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Heimat. Ottginal-Romcm von A. Marby. <46. Fortsetzung.) ^Nachdruck verboten.) - „Süßes Kind, gib deinen Widerstand auf! Höre mich. Liebste", — der Baron neigte seinen Mund dicht an Hertas kleines Ohr, der Ton seiner Stimme hatte einen weichen, herzberauschenden. Klang: „Wir waren zwei Blinde, die nicht sehen wollten, wie die geheimnisvollen Fäden inniger Seelenharmönie uns fest und fester umwoben. Mr trugen heilige Scheu, einander ahnen zu lassen, was in einem jeden vorging! Mein Gott! Mir hätte es Vermessenheit gedünkt, zu hoffen, du junges holdes Kind könntest dich mir zu eigen geben wollen, als mein Weib! Diese vergangene Stunde, Geliebteste, hat mich eines Besseren belehrt! Ich frage nicht mehr: Darf der alte Vetter Georg dein junges Leben an sich ketten? Ich nehme dich und lasse dich nicht, weil du mich liebst, Herta, Einzige — sich mich an." — Sie atmete hastig, in süßer Beklemmung. — Wars ein wonniger Traum, wars Wirklichkeit? Langsam hob sie die gesenkten Wimpern, Äug' in Äug' getaucht drückte Ernst Georg verlangend seinen heißen Mund auf die keuschen, zit ternden Mädchenlippen. Sie widerstrebten nicht. Herta war zumute, als müsse sie vergehen vor Seligkeit. Ihr Überwal. lepdes Empfinden löste sich in leisem Schluchzen. „Liesel", hauchte sie kaum hörbar, „ach, Liesel, warum — warum?" Ein Schalten verdunkelte flüchtig den Glanz reinsten Glucks in EckartSburgS Augen. „Die kluge Marie Luise hat früh durchschaut, was in deinem und meinem Herzen vorging", sagte er ernst. „Sie »ersuchte nicht vergeblich Lurch falsche Einflüsterungen uns einander fernzuhalten, sie wollte uns trennen! Bei Gott, wäre sie nicht eine Dame und meines süßen Mädchens Schwester, ich würde Rechenschaft fordern für die unwieder bringlichen Jahre des Glück«, um die sie dich und mich be trogen hat. Du fragst. Liebste, was sie dazu getrieben? Der Haß! Seit meiner ersten Begegnungen mit Marie Luise hab' ich ihn gespürt! Ja, sie haßt mich seit je, gönnte dich mir nicht, aber das Schicksal war mächtiger als böser Wille!" „Drum vergib ihr, Beliebtester!" flüsterte Herta bit tend. „Ich glaub'« nicht, daß sie dich haßt, viel eher ift« —" Sie sprach« nicht aus, aber wie ihre und Georg« Blicke stch trafen, erriet er daS Wort, da- nicht über Hertas Lippen Ding. Die stphe kalte Marie Luise sollte Gefühle für ihn hegen, die das Gegenteil von Haß — nein, nein! — Er be wegte zweifelnd sein blondes Haupt. Und doch! Es gibt der Jrrgänge im Menschenherzen so mannigfaltige, wunderbare — jäh tauchte der Gedanke an Marie Luisens einsame Nacht wache an seinem Krankenlager, von der ihm Frau Müller berichtet hatte, in ihm auf. Sein Zorn begann unwillkürlich einer mitleidigen Empfindung zu Weichen und als Herta, sich ihm innig anschmiegend, leise weinend ihre Bitte wieder holte: „Vergib ihr!" küßte er ihr die Tränen aus den dunk len Wimpern und sagte mit verhaltener, das jung« Mäd chenherz wonnig durchschauernder Stimme: „Um deinetwillen, du Einzige! Dafür aber, wenn dich heute verlasse, hole ich nach kurzer, hörst Lu, Lieb, ganz kurzer Trennung mein holdes, eigenstes Glück in unsere Hei- mat — für immer!" „Meine Heimat für immer — bei dir!" Ein paar Minuten noch überließen sich beide in stiller Parkeinsamkeit, belauscht von einem neugierig näher hüpfen den Finkenpärchen, ihrem jungen Glück. Dann traten sie. Arm in Arm und Hand in Hand ruhend, den Rückweg an, bald wieder umtost vom Stimmengewirr eines auf- und ab wogenden Menschenstromes, aus dem manch veriyunderr manch verständnisvoll lächelnder Blick daS schöne, in seliger Versunkenheit -ahinwandelnde Paar streifte und neidisch ver- folgte. 