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Nummer 40. Mittwoch, 18. Februar 1V14. -8. JahMM. DcrSUWkLrMlkr Aifchosswerdaer Tageblatt. Amtsblatt der Königlichen Amtsharq>tma«nsch«st, der Königlichen Schulintzrektion und des Königlich«! Hauptzollamtes zu Bautzen, sowie des Königlichen Amtsgerichts und des Stadtrates zu Bischofswerda, und der Gemeindeämter des Bezirks. Anzeigeblsttt für Bischofswerda, Stolpen und Umgegend, sowie für die angrenzenden Bezirke. Aelleste» Blatt im Bezirk. Erscheint seit Telegr.-A-r.' Amtsblatt. Fernsprecher Nr. 22. Mit de« wöchentliche« DeUage«: dienstags: Bel letritzttsche Betlage; Donnerstags: Der Sächsische Laadwirt; Sonntags: Illustriertes Soautagsblatt. Erscheint jeden Werktag abend» für l»«n folgenden Tag. Der Be- i ptgoprris ist einschließlich der 3 wSchrnNlichev Beilagni bei Abholung in der Expedtton vierteljährlich 1 ML. S0 Pfg., bei Zustellung in« Haus 1 Mb. 70 Pfg.; durch die Poft svei in» Haus viertel jährlich 1 «k. -2 Mg.. am PoMchalter abgeholt 1 Dlk. SV Pfg. 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Die Verhandlungen wußten wegen Beschlnßrm- satzgkeit des Hattfes abgebrochen werden. S In den beide« größten Lokalen Berlins, im Zirkus Busch und Zirkus Schumann wurde am Montag di« dies- ,'Lhrtze Tagung des Bundes der Landwirte eröffnet. Die Versammlung nahm eine Entschließung gegen die demokrati sche Entwicklung im Reiche an. Tdas neue Mikitärluskschiff Z. 7 iist am Montag nachmit- tag unter Führung des Grafen Zeppelin in Potsdam zu sei- wer letzten Probefahrt aufgeskiegen. Rach der Renen politischen Korrrfp. gilt es neuerdings ffür sicher, daß Freiherr von Schoklemer Statthalter in Straßburg wird. E Tas soeben abgeschlossene Deutsch-französische Bagdad- Abkommen wird vorläufig Nicht veröffentlicht werden, da gemachst die mit England schwebenden Verhandlungen zu Gude geführt werden sollen. (Weitere Nachrichten unter Letzte Depeschen.) Neugruppierung der Weltmächte. Non Privatdozent Tr. Albrecht Wirth. Wir find in der Lage, in nachfolgendem Artikel aus der Feder des bekanntrn Autors eine Orientierung über dir gegenwärtige Welllage zu bringen, die das größte Interesse unserer Leser beanspruchen darf. Durch Len Balkan krieg und die Ereignisse, die sich da ran knüpfen, sind die Zustände in der hohen Politik, die schon durch ihre Gründung des Dreiverbandes eine vollkom mene Neuorientierung erfahren hatten, abermals wesent lich verändert worden. Ter Schwerpunkt der Welt politik liegt augenblicklich in Albanien, und wird dem nächst nach Anatolien wandern. Die orientalische Frage bleibt fortwährend im Mittelpunkt der Ereignisse. Infolge dessen wir- das Hauptproblem der Zukunft sein, ob die am meisten im Orient interessierten Mächte, nämlich England und Rußland, ini Sinne des Augustvertrages von 1907 an die Teilung Asiens Herangehen, oder aber nach Maßgabe des alten Gegensatzes, der ein volles Jahrhundert gewährt hatte, wiederum in Zwistigkeiten geraten werden. Weit entfernt von dem Schauplatz der orientalischen Umtriebe hat sich ein anderes Sturmzentrum gebildet, driiben in der neuen Welt, in Mexiko. Es handelt sich dort um eine schwer über- brückbare Kluft, die sich zwischen den Yankees und den Engländern auftut. Die Lage wird dadurch verwickelt, daß die Bundesgenossen der Engländer, die Japaner, immer deutlicher mit ihren Ansprüchen in Mexiko wie in Califor- nien hervortreten. Die Folge dieser Weltereignisse, die auf so verschiedenen Schauplätzen spielen, wird die sein, daß in Zukunft kein Staat, er sei so klein und unbedeutend, wie er auch sei, sich der Einreihung in irgend einen der großen Mächtekonzernc, der Teilhaberschaft an einem Bündnisse wird entziehen können. Namentlich wird dies für die Staa- ten deS lateinischen Amerikas in Betracht kommen, die zwar meist territoriell recht ausgedehnt sind — Brasilien und Argentinien haben ein Vielfaches von der Fläche Deutschlands — die aber bisher in der hohen Politik so gut wie gar nicht mitzureden hatten. Ohnehin waren