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«MMN« 1V1. Mittwoch, 15. Juli 1S14. S8. Jtchrganst. Der SSHWe LrMer Wfchofswerdaer Tageblatt. Amtsblatt der Aönigliche» Amtshaaptmannschaft, der königliche» Schulinspeklio» »»d des Aönigliche» tzauptzollamtes zu Vautze», sowie des Röniglichen Amtsgericht» und -er Stadtrates zu Bischofswerda, und der Gemeindeämter des Bezirks. Anzeigeblatt für Bischofswerda, Stolpe« und Umgegend, sowie für die angrenzenden Bezirke. Aelteste» Blatt tm Bezirk. Erscheint seil (846. Eele-r.'Adr.' Amtsblatt. Fernsprecher Nr. 22 MU de« wöchentlichen Beilage«: Dienstags: Belletristische Beilage; Donnerstags: Der Sächsische Landwirt; Sonntags: Illustrierte« Sonntagsblatt. Inserat- »»» Abonnementa-VesteNnngen »t»«r entgegen n» Bantzen: WeRer^sch« Bnchhandlnng, Schntstrasze S Nbomrnuntts-Brstrlluugen werden angenommen tn der Geschäft«» stelle Altmarkt IS, sowie btt den Arttungrdoten tn Stadt «ad Laad, ebenso auch btt allen Poftanstaltra. — Rummr r der Ztttungsltste V5S7. — Schluß der Geschäftsstelle abend» 8 Uhr. Erscheint irden Werkt« abend» für den folgenden Lag. Der Br» «mwrtt» ist einschließlich der 8 wvchrntltchen Beilagen btt Abholung dl der «Mediton vierteljährlich 1 Mk. SV Pfg., btt Austeilung di» Han» 1 Mk. 7V Pfg.; durch die Poft frei in. Hau» viertel, pttzenchl Mk. U2 Pfg., am Poftschalter abgeholl 1 Mk. SV Pfg. Einzelne Nummern kosten 10 Pfg. «»reigennnei»: Die Sgespattrnr Korpuszttle oder deren Slam» 12 Pfg., für Inserate von außerhalb de« Verbreitungsgebiete» IS Pfg. Dir Sirklamrzttlr 30 Pfg. Geringster Inserateabetr« 40 Pfg. Btt Wiederholungen Rabatt nach «fliegendem T«G Erfüllung»ott für beide Tttl, Bischofswerda. Feftbeftellte Inseraten» Aufträge können nicht zurückgezogen werden. Das Neueste vom Tage. Der Chefpilot der deutschen Flugzeugwerke in Leipzig. Liudeuthal, Böllerich, unternahm Dienstag früh einen An- griff auf den Höhenwrltrekord und erreichte in zweistündi ge« Fluge auf einem 0. r. ^V>Militärdoppeldecker eine Höhe von 7508 Meter«. Dainit ist der Rekord des deut- scheu Rumplerfliegers Linuekogel um fast 1088 Meter über- boten. (Siehe Letzte Dep.) Unter de« in Belgrad ansässigen österreichisch-ungari- scheu Untertanen kam eS am Sonntag zu einer Panik, weil Ausschreitungen der serbischen Bevölkerung angekündigt worden waren. (Siehe Bericht.) Die großen Linienschiffe des deutsche« Nordseegeschwa- derS habe« Montag nachmittag die Sommerreise nach Nor wegen angrtrete«. Der deutsch« Gesandte in China von Haxthausen ist an de« Folgen einer hartnäckigen Darmkrankheit am Montag gestorben. O In Albanien haben die Aufständische« nunmrhr auch Frcri besetzt. Im französische« Senat richtete am Montag Charles Humbert, der Berichterstatter der Heereskommission, scharfe Angriffe gegen die französische Heeresverwaltung. (Siehe Bericht.) , > Die Textilarbeiter im Finsterwalde beschlossen, im Ein vernehmen mit den Niederlausitzer Textilarbeitern in eine Lohnbewegung einzutrete« und neue Forderungen aufzu stellen. E Die Mannheimer Tabakfabriken habe» die allgemeine Aussperrung sämtlicher Tabakarbeiter beschlossen, weil ein großer Teil in den Streik getreten ist. « Der mexikanische Rebellengeneral Carranza hat die amerikanische Regierung in aller Form davon unterrichtet, daß er sich auf keine Vermittlung mit den Abgesandten Huertas einlasse und nut die bedingungslose Uebergabe an nehme. In einem Orte bei Bergamo in Oberitalin» hat ein fünf- zigjähriger Man« einen Arzt, einen Gemeindesekretär und dessen Tochter, sowie vier andere Personen aus Rachsucht ge tötet. Der Mörder schweift noch in der Umgebung des Ortes umher. E In China soll eine dritte Revolution auSgebrochen sei». (Siehe Pol. Uebersicht.) (Weitere Nachrichten unter Letzte Depeschen.) Zurück zu Bismarck! Je ernster und verwickelter sich die politischen Verhält- nissc gestalten und je sorgenvoller der von echter Vaterlands- liebe erfüllte Politiker in die Zukunft blickt, desto häufiger tönt die Mahnung an unser Ohr, wie jüngst aus den« Munde eines rechtsstehenden Führers, unS auf Bismarck zu besinnen, uns die Errungenschaften