31. Ungleichen Schrittes, den blonden Kops leicht gesenkt, ging Marie Luise in ihrem Arbeitszimmer auf und ab. ES mußten ernste Gedanken sein, die hinter der weißen Stirn kreisten, daß sie wechselnd sich finster zusammenzog und wie der glättete. Nun trat sie an ihren Schreibtisch ergriff ein Briefblatt, starrte düster auf die wenigen Worte, die in ihrer charakteri- stischen, ein wenig steilen Handschrift sich leuchtend von dem weißen Papier abhoben, und ließ es schwer aufseufzend wie der fallen. „An Graf Duringhausen!" lautete die Ueberschrist. „Ich erwarte Sie morgen vormittag. Marie Luise." So kurz der Inhalt, so schwerwiegend. Er entschied über ihre Zukunft. Bei ihrer Rückkehr von der akademischen Schillerfeier fand die Baronesse auf ihrem Schreibtisch einen Brief von Graf Duringhausen, in dem er schon zum zweiten Male sie zur Gattin begehrte, nicht mit glühenden Liebesworten wer bend, sondern gehalten, würdig, wie es sich für einen an gehenden Fünfziger geziemte, dennoch, zwischen den Zeilen, Der Sächsische LrzäMr. Beiblatt zu Nummer 63 Mittwoch, »« IS. «Urz 1,14. eichsischrr s«ac«, Was am Montag in der Z w e i t e n K a m m e r von den Vertretern der verschiedenen Parteien in dem Zeitraum von reichlich anderthalb Stunden gejagt wurde, war im allgemei- inen- nicht derart, um die Aufmerksamkeit der Landboten lange in Anspruch zu nehmen. DaS Haus war nur mäßig besucht, dagegen wiesen die Tribünen eine sehr starke Be setzung auf, wa« aber Wohl mehr auf die nasse Witterung als auf uneingeschränktes Interesse an den Beratungen zurück- »»führen war. Eine Petition des sächsischen Landesverban des des Bundes deutscher Militäranwätter in Dresden um Berücksichtigung der Zivilversorgung der Militäranwärtcr bei den Maßnahmen wegen GefchaftSvereinfachung der SstagtSverwaltung und Umgestaltung Les mittleren Staats- dienst« ließ man kurzer Hand auf Lem Deputattonsbeschluß apf sich beruhen. Dann unterhielt man sich eine Stunde kcnfck über Ortsklasseneinteilung und Wohnungsgeldzuschüssc fÜMÜe Staatsbahnen. Diese Fragen wurden aufgerollt durch zum Veamtenpetittonen aus Potschappel und Hainsberg und au« Niesa. Die Petitionen wurden der Regierung zurKennt- n isntchme ü berwiesen. Lfirrz nach 4 Uhr hatte man bereits das Tagewerk er- ledigt. Am Dienstag wird die Debatte auf einen lebhafteren Ton gestimmt sein, da neben dem Anttag der äußersten Lin ken auf jährliche Einberufung des Landtags auch -er konser- vative Antrag gegen das „Berliner Tageblatt" zur Derhand- kung steht. Die Stärke -er Kriegsflotten. Die Beratung des Flottenetats wurde in diesem Jahr im Reichstag wie im englischen Unterhause fast gleichzeitig vorgenommen. Besonderes Interesse beansprucht die neueste Statistik über die gegenwärtige Stärke der Kriegs- flotten, die soeben in einer amtlichen Vorlage -er englischen Admiralität -em Londoner Parlamente zugegangen ist. Die Vorlage befaßt sich mit den Kriegsflotten von England, Frankreich, Rußland, Deutschland, Italien Oesterreich, Amerika und Japan. England hat nach dieser Statistik seine Obergewalt zur See zu wahren oder sogar noch zu ver