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Nummer 7S. Mittwoch, 1. April 1914. -8. Jahrgang. Der SälMche LxMer Mschofswerdaer Hagekkatt. Anzeigeblatt für BifchofsVerda, Stoßen und Umgegend, sowie für die angrenzenden Bezirke. Leitest« Vlatt im Bezirk. Erscheint seit (Sch«. Tel«-r.«A-r.' Amtsblatt. Fernsprecher Nr. 22. Amtsblatt der Königlichen Amtshauptmannschaft, der Königlichen Schulinspektion mid des Königlichen Hauptzollamtes zu Bautzen, sowie des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda, und der Gemeindeämter des Bezirks. MU de« wöchentliche« Beilage«: dienstags: Belletristische Beilage; Donnerstags: Der Sächsische La«dwirt; Sonntags: Illustrierte» S»n«tag»blatt. Erscheint jeden Werktag abends für den folgenden Tag. Der Be- »ngaprrt« ist einschließlich der S wöchentlichen Deilagen bet Abholung »der EMedtton vierteljährlich 1 Mk. SV Pfg., bei Zustellung ta> Hau» 1 Mk. 7V Pfg.; durch die Post frei ins Hau« viertel ssthrMH 1 «k. »2 Pfg., am Poftschalter abge^olt 1 Mk. 50 Pfg. Etn-elne Nummern kosten 10 Pfg. Abonnements-Bestellungen werden angenommen in Zer Geschäfts stelle Altmarkt 15, sowie bei den Aeitungsboten in Stadt und Land, ebenso auch bei allen Postanstalten. — Nummer der Zeitungsliste 6567. — Schluß der Geschäftsstelle abend« 8 Uhr. «>»«gen»»et,: Die 5gefpaltrne Korpuszeile oder deren Amun 12 Pfg., für Inserate von außerhalb des Verbreitungsgebiete« 18 Pfg. Die Reklamezrile 30 Pfg. Geringster Inseratenbetvaa 40 Pfg. Del Wiederholungen Rabatt nach ausliegendem Toaif. Erfüllungsort für beide Teile Bischofswerda. Frstbestelltr Inseraten« Aufträge können nicht zurückgezogen werden. Amsevat« um» Abouuemeuts-Besteüuug«» »i««t eutgege» tu Bautzr«: WeLer^sche Buchhandlung, Tchrrlstratze 9. Das Neueste vom Tage König Friedrich August wird seine Reise nach Peters- bürg am 17. Juni ««treten. In der Zweiten Kammer des sächsische« La«dtagcs wurde am Montag die Berat,»«g über den Justizetat er öffnet. Das Camberländische Herzogspaar reist, wie verschie dene Blätter melden, nächste Woche zum Besuch an den Braunschweigischen Hof. Präsident Wilson läßt das Gerücht widerrufe«, daß seine Panama-Kaual-Politik das Ergebnis einer Verein bar,,ng mit Großbritannien sei. Im Fort Kirchbach bei Kehl wurden während der Nacht auf den Wachthabenden zwei Schüsse abgegeben. Es gelang bisher nicht, den Täter zu fassen. (Weitere Nachrichten unter Letzte Depeschen.) Der Justizetat im sächsische« Lauvtag. In der Montag-Sitzung der Zweiten Kammer, die nachmittags 2 Uhr begann, stand der Justizctat auf der Tagesordnung, der, wie üblich, auch diesmal wieder Anlaß zu langen Debatten gab, denn nicht weniger als 16 Redner loarcn angemeldet. In Frage kommen die Etatkapi- tel 38 bis 41, den Geschäftsbereich des Justizministeriums betreffend. Kap. 38, Justizministerium, Einnahmen 1550 Mark, Ausgaben 361 854 Kap. 39, Oberlandesgericht und Staatsanwaltschaft bei dem Oberlandesgericht, Einnah men 68 250 <^, Ausgaben 720 300 -F, Kap. 40, Landgerichte, Amtsgerichte und Staatsanwaltschaften, Einnahmen 12260 000 Ausgaben, unter Titel 3—19 19 931221 ../7, Tit. 20 1 050 750 (anstatt 1066930 -M und Kap. 41, all gemeine und unvorhergesehene Ausgaben 12 000 -F Ausga ben. Ter Berichterstatter, der nationallibcrale Abgeordnete Anders, hatte einen sehr eingehenden schriftlichen Bericht vorgelegt, auf welchen er kurz verweisen konnte. In der