ahnte nicht, daß der wirtschaftliche Aufschwung Deutsch- lands zusammenfallen würde mit einem bedenklichen Nach lassen des wirtschaftlichen Unternehmungsgeistes Englands und daß so eine feindliche Stimmung entstand, die allein schon die jetzige Entwicklung erklären könnte. Nur die Fran- zosen sind dieselben geblieben. Militärisch haben sie aller dings viel gelernt, sie sind bei den Siegern von 1870 nnt Erfolg in die Schule gegangen und machen uns genug zu schaffen. Aber der Geist des Volkes ist genau derselbe ge- blieben, und mit einem Kriege gegen Frankreich hat Bis- marck stets gerechnet. Da bleibt nur noch das Verhältnis zu Österreich zu erwähnen. Hat er nicht einst das Wort von den, bischen Herzegowina geprägt, daß die Knochen eines einzi- gen pommerschen Grenadiers nicht wert sei? Und als der Krieg drohte, glaubte in der Tat mancher an dieses Wort er innern zu können. Aber er hat doch nur sagen wollen, daß Österreichs auf Machtvermehrung berechnete Balkanpolitik ihm überlassen bleiben müsse. Ein Angriff auf Österreichs Großmachtstellung hätte ihn sofort an seiner Seite gesehen. Nein, Bismarck wäre diesem Kriege, den er so gar nicht ah- nen konnte, nie auSgewichen. Wie hätte er sich den Frieden gedacht? Ueber Einzelheiten jetzt schon reden zu wollen, ist öde Kannegießerei, aber bedenken wir stets seinen Aus spruch: „Ein Friede, der der Befürchtung auSgesetzt ist, jeden Tag, jede Woche gestört zu werden, hat sticht den Wert de« Friedens. Der Friede, dessen wir uns seit den letzten sechs Jahren erfreuten, war der Art, wie ihn hier BiSmarck zeich net. Sorgen wir dafür, daß der Friede, der diesem Kriege ein Ende macht, die Gewähr dauernder Zustände in sich birgt! D Der Entscheidungskampf. Berlin, 26. September. (W. T. B.) Der „Lokalanz." schreibt: Die beherrschende Lage des gefallenen Forts Camp des Romains" ist, wie sein Name besagt, bereits von den alten Römern erkannt worden. — Die Truppen der Armee des Kronprinzen Rupprecht von Bayern stehen im Rücke» der französischen Front und damit dürfte das Zeichen zu einem letzten Verzweiflungskampf oder zu sofortigem Rück- zug gegeben sein. Rittmeister a. T. Großmann schreibt im „Dresd. Anzeiger": In dem großen Entscheidungskampfe selbst treten seit einer Reihe von Tagen deutliche Anzeichen hervor, daß „das Gefecht nicht mehr steht", sondern „fortschreitet" in einem für uns günstigen Sinne. Im Positionskrieg — und ein solcher liegt nunmehr hier vor — gewinnt man nur schrittweise Terrain, ähnlich wie im Festungskriege. Aus der Abwehr wurde der Angriff, und dieser brachte uns Teil siege, worüber auch London und Paris schon Andeutungen machten. Somit gewinnen wir langsam und stetig an Ge lände; weit wichtiger aber ist es, daß mit jedem Tage bei un serer Führung sich das Gefühl der Ueber legenheit durchringt, wenn vielleicht auch nicht an Zahl, während beim Feinde eher die Ueberzeugung Platz gegriffen haben mag, daß die Kraft, vielleicht auch die moralische, nicht aus reicht, den Sieg an seine Fahnen heften zu können. Und das ist das Schlimmste im Positionskampf; es läßt bei aller Bra- vour der Truppen ein Gefühl der Aussichtslosigkeit aufkom- nen, das den Kein: zum endlichen Mißerfolg meist schon in sich zu schließen pflegt. Ein Kampf, wie dieser hier, der zum größten Teil von der Artillerie geführt wird, ist eine gewaltige Nervenprobe — wer die meisten Treffer am schweren Geschütz und die besten Nerven hat, der wird siegen! Beide Vorbedingungen erfüllen sich auf unserer Seite. Die östlich in südlicher Richtung gegen Toul hinstrei- chende Este Lorraine ist ein natürliches Bollwerk, ein Hochplateau, das nach Osten, gegen Metz zu, plötzlich steil ab- fällt; ich kenne diese formidable Position, die drei Forts trägt. Es ist eine Ruhmestat der fünften Armee, daß es ihr gelang, mit Teilen hier heraufzukommen und das ganze achte Korps zu schlagen, d. h. also in den Fortgürtcl hinein- zuwerfen. Wie richtig aber war es von unserer Heeresleitung, mit der Masse oben durch Belgien und Luxemburg herumzugrei fen! Wir erfahrest es heute, wie schwer eine Forcierung der