stärken verstanden. England verfügt augenblicklich über 58 fertige Linienschiffe gegen 56, deutsche (35) und französische (21) zusammen. Amerika führt allerdings 30 Linienschiffe auf, aber dabei sind 10 sehr alte Küstenpanzerschiffe einbc» sriffen. Im Bau hat England gegenwärtig 14 gegen 6 deutsche Dreadnoughts. Im Rückstand« sind wir besonders auch mit unseren großen Kreuzern, deren wir nur 9 haben «egen 47 englische, 24 französische, 17 amerikanische, 15 japa- nische und 12 russische. Nicht zu vergessen bleibt hierbei allerdings, daß die 9 deutschen Panzerkreuzer alle jüngeren Dakvms sind, und an Größe und Gefechtsstärke die meisten «rotzen Kreuzer -er übrigen Mächte bei weitem übertreffen. Um so größer ist die Zahl unserer kleinen Kreuzer. Mit 43 (6 im Bau) stehen wir gegen 65 (20 im Bau) gegen England am wenigsten zurück. Weit lassen wir damit auch alle übri gen Staaten hinter uns. Die meisten kleinen Kreuzer nach uns ,und zwar 19, hat Japan; es folgt dann Amerika mit 18, Italien mit 14, Oesterreich mit 9 usw. Verhältnismäßig günstig stehen wir auch mit unseren großen Torpedobooten da ,von denen wir 132 gegen 201 englische haben; die dritt stärkste Macht in dieser Hinsicht ist Rußland mit 95. Auf ¬ fallend groß ist Lie Zahl -er kleinen, mehr oder weniger ver alteten Torpedoboote Frankreichs; sie beläuft sich nämlich auf 153 lEngland hat deren nur 70, Deutschland 80 usw. Man scheint vom Bau dieser Schiffe gänzlich abgekommen zu sein. Denn außer Italien und Oesterreich hat kein ein ziges Land kleine Torpedoboote auf Stapel liegen. Von besonderem Interesse ist die augenblickliche Zahl der Unter seeboote. Auch hiervon hat natürlich England die meisten, nämlich 69; Frankreich ist ihm aber mit 50 ziemlich nah« ge rückt. Amerika hat deren 29, Rußland 25, Deutschland 24, Italien 18, Japan 13 usw. Alle Staaten beschleunigen den Bau dieser Schiffstype. England hat zum Beispiel augen blicklich 29 Unterseeboote auf Stapel, Frankreich 26, Amerika 21, Rußland 18 und Deutschland 14. Allerdings wird in der englischen amtlichen Statistik bei der letzten Zahl hinzuge fügt, daß sie sich mit völliger Bestimmtheit nicht angeben lasse, weil diese Ziffer deutscherseits besonders streng ge heim gehalten werde. Aus Sachsen. Dresden, 17. März. Aus Wien wird uns gemeldet: Der König von Sachsen fuhr mittags um IlsH Uhr in Be gleitung des Flügeladjutanten Majors Fritsch im kaiser lichen Leibwagen nach Schönbrunn und stattete dem Kaiser einen halbstündigen Besuch ab. Kaiser Franz Joseph, in der Uniform -es sächsischen Ulanenregiments Nr. 17, erwartete den König, der die Uniform eines Oberstinhabers des K. und K. Dragoner-Regiments Nr .3 angelegt hatte, auf dem ober sten Treppenabsatz der Blauen Stiege und geleitete cken Kö nig nach herzlichster Begrüßung in die Appartements. Als der König das Schloß verließ, geleitete der Kaiser ihn wieder bis zur Stiege. Dort nahmen die beiden Monarchen herz lichen Abschied. Um 1 Uhr nachmittags stattete Kaiser Franz Joseph dem König von Sachsen im Augartenpalais einen halbstündigen Gegenbesuch ab. Dresden, 17. März. Das Luftschiff „P. L. 6" wird heute nachmittag bei günstiger Witterung mit 10 Großenhainer Passagieren nach Großenhain fahren, wo die Kgl. Sächsische Fliegerkompagnie ihren Einzug hält. Am Sonntag nachmit tag wird auf dem städtischen Flugplatz in Kaditz außer dem Franzosen Chanteloup, -er am Sonnabend