Debatte beschäftigte sich zunächst der nationallib. Abg. Dr. Kaiser mit der sächsischen Rechtspflege, deren Kosten usw. und trat dafür ein, wenn irgend tunlich, bei der erstmaligen Bestrafung nicht auf Ehrenstrafe zu erkennen, vielmehr die Bewährungsfristen mehr als bisher zur An wendung zu bringen. Die ab 1. Juni 1914 geplanten Stel- lcnvermehrungen für 5 Landgerichtsdirektoren und für 50 Richter hieß der Redner gut. Doch scheine es ihm, als ob die höheren Beamten noch viel zu sehr nut Arbeiten beschäftigt würden, die von mittleren und unteren Beamten ganz gut erledigt werden könnten. Auch die Haftbarkeit der Richter, sowie die von den mittleren und unteren Justizbeamtcn ein gegangenen Petitionen, die sich in der Hauptsache auf eine bessere Ausgestaltung der Besoldungsordnung beziehen, und die sich neuerdings bemerkbar machende Spannring zwisclfen Richtern und Anwälten ,zog der Redner in den Kreis seiner Berrachtungen. In großzügiger Weise beschäftigte sich hiernach) der kon servative Abg. Dr. Spieß mit dem Justizetat. Er erkannte das Wohdvollcn an, das sich sowohl aus dem Berichte wie aus -en Regierungserklärungen ergebe und erklärte auch sei nerseits die Vermehrung der Beamtenstellen angesichts der Geschäftsvermehrung als durchaus berechtigt. Die Haftver sicherung der Richter verdiene Las größte Wohlwollen seitens des Ministeriums. Erfreulich sei die Erklärung des Justiz- Ministers in der Deputation, daß er gern noch weitere Nich- terstellen gefordert hätte, wenn nur die Mittel vorhanden wären. In diesem Bestreben werde der Landtag den Mini ster gern unterstützen, um endlich zu normalen Zuständen zu gelangen. Nicht von -er Hand zu weisen sei es, den Versuch zu machen, junge Anwälte in Richterstellen zu erproben. Es müsse anerkannt werden, daß zur Ausbildung der Juristen viel getan werde; auch das Auswechseln von Richtern und Staatsanwälten, wenn es mit Maßen geschehe, sei empfeh lenswert. Hinsichtlich der Petitionen seien die Erklärungen des Ministers in der Deputation recht erfreulich, er stimme deshalb mit seinen Parteifreunden idem Votum der Deputa tion, die Petitionen der Regierung als Material zu über weisen, gern zu. Aber auch bezüglich der höheren Beamten weise die Besoldungsordnustg erhebliche Mängel auf; an einigen typischen Fällen wurde diK nachgewiesen. Bisher sei das Verhältnis wzischen Richten: und Anwälten ein recht gutes gewesen; auch einzelne Ausnahmen änderten daran nichts. Zu bedauern wäre, wenn durch Preßpolemiken das- selbe gestört würde. Ganz anders stellte sich dann der „Genosse" Müller zum Justizetat. Er warf mit Schlagworten wie „Klassen justiz", „Rechtsunsicherheit" usw. nur so herum und wurde, da er sich vielfach recht starker Ausdrücke bediente, von: Vize präsidenten Opitz wiederholt zur Mäßigung ermahnt un einmal auch zur Ordnung gerufen. Der freisinnige Abg. Güuthe r hatte mancherlei Wünsche zu äußern. Er wandle sich dagegen, den hohen Beamten Zugeständnisse außerhalb der Besoldnngsordnung zu machen die überhaupt überhastet hergestellt worden sei. Für eine Reform derselben läge:: schon jetzt eine ganze Reihe von Wünschen mW Forderungen vor. Ter Wechsel zwischen Richtern und Staatsanwälten icl)eine dein Justizministerium in die Hand zu geben, aus einen: unabhängigen Richter beliebig einen abhängigen Staatsanwalt zu machen; cs sei das augenscheinlich eine Handhabe, unbequeme Richter zu treffen. Um