Bismarckscher Poli tik zu erhalten. . So mancher hört die Mahnung, so mancher erinnert sich dabei wohl auch, rückschauend in die Vergangen- heit, wie eS einst gewesen, da des neugeeinten Deutschen Reiches erster Kanzler das Steuer deS Reiches in fester Hand hielt, und stellt mit wehmütigem Bedauern fest, daß heute so vieles ander» geworden ist. Mit Bedauern und Klagen ändern wir aber nicht den Kurs unserer Politik und ein Vergleich der Gegenwart mit den politischen Verhältnissen zur Zeit, da Bismarck noch das Reichsschiff lenkte, wird nur dann einen praktischen Erfolg haben können, wenn wir nichr nur die Tatsachen einander gegenüber stellen, sondern uns zugleich darüber klar werden, welches die Grundlagen der gewaltigen Erfolge der Bismarckschen Politik waren. Der große Unterschied zwischen der Art und Weise, wie Bismarck die Geschicke unseres Vaterlandes und fast kann man sagen, der Welt lenkte, und den Wegen, die die Politik der Gegenwart einzuschlagen für richtig befindet, liegt da rin, daß Bismarck in allem, was er tat, nach einem wohl durchdachten Plane handelte, der weitblickend die Ereignisse voraussah und in Rechnung stellte, der ein festes Ziel sicher ins Auge faßte und mit eisernem Willen auf seine Errei- chung hinstrebte, niemals entmutigt, wenn Kurzsichtigkeit und Böswilligkeit ihm den angestrebten Erfolg streitig ma chen wollten. Er war ein entschiedener Mann der Initiative und Of fensive. Im Gegensatz dazu liebt die Politik der Gegenwart nicht das Angriffs-, sondern mehr das Begegnungs- oder das Verteidigungsgefecht. Ein klassisches Beispiel zeigt das Verhalten gegenüber der So zi a l d e m o kr a- t i c. Bismarck rückte ihr mit einem erfreulichen Draufgän gertum auf den Leib, war, unbekümmert um Sentimental!- raten und Humanitätsduselei, fest entschlossen, ihr, zum Heile und Segen des Vaterlandes, den Garaus zu machen, er sah in ihr weder eine großartige Bewegung, noch war er gesonnen abzuwarten, ob die Genossen vielleicht die große Freundlichkeit hätten, sich in eine bürgerliche Demokratie ttnizumauscrn. Auch den bürgerlichen Parteien gegen- iibcr, ohne Ausnahme, hat Bismarck niemals einen Zweifel darüber gelassen, daß er unbeschadet der Rechte der Volks vertretung, es nicht nur für das Recht, sondern geradezu für die Pflicht der Regierung hielt, in allen wichtigen gesetz geberischen Fragen die Initiative zu ergreifen und auch der Volksvertretung gegenüber die Zügel in der Hand zu behalten. Das klare Zielbewußtsein und die feste Ent- schlossenheit, mit welcher Bismarck das, was er als richtig und heilsam für den Staat erkannt hatte, durchzuführen be strebt war, drängle die Gegner der Regierung von vornher ein in die ungünstigere Verteidigungsstellung und benahm ihnen die Lust, Kuhhandelsgeschäfte mit der Regierung zu versuchen ebensosehr, wie etwa den Versuch zu machen, durch eine Parlamentsmehrheit der Regierung oder gar dein Kai ser Vorschriften über den Gebrauch der ihnen zustehcnden verfassungsmäßigen Rechte zu machen. Das ist es, was un serer gegenwärtigen Richtung in der inneren wie auch in der äußeren Politik oft fehlt, die deutlich erkennbare Initiative, der klare und unwandelbare Wille der Regierung: So und nicht anderes soll es sein. Heute muten die Verhandlungen zwischen den Parteien und der Regierung wegen dieser oder jener gesetzgeberischen Maßnahme ost wie ein Tauschgeschäft an, während man zu Bismarcks Zeiten doch bisweilen von einen» ritterlichen Tournier sprechen konnte, mag auch man cher unter seinen Widersachern dem edlen Ritter von la Man- ä>a nicht ganz unähnlich gewesen sein. Darum zurück zu den Grundsätzen Bismarckscher Poli tik, einer Politik der Initiative und des festen Willens. G Scharfe Kritik der französischen Heeresverwaltung. Pari«, 14. Juli. (Dep.) Der Senat beriet Montag nachmittag einen Gesetzentwurf, durch den der Kriegs- und der Marincminister zu einmaligen Ausgaben für die Be dürfnisse der nationalen Verteidigung ermächtigt werden. Charles Humbert, der Berichterstatter der Heereskommis- sion erklärte, daß wenn das DreijahrSgesetz dem Lande die notwendige Zahl gegeben habe, eine große Anstrengung -och nötig sei, um die materielle Organisation zu verbessern. Er wies vor allem darauf hin, daß das Material der Feldartil lerie mehr und mehr gegenüber dem deutschen ins Hinter treffen gerate. Der französischen Armee fehlten Offiziere; das Bedürfnis nach ihnen liege klar zutage und sei jetzt an erkannt. Deutschland verfüge über ein erstklassiges Ma terial. Was die Festungsartillerie betreffe, so stehe Frank reich in dieser Beziehung nicht besser da. Für viele Ge schütze habe man zum großen Teil Granaten aus Gußeisen. Di« französische Haubitze entspreche nicht mehr den Anforde rungen des Krieges und sei ersichtlich geringwertiger als dre deutsche. Der Redner ivarf der Heeresverwaltung vor, aus den bemerkenswerten Fortschritten der französischen In dustrie keinen Nutzen gezogen zu haben. Die Festungskom mandanten forderten seit langen Jahren vergeblich die Der- mchrung ihrer Bestände und den Umtausch alten Materials gegen neues. Sie forderten auch eine Verteilung der Gra- naten über mehrere Plätze. In dieser Hinsicht sei nichts geschehen, und die Granaten würden nach wie vSt ln einem einzigen Magazin aufbewahrt. Humbert kritisierte weiter sehr lebhaft die Heeresver waltung und erklärte, daß die französische Industrie gewisse Gegenstände dem Auslande in besserer Qualität liefere, als dein Heere (Bewegung). Es sei nicht genügend Geschützmn- nition vorhanden, auch fehle es an anderen Ausrüstungs gegenständen, darunter an 2 Millionen Paar Schuhen. Man verfüge gegenwärtig nicht über das notwendige Material, um die Mosel oder den Rhein zu überschreiten. Die Be festigungen an den Forts zwischen Toul und Verdun seien seit 1875 nicht verbessert worden. Der Redner wies darauf hin, daß Deutschland alle seine Werke an der Grenze in die Lage versetzt hätte, ihre Aufgabe zu erfüllen. Metz würde nicht beschossen werden können, bevor die erste Befestigungs linie, die 12 Kilometer davon entfernt sei, genommen wäre. Tie Kriegsminister wechselten zu oft und seien über die ihnen unterstehenden Dienstzwcige schlecht unterrichtet. Dec Minister müsse seine Pflicht erfüllen, da das Land, das dem Heere alles gebe, was es von ihm fordere, das Recht habe, in der Heeresverwaltung zu verlangen, daß sie ihrerseits alle Opfer bringe. Der Kriegsminister Messimy erklärte: Die Mehrzahl der von Humbert vorgebrachten Tatsachen, einzeln für sich genommen, sei richtig, wenigstens als Ausnahme, aber nicht in der Art, wie sie dargestellt worden seien. Demgegenüber betonte Clömenceau, der Senat könne nicht die Kredite bewilligen, ohne alle gewünschten Aufklä- rungen zu erhalten. Der Kriegsminister erwiderte, die französischen Aus- gaben für die Ausrüstung seien stets geringer gewesen als die deutschen. Man dürfe die Heeresverwaltung nicht ver antwortlich machen, daß sie von der Finanzverwaltung Be fehle erhalten habe. Auf einen Zwischenruf ClSmenceaus erklärte der Kriegsminister, daß man sich bei allem Be dauern über die vorgebrachten Kritiken doch zu der heutigen Debatte beglückwünschen müsse. Der Wechsel in der Be setzung des Kriegsministeriums sei die Hauptsache deS Übel«. Messiny forderte vom Senat, das Programm der Regierung anzunehmen und die Verteidigung des Landes auf ihre höchste Höhe zu bringen. Darauf sagte Clömenceau, man müsse auf die Kritik Humberts antworten. Dies sei für die Armee und das Land notwendig. Solche Dinge könnten nicht mit dem gewöhnlichen „Laisser aller" behandelt wer den. Clömenceau schloß mit den Worten: Ich fordere von» Ministerpräsidenten, das Parlament in einigen Tagen zu sammenzuberufen. Die Wahrheit muß unverzüglich be kannt werden. Anstatt die Kredite abzulehnen, fordern wir einfach die Verschiebung der Abstimmung. Der Ministerpräsident Diviani entschuldigte sich damit, daß er überrascht worden sei. Der Senat könnte die Regie rung zu Ausgaben während der Ferienzeit ermächtigen. Wenn diese Maßnahme nicht angenommen würde so werde sich Viviani morgen dem Senat zur Verfügung stellen, um ihm die Antwort der Regierung zu überbringen. Der Se- nat vertagte sich dann auf Dienstag nachmittag» 2 Uhr.