und Sonntag nachmittag seine Rücken- und Schleifenflüge ausführt, auch noch -er Fallschirmflieger Thomik von Lem Luftschiff „P. L. 6" aus mit seinem bewährten Fallschirm herabspringen. Wie erinnerlich, führte Thomik im November v. I. von dem Zeppelinlustschiff „Sachsen" zwei gelungene Fallschirmstürze aus einer Höhe von 500 Meter aus. Dresden, 17. März. Einen Erpreffungsversuch an einer Generalswitwe unternahm der 40jährige Arbeiter Böhme in Dresden-Neustadt. Er übersandte der auf der Zöllner straße wohnhaften Dame einen Brief, in dem er dreitausend Mark verlangte, die auf dem Neustädter Bahnhof einem dort wartenden Jungen übergeben werden sollten. Die Generals witwe benachrichtigte sofort die Polizei, die den Jungen fest nahm und ermittelte, daß er von seinem eigenen Vater ge schickt worden war. Die Beamten begaben sich sofort in des sen Wohnung. Als Böhme sie herannahen sch, nahm er Zyankali und brach vor den Augen der Beamten tot zu sammen. Ehemnitz, 17. März. Polizeibericht. Am 13. d. M» find hier zivei graue mit Eisenbändern beschlagene Koffer, etw« 1 Meter lang, mit dem Signum 2 V 1 und 2, verschon, ent haltend 150 Stück Herren- und Damenregenschirme, die atzt -er Unterlage mit Lem Namen „Hermann Baldus, Erfurt* in Golddruck versehen find, in Verlust geraten. Stwige Wahrnehmungen über den Verbleib -er Koffer und der Schirme erbittet das Polizeiamt Chemnitz, Kriminaläbttt- lung. Leipzig, 17. März. Auf dem Geläude der Buchgewerbe- ausstelluug ist gestern nachmittag beim Bau des Wellen bades ein Gerüst eingestürzt, wobei eine Anzahl Arbeite» unter -en Trümmern begraben wurde. Vier Arbeiter wur den schwer verletzt geborgen, mehrere andere erlitten leich tere Verletzungen. Cainsdorf, 17. März. Tödlich verunglückt. Beim Aus gießen einer Säule in der Königin-Marien-Hütte wurde der Former Eduard Stammler aus Bockwa mit flüssigem Eisen übergossen. Kurze Zeit darauf erlag der Bedauerns wette seinen schweren Verletzungen. Zschorlau (Erzgeb.), 17. März. Unter dem Verdacht -er Brandstiftung. Unter dem Verdacht, den gemeldeten Bran der Schankwirtschaft „Zur Bierhalle" in der Nacht zum 5. d. M. vorsätzlich angelegt zu haben, wurde der 31 Jahre alte Lehrer Konrad Lang verhaftet. Lang, -er sehr hoch ver- sichert war, wohnte in dem Gebäude. In seiner Wohnung hatte es bereits am 19. Januar gebrannt, doch konnte da mals das Feuer rechtzeitig gelöscht werden. Zwickau, 17. März. Ei« Lehrer al« Brandstifter. Von der Zwickauer Landeskriminalpolizei wurde der in Zschorlau Wohnhafte 31jährige Lehrer Konrad Lang unter dem Ver- Lacht der vorsätzlichen Brandstiftung verhaftet. Lang wohnte bisher in der in der Nacht zum 5. d. M. abgebrannten Schöllerschen Schankwirtschaft zur Bierhalle und ist verdäch tig, diesen Brand vorsätzlich angelegt zu haben, um die an geblich sehr hohe Versicherungssumme für sein gegen Feuersgefahr versichertes Mobiliar sich zu verschaffen. Lang lebte schon seit längerer Zeit in wenig geordneten Verhält nissen und liegt auch mit seiner Frau, die ihn verlassen hat, im Scheidungsprozeß. Bereits am 19. Januar hat in der Langschen Wohnung ein Brand stattgefunden, -er aber noch rechtzeitig gelöscht werden konnte. Auch in diesem Falle fällt der Verdacht der Brandstiftung auf Lang. Aus dem Gerichtssaal. " Wege« fahrlässiger Tötung hatte sich vor dem Jugend gericht in Chemnitz der noch nicht 16 Jahre alte Arbeiter Uhlig aus Grietzbach i. E. zu verantworten. Es handelte sich um einen Vorfall, bei dem am 25. Januar nachmittags der im 18. Lebensjahre stehende Wirtschaftsgehilfe Scheffler der tödlichen Kugel zum Opfer fiel, die sich aus der Pistole des jungen Uhlig löste. Eine Anzahl junger Burschen Halle., an dem fraglichen Tage mit Teschings geschossen; darunter befand sich auch der junge Scheffler. Uhlig hatte früher von einem Bekannten für 2 eine Pistole gekauft. Diese hatte ihm aber sein Vater weggenommen und in einem Kasten ein geschlossen. Als nun die anderen Burschen mit TeschingS schossen, erwachte in Uhlig die Lust, mit seiner Pistole zu schießen. Unglücklicherweise ging sein Vater nach Tische aus und der junge Uhlig verschaffte sich nun die Schlüssel zu dem aus dieser und jener Wendung flammte die leidenschaftliche Glut eines Zwanzigjährigen. Marie Luise wußte seit langer Zeit, wie unsagbar Graf Duringhausen sie liebte. Noch ehe er es aussprach, hatten es feine Blicke verraten. Nicht allein ihre bezaubernde Schön heit, die es ihm beim ersten Sehen angetan, ihren Geist, ihr musikalisches Talent, ihr Wesen liebte, bewunderte und ver ehrte er. Um ihretwillen hatte Duringhausen seinen Wohn sitz in Berlin genommen, er würde ihn wieder aufgeben, wenn Marie Luise sein Werben um ihr Herz und ihre Harr verschmäht. Er hatte ihr beim Verlassen des Opernhauses in tiefer Bewegung angedeutet, daß eine Schicksalsfrage ihrer Beantwortung harrt, bald, heute noch, wie sie auch ent scheidet, nur die unerträgliche Ungewißheit enden. Marie Luise hat entschieden. Weder der Gedanke cm dis erwachsene Stieftochter — wenn nicht alle Anzeichen täusch- ten, wird das hübsche blonde Grafenkind über kurz oder lang als Alfred von Z . . .tz's glückliche Gattin das Elternhaus verlassen , noch der Gedanke an Hertas spätere Verlassen leit hält sie noch zurück, das bedeutungsschwere Schreiben zu schließen und abzusenden. Weshalb sie zögert, sie will es sich nicht klar machen, aber solange sie ihre Einwilligung zu- rückhält, solange ist sie noch allein Herrin ihres Schicksals. Im stolzen Selbstbewußtsein erhebt Marie Luise ihr blondes Haupt, ihr Blick gleitet über den Schmuckplatz drau ßen, wo alles im Wachsen und Werden; die Kastanien zün den bereits ihre Weißen Pfingstkerzen an, und durch den offenstehenden Fensterflügel dringt sanfter Blumenduft un fröhliches Vogelgezwitscher in das Zimmer. Die Baronesse hatte dafür weder Aug noch Ohr. Ihre Aufmerksamkeit wird durch eine schnell näherrollende Droschke gefesselt, die Darinsitzenden, Herta und Ernst Georg erkennend .scheint sich mit ihr alles im Kreise zu dre hen, ihr Antlitz wird totenbleich, halb unbewußt preßt sie die Hand gegen ihr wildschlagendes Herz, die andere umkrampft eine Stuhllehne. Plötzlich lacht sie kurz und schrill auf, eist zum Schreibtisch, schließt hastig den Brief an Graf Düring Hausen, klingelt heftig nach Lore und übergibt der rasch Her- beieilenden daS Schreiben zur unverzüglichen Besorgung Einen Moment steht die Baroneß tiefatmend regungs los, ehe sie, hinter die Fenstergardine tretend, gerade noch sieht, wie Emst Georg ihre junge Schwester aus dem Wagen hebt und länger al« üblich in seinen Armen festhalt. Sie sieht, wie Purpurglut Hertas reizendes Gesicht verräterisch Lberflcnnmt, da zuckt'S entstellend über ihr eigene- Anilin, ihre bebenden Finger gleiten ein paarmal darüber hin, die