die Unabhän gigkeit der Richter zu wahren, müßte ihnen die Annahme von Orden und Titeln verboten werden. Das Vorhalten von Vorstrafen an Gerichtsstelle sollte endlich beseitigt werden. Nun kam Justiznnnistcr Dr: Nagel zu Worte. Er dankte zunächst der Finanzdeputation eV für die wohlwolleiwe Behandlung des Justizetats und stellte dann gegenüber einer früheren Aeußerung des „Genossen" Uhlig fest, daß die von ihm angegebenen Kirchenaustrittskostcn allerdings :n drei von acht Fällen zu hoch erhoben worden seien. Auf die heutigen Debatten eingehend, bemerkte der Minister, daß von einer einseitiger: Auswahl der Richter bei Versetzungen niemals die Rede sein könne und daß das Justizministerium unter allen Umständen vor der Unabhängigkeit der Richter Halt maclre. Der Ausbildung der jüngeren Juristen widme das Ministerium die örnsteste Aufmerksamkeit, allerdings handle cs sich immer noch um Versuche. Es sei unmöglirb. hier von seiner Seite ein Urteil abzugeben, ob ein Richter spruch ein Fehlspruch sei oder nicht. Tas Verhältnis zwischen Richtern mW Anwälten sei seiner Auffassung nach tatsächlich ein recht erfreuliches; er würde es lebhaft bedauern, wem: dasselbe durch gewisse Vorkoimnnisse in neuerer Zeit getrübt werden könnte. Alle Organe der Rechtspflege müßten viel mehr zielbcwußt zusammen stehen in gegenwärtiger Zeit, wo Bestrebungen am Werke seien, das Vertrauen an unserer Rechtspflege zu erschüttern. Ter häufigeren Anwendung der Bewährungsfrist stehe er sehr sympathisch gegenüber. Er als Minister könne in die Ausivabl der Schöffen und Geschwore nen keineswegs eingreifen; er sei auch glücklich darüber, daß dies nicht der Fall wäre. Wenn die Sozialdemokratie die Rechtspflege zu handhaben hätte, dann würde mau allerdings von Klassenjustiz reden können; daß die gegentvärtige Rechts pflege Klassenjustiz übe, müsse er mit aller Entschiedenheit zurückweisen. Der konservative Abg. Vizepräsident Opitz verwies in vortrefflicher Weise zunächst auf die große gesetzgeberische Prodnktion der letzten Jahre, die geradezu ans Uferlose grenze, mW die in keinem Verhältnis stehe zu der geistigen Aufnahmefähigkeit der »Richter und Juristen. Trotzdem werde man sich an den Gedanken einer weiteren fieberhaften Tätigkeit der Gesetzgcbungsmaschinerie sowohl im Reiche Ivie in Len Einzelstaaten getvöhncn müssen. Darum müsse man unseren: Richterstande das beste Zeugnis auSstelleu. Die biirgerlichen Parteien vertreten verfassungSgcmäß die Interessen der Allgemeinheit, die Sozialdemokratie aber nur eine Klasse, die Arbeiterschaft, und diese nur, soweit sie nicht Len christlichen oder nationalen Gewerkschaften angehöre. Das sei Klassenvertretung, wie sie im Buche stehe. Auf Sem Jenaer Parteitage sei ein Sozialdemokrat ansge'chlossen worden, weil der Parteivorstand „ein Proletarisches Klassen- ercmpel" statuieren wollte, wie ein Genosse Heilmann selbst schreibt. Ueberhaupt würden in der sozialdeinotrariichen Partei derartig viele ungerechte Verfahren gegen eigene An hänger ausgcübt, daß man staunen müsse, von dieser Seite Urteile aus dem Gegenwartsstaat als Klassenjustiz hinge- stellt zu sehen. Mit ausgezeichneter Sachkenntnis verbrei tete der Redner sich weiter über den Stand unserer heutigen Rechtspflege. Auch er war gegen das Vorhalten vor Gericht, aber iwch mehr wandte er sich gegen die Aufrollung des Vor lebens der Zeugen, wie das jüngst in einigen Berliner Pro zessen der Fall gewesen sei. Tie Verhältnisse im Anwalts- stände seien keine erfreulichen; das beweisen die vielsackien Verfehlungen, die weniger den: Stande, sondern den Ver hältnissen zuzuschreiben wären. Tie Besserstellung der in der Justiz bescl)äftigten Beamten scheitere nach der Erklärung des Ministers an der finanziellen Lage des Staates; das fei bedauerlich, denn in keinem anderen Stande seien diese Wünsche so dringend der Erfüllung zu empfehlen wie hier, denn es müsse alles geschehen, um besonders unsere Richter auch finanziell sichcrzustelleu. Ter nationallib. Abg. Singer trat warm für die An wendung der Bewährungsfrist, besonders bei Jugendlichen, ein. Auch das Strafrcchster sei sorgsam zu bewachen; cs ae- höre nur in die Hand des Richters. Gegen die Todesstrafe sprach der Redner sich mit aller Entschiedenheit aus und er suchte den Justizminister dringend, in seinem Sinne bei der Volleichung der Strafprozehreform tätig zu fein. „Genosse" Hcldt beschäftigte sich ebenfalls wie fein Fraktiousgenoüe Müller eingehend mit der angeblichen Klassenjustiz und po lemisierte dabei gegen den Justizminister wie gegen den Vizepräsidenten Opitz. Tie mehr als ciustündige, reichlich mit Beispielen aus der angeblichen Klassenjustiz gespickt? Rede war in der Form teilweise sehr scharf und rief dcwurch vielfachen Widerspruch von rechts und anS der Mitte des Hauses hervor. Sofort antwortete Justizminister Tr. Na ge l. Mit auffälliger Schärfe wies er den Versuch des Vor redners, ein amtlick)es Aktenstück auf Grund einer Abschrift als unwahr zu bezeichnen, zurück. Unter dein lauten Beifall des HauscS erklärte der Minister in großer Erregung, daß er angesichts dieses Verhaltens der Sozialdemokratie darauf verzichte, auf die weiteren Aeußerungen seines Vorredners einzugehen. Danach sprachen noch der freisinnige Abgeord nete B rodauf u:ch der nationallib. Abg. Dr. Z ö p h e i. Justizminister Dr. Nagel erwiderte den beiden und be merkte, daß hinsichtlich der Beschlagnahme künstlerischer Post karten in nücksster Zeit ein befriedigender Rechtszustand ge schaffen werden würde. Um (Fit Uhr abcichs wurde endlich die Debatte geschlossen, da eine ganze Anzahl noch gemelde ter Redner aufs Wort verzichteten. Der Etat wurde, geneh migt und die Petitionen verabschiedet. — Am Dienstag ta gen beide Kammern. Der Zweite n K a m m e r ist soeben der ausführliche Druckbcricht der Finanzdeputationzugegangcn, über de.: durch Dekret Nr. 5 vorgelcgten Entivurf eines Gesetzes bett, die Bewilligung sortlaufender Ltaatsbeihilfen an die S ch » lgc »: cinde n. Ter Bericht enthält einen Minder- beilSantrag der sozialdemokratischen und fortsägittlichen De- putationsmitglieder und einen Mehrheitsantrag der übrigen Mitglieder der Deputation. Ferner liegt der Antrag der 1. Deputation der Ersten Kammer vor über die Anträge bctr. Abänderung des W e g eb a u g e s e tz e s. Tie Dtputation beantragt, die Negierung zu ersuchen, der Ständcvcrsmnm- lung einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch den das Wege baugesetz vom 12. Januar 1870 in der Richtung abgeäudert wird, daß die durch die gellende Wegcgesetzgebnng infolge der Entwicklung des Verkehrs bestehenden Härten und Un zuträglichkeiten beseitigt oder gemildert werden und nament lich die Wegebaulasten in den Fällen, in denen die Wege durch stärkeren Durchgangs- oder Kraftnntgenverkehr in er-