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—. Iw das Blut so glühend heiß in ihren Adern, wie hämmerte es an die Schläfen, als wollte es sie sprengen! — Jetzt war das Wort, das sie so ost auf seinen Lippen gewußt, in seinen Blicken gelesen, ge sprochen, sie hatte volle Gewißheit und hätte darum vor seliger Wonne aufjauchzen und zugleich aufschreien mögen vor bitterstem Weh. „Nein, nem, weil du ihn lieb hast, darfst du ihn nicht herab ziehen in eine Welt, die sein Glück nickt bedeuten kann", sagte sie sich wieder und wieder. „Er ist in dieser Stunde blind und weiß nicht, was er tut. Achim gllt für den fähigsten Offizier im Regi ment, er hat als solcher eine große Zukunft, kann dem Bater- lande Hervorragendes leisten, darum darf ein Weib ihn nicht bestimmen, einen anderen Beruf zu erwählen, der ihn niemals befriedigen wird, in dem er vielleicht ein Stümper ist. Sei Ml, mein armes Herz, sei Ml! Du warst doch sonst stark." — . „Aber Kind, wo bleibst du denn so lange?" fragte die Mama mit einem Blick, aus dem weit mehr Besorgnis als Tadel sprach. Sie hatte den Leutnant allerdings unter den Buchen bei ihrer Toch ter stehen sehen, doch nichts von seiner Umarmung wahr genommen. Aber in Lilis geröteten Augen, die so gar ungewöhnlich glänzten, auf ihrem in hektischer Röte glühenden Antlitz, las das scharfe Mutterauge ja nur zu deutlich, daß Achim von Nordendahl ihr mehr ge sagt, als ein flüchtiges Ab- schiedswort. Ach, sie schätzte den Leutnant nicht mmder hoch als ihr Gatte, sie kannte seine vorzüglichen Charak tereigenschaften und seine Fähigkeiten, aber sie waren arm geworden, sie konnten einem Offizier, der nicht selber Vermögen besaß, ihre Tochter nicht geben. Das mußte ja doch Nordendahl auch ganz genau wissen. Ihr Gatte hatte es ihm wie derholt ganz unverschleiert zu verstehen gegeben, und er schien bisher der beson nene, ruhige Mann, der sich zu keinem unüberlegten Wort hinreißen läßt. „Armes Kind!" kam es nun über Frau v. Grünows Lippen, und ihre Arme leg ten sich weich um ihrer Toch ter Nacken. „Ich weiß alles. Du bist doch vernünftig ge wesen ?" „Wir sind beide vernünf tig, wir werden vemünftig sem", erwiderte Lili, ihre Tränen sieghaftbekämpfend. „Es war nur eine schwache Minute. Der Frühlingstag, der Maienzauber —" > Weiter kam sie nicht, denn ein schmerzendes Gefühl schnürte ihr die Kehle zu, daß kein Wort mehr hindurch wollte. Und dann rannte sie hinaus in die stille Laube mit den breiten, schützenden Gaisblättern, und war ganz allein mit dem großen Weh ihrer heißen Liebe. Hier durften der Tränen Bächlein fließen, hier durfte sie ein schwaches Menschenkind sein, für kurze Zeit. — „Wenn seine Liebe wirklich so groß ist," kam es ihr dantt auf einmal wie ein Tautröpflein lindernden Trostes ins schmerzende Herz, „wenn er selbst entschlossen ist, seinen Berus um deinetwillen zu opfem, dann würde er vielleicht auch geduldig abwarten, bis er als Offizier in der Lage ist, zu heiraten, bis zu seiner Beförde- rung zum Hauptmann. Das würde ja wohl wenigstens noch zwölf Jahre währen, so schlecht, wie in unserer Armee das Avance ment ist. Es könnte auch noch fünfzehn Jahre dauern. Ober leutnant Müller wurde zu seinem vierzigsten Geburtstag Haupt mann. Aber wahre Liebe kann ausharren. Ob er das tun würde?" Und schließlich wurde es stiller in ihr. Ein leises Säuseln ging durch die Blätter, Blütenduft wehte herüber zu ihr, und im nahen Walde tönte so wunderbar melodisch einer Drossel Gesang. — Jetzt Hütte sie wieder der Mutter Stimme. Es tvar Abend brotszeit, und der Baron war heute ihr Gast. Damm mußte sie in der Küche behilflich sein und sich noch ein wenig zurechtmachen. Achim irrte bis tief in die lmde Maiennacht hinein in Feld und Flur umher als ein Mensch, dem ein böses Geschick die Ruhe aus der Seele gerissen hat. „Um so ein Mädchen! Mensch, wie kannst du nur ein solcher Schwächling sein! Reiß das doch heraus aus deinem Herzen und sei stark I Du hast dir einen Korb geholt, daran ist nun mcu nichts zu ändern. Und Üüi in ihrer Gutmütigkeit ist sehr gelinde mit dir verfahren, hat dir sogar noch erst einen Kuß gegönnt. Sie liebt dich eben nicht, dämm kann sre so verständig, so heldenhaft sprechen. Ein so hübsches, kluges Mädel stellt ganz andere Ansprüche. Na ja, und es geht ja auch nicht. Was könntest, du ihr denn bieten? Was würdest du werden, wenn du den bunten Rock nicht mehr trägst? — Du wärest gezwungen, irgendeinen untergeordnet digung brächte. Sie muß ja doch auch an «ihre El tern und die drei Brüder denken. Entweder unter richtet sie wetter und ver dient auf die Weise ein paar hundert Taler mit, oder sie — heiratet einen Reichen. Du darfst nicht schlechter von ihr denken, nein, nein, du kannst es ja auch nicht, wenn du ihr auch zümen möchtest!" So ging dah kreuz und quer in seinem Him hemm, bald anklagend, bald ent schuldigend, und als er end lich wieder in seiner Bude angelangt war, da graute im Osten schon der Morgen und er fühlte sich, als käme er von einem wüsten Zech gelage. , , Noch einmal wollte Achim mit Lili sprechen, ganz ruhig und ganz vemünftig. Nur das eine wollte er wissen, ob sie ihm treu bleiben würde, wenn er ins Aus land ginge auf ein paar Jahre, um dort sein Glück zu versuchen. Und sagte sie ia, dann würde er den groß herzoglichen Dienst quittie ren und in die Armee des Nachbarreichs, das dem nächst in emen Krieg ver- Rach »em Gemälde v»n <i. «. M-rd-g. es dann in wenigen Jah ¬ ren zu einer geachteten Stellung gebracht haben. In jener Armee konnten fähige Offiziere, besonders bei der Artillerie, weit schneller befördert werden. Und diese Frage sollte die Liebesprobe.sein. Liebte sie ihn wirklich, dann durfte sie auch nicht nein sagen. So stand er denn nun heute, am Sonntagnachmittag, wieder an der Gattenpforte, spähte pochenden Herzens durch die Syringen- und Rosenbüsche, schlich leise hmein und machte an der Gaisblatt- laube Halt. Da klappte eine Tür drinnen, Schritte wurden ver nehmbar — das mußte Lüi sein. — Ach, sie war es nicht. — Ihre Mama stand vor Achim, lächelte freundlich wie immer, bot ihm ihre mit größter Sorgfalt gepflegte zierliche Hand, nötigte ihn m die Laube und sprach dann in dem gewohnten mhigen, leisen Ton: „Lieber Nordendahl, wären Sie doch nur ein halbes Stündchen früher gekommen, dann hätten Sie Pie Wagenpattie auch mitmachen können. Unser nobler Freiherr hat uns nämlich einen Landauer spendiert für heute nachmittag, und eben fuhren mein Mann und Lili in seiner Be gleitung die Rosenburger Chaussee hinauf. Muß eine Lust sein bei dem Wetter. Jchzog es aber doch vor, daheim zu bleiben, da ich befürchtete, meine Migräne möchte sich gleich wieder einstellen. Kann das Wageng« Dann machte sie eni Worte des Bedauern führ fort: „Es.ist ne heute wieder gekomnu gekränkt fühlen und - „Gekränkt, gnädige „Nun ja, lassen S Geheimnis, was Dom kam. Ach, mein jun; - daß unsere Lili Ihnen gewünscht, es stände als mein Mann noch , Rolle für uns spielte. Ihr Antrag gemacht h halten, schon weil S Rudis treuester Freuu Stunden in unserer 2 als hätten wir unseren seidenes Taschentuch ' vor und fuhr sich über Augen bei diesen Wor! „Aber wir haben es lernt, unseren Lieblir wünschen zu entsax Seit wir durch frer Schuld um unser Ben gen gekommen sind, i seit mein Mann we lenes leidigen Jagdunf, . mit kärglicher Har mannspension den Be aufgeben mußte, in d er es einmal zu gro Ehren hätte bringen k nen, haben wir gelei uns bescheiden, uns ftp in des Schicksals unab derlichen Willen. Und ! werden auch Sie leri müssen, Herr Leutno Sie sind durch den pl lichen Tod Ihres Bat ebenfalls aus einem al, zenden Leben in besck denste Verhältnisse drängt worden. Sie m sen die Liebe zu unse Tochter überwinden r werden uns nahestel wie bisher, als qin gut lieber, stets gern gesehei