sie weder militärisch noch finanziell dazu gerüstet, etwaigen diploma tischen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Das hat sich in jüngster Zeit bedeutend geändert: namentlich sind in Südamerika auch erhebliche Flottenrüstungen vorgenommen worden. Für die Erkenntnisse der Zukunft handelt es sich einmal darum, die beiderseitigen Wandlungen in der alten und neuen Welt darzustellen, und zweitens die Wechselwirkung zwischen -en Grrippierungen auf den beiden Erdhälften rich tig abzuschätzen. Der Balkankrieg ist, Ivie angedeutet, der Ausgangs punkt einer völligen Neuordnung -er Verhältnisse. Die Türkei wankt, und reißt im Fallen die Nachbarschaft mit oder bringt sie zum mindesten in Mitleidenschaft, in dem auch ihr Bestand bedroht ist. Das Erwachen des Nationa lismus des Balkans hat ein gewaltiges Aufflammen des Rassenbewußtseins bei den österreichischen Völkern herauf beschworen. Das' Erwachen eines solchen Bewußtseins wird von Rußland eifrig gefördert, namentlich bei den Ruthc- nen, Ivie der jüngste durch die Anwesenheit des Grafen Bo brinski so bemerkenswerte Prozeß in Ungarn deutlich be wies. Tie Toppelmonarchie beherbergt über drei Millionen Klcinriissen oder Ruthenen. Die nächste Folge dieser Ereig nisse ist eine sehr merkliche Spannung zwischen Wien und Petersburg, eine Spannung, die seit -Herbst 1912 eigentlich unverändert anhält. Auf Seiten Oesterreichs stehen augenblicklich die Bulgaren. Zumal sie, Ivie die soeben veröffentlichte Depesche des Kaisers Franz Joseph an König Karol dartut, durch die Wiener Diplomatie vor dem Einmarsch der Rumänen in Sofia bewahrt wurden. Mit den Bulgaren haben die Türken eine Konvention. Les amie de nos amis sont nos amis (die Freunde meiner Freunde sind unsere Freunde) — das gilt zwar nicht immer, aber wenigstens häufig auch in der Politik. Zu dem Blocke, der von der Dona» bis zum Bosporus sich erstreckt, stoßen die Dreibundmächte Deutschland und Italien. Außerdem hat, wiederum gerade in der jüngsten Zeit, Schweden offenbarMiene gemacht, sich demTreibundc engeranzuschlie- ßen. Die begreifliche Furcht vor Rußland hat das nordische Königreich dazu bewogen, und das seltsame Phä- nomen des großen Bauernzuges nach Stockholm ist nur der äußere Ausdruck einer im ganzen Volke herrschenden Stim mung gewesen. Dergestalt hat sich der geschilderte Block ans einem Gebiet ausgedehnt, das bereits vom Eismeer bis ans goldene Horn reicht, der also quer durch ganz Europa hin durch geht. Ihm gegenüber steht der Konzern des Drei verbandes. Seine hauptsächlichen Partner sind König Georg, der Zar, und der französische Präsident. Als Klienten sind Dänemark, Spanien, Portugal aufzuführen, als gleichbe rechtigter Bundesgenosse Japan. Und neuerdings als zu gewandte, die noch nicht ganz nach englischer Pfeife tanzen, aber sicherlich mit halbem oder ganzem Ohr auf sie hören, die Balkanstaaten Rumänien, Griechenland und Serbien. Auch in dieser Beziehung haben gerade die letzten Tage eine zwar nicht erfreuliche, aber dennoch wünschenswerte Klar- heit gebracht. Eine Verbindung nicht nur zwischen Rumä nien und Griechenland, sondern auch zwischen Rumänien und Großbritannien ist zu Wege gebracht worden. Diese Schwenkung des Donaustaates, den seit 1902 eine Militär konvention mit dem Dreibund verknüpfte, ins Gegenlager ist, ebenso wie die Entfremdung Spaniens, das im Marokko, streite auf unserer Seite stand, um jetzt sich mit Frankreich anzufreunden, ein keineswegs leicht zu überwindender Schlag für den deutschen Konzern. Nunmehr zu dem Einflüsse, den die mexikanischen Wirren auf die alte Welt haben. Im ganzen la teinischen Amerika waltet eine erhebliche Mißstimmung ge genüber dem anmaßenden Imperialismus der Vereinigten Staaten. Sämtliche Lateiner der westlichenHalbkugel fühlen sich, und mit Recht, von der Gefahr bedroht, durch die Yan- kees verschluckt zu werden. DaS ist bei den verschiedenen Kundgebungen zu Tage getreten, und mehr als einmal wurde denn auch der Versuch gemacht, die wichtigsten Staa- ten