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Beiblatt zu Nummer 34 Der Sächsische LrMer. Mittwoch, de« 11. Februar 1914. Gruß a« de» Dattenberg. Grüß dich Sott, mein schöner Battenberg! Grüß dich Sott, granitner Hang! Buntgemischt und kraftvoll steht der Wald; Dumpf, urwüchsig schallt der Texte Klang Im hohen, dunkeln Forst. Drinnen lauscht geheime Nacht, Märchen und Frau Sage wacht; Tiefeinsam zieht daS Reo. — Kühn so steil empor! Kraft der Brust hervor! Frei wird mein Herz vom Weh. Grüß dich Sott, mein schöner Battenberg! Urgewaltiger Koloß! FeuerSmacht hat dich emporgewucht't; Felsenschwere fesselt dich zur Erd', Du, brzwungnem Riesen gleich. Lagert da titanisch Felsgeblöck, — KampfeSzeugen, laubig eingedeckt — Die Götterschlacht zu End'. — Trägst Du innre Last, MooS lädt Dich zur Rast; Weihe und Ruh' es spend't. Sind wir da auf freier, luftger Höh, Ragt der Turm aus Buchenhallen: Schweikt das Aua' zum waldigen Seläud, DaS in Anmut, Lieblichkeit sich dehnt. Weitet Blick und weitens Herz. Rätselvoller Zauber webt. Der des Wandrers Geist belebt: Hier Freiheit atmet Natur. Kraft und Mut Euch stählt, Reine Schönheit wählt! Berge sind Gottes Spur. — Manfred Ott. SW Aörrig UN- seine Bauer« Wer den Parlamentarismus als den Gipfel aller anenschlichen Errungenschaften betrachtet und anbetet, dem mag beim Gedanken an die 30 000 Bauern, die, von der Zu stimmung von weiteren 40 000 getragen am 