Südamerikas: Brasilien, Argentinien, Chile und Para- ' guay zu einem Trutzbündnis gegenüber dem Ausdehnungs drange der großen angelsächsischen Republik zusammenzu schweißen. Allerdings ist der Plan bisher nicht geglückt. Einerlei, was für uns hier von Wichtigkeit ist, besteht in der sicheren Erkenntnis, daß Yankees und Amerikas Lateiner nicht an demselben Strange ziehen. Die Folge dieser Zwie spältigkeit ist eine ausgesprochene Hinneigung zu Europa. Ohnehin ist der Handel Europas und sind seine Gefamr- anlagen, als da wären Staats-, Hafen- und Kommunalan leihen, ferner Banken, Fabriken, Eisenbahn- und Bergwerks, konzessionen in Süd- und Mittelamerika doppelt so groß, als die Interessen der Yankees. Ein Staat wie Peru ist vollkommen von einer englischen Finanzgefellschaft, der Peruvian Corporation, abhängig, und auch in Brasilien und Argentinien ist das Pfund Sterling überaus mächtig, zum Beispiel ist weit mehr als die Hälfte der argentinischen Ei senbahn mit britischem Geldc gebaut. In Mexiko stehen erst recht die europäischen Staaten auf Seiten der Einheimischen gegen Washington. Auch sämtliche eingesessene Deutsche sind merikanerfreundlich, oder richtiger, sie sind für Huerta, denn für die blutrünstigen Jnsurgentengeneräle kann sich doch kein Mensch begeistern, er fei denn ein Philosoph wie Stirner, der sich freut, unmn ringsum alles drunter und drüber gebt. Nun aber kommt in Mexiko folgendes bcach- tenswerte Moment hinzu. Im übrigen lateinischen Amerika ruht, der Streit zwischen Dreibund und Dreiverband zwar nicht, aber tritt doch etwas in den Hintergrund. In Mexiko dagegen wird er zu einer Frage erster Ordnung. Japan und England treten offen gegen Washington auf. Wie soll sich da Deutschland stellen? Es hat bis jetzt mit bemerkens- wertem Geschick eine ausgesprochene Stellungnahme vermie den. Wenn aber die Entscheidung kommt, was dann? Vie les spricht für Mexiko, noch mehr für die Vereinigten Staa ten. In jedem Falle ist die Wahl recht bitter. Aber auch für Nordamerika ist die Ueberlegung recht sorgenreich: Soll es sich, da es ganz erklärlich in Zukunft nicht mehr isoliert da stehen kann, dem Dreibünde anschlicßen, oder soll es den Dreiverband verstärken? Tie gleiche Frage wird binnen kurzem die Gemüter der amerikanischen Lateiner bewegen. Unsere Beziehungen zu Nordamerika, von denen erst in den jüngsten Tagen Admiral Tirpitz behauptete, sie seien so vortrefflich, daß ein „kriegerischer Konflikt" überhaupt gar nicht denkbar sei, werden von den ostasiatischen Wechselwir kungen durchkreuzt. Washington befindet sich in peinlichem Gegensätze zu Tokio. Unstimmigkeiten aber walten zwischen Tokio und Peking. Die natürliche Folge davon, die auch längst eintrat, Umr eine Annäherung zwischen Yankees und Chineseu. Eine solche Annäherung hat nun aber auch zwi schen Berlin und Peking seit etwa einem Jahre stattgc- funden. Bis jetzt äußert sich ja diese Freundschaft mehr auf wirtschaftlickxnn Gebiete, in der Vergebung und Erlangung von Konzessionen, im Wachstum unseres Handels mit dem himmlischen Reiche, der — unter Berücksichtigung, daß viele Herkünfte aus Hongkong eigentlich deutsche Waren sind — auf 000 Millionen Mark geschätzt werden kann. Allein neuerdings scheint das gute Verhältnis doch einen mehr politischen Anstrich erhalten zu sollen. Aus dieser Zusammenstellung ergibt sich folgendes Bild: Ein neuer Riesenkonzcrn dämmert in zwar noch leisen aber doch schon bestimmt umschriebenen Linien am Horizont auf. Er besteht aus dem Dreibünde, Schweden, Bulgarien, der Türkei, Amerika und China. Auf der an deren Seite steht der Dreiverband mit Japan und dem au genblicklich für Jafmn schwärmenden romanischen Amerika. Damit wäre die ganze Erde aufgeteilt, wäre cinbezogcn in eine der zwei gewaltigen Weltmachtgruppen. Freilich schwanken noch mehrere Staaten, mrf welche Seite sie sich neigen sollen. Bulgarien wie Amerika möchten gern mit den Hunden jagen und mit den Hasen laufen. Das geht wohl eine Zeit lang, aber nicht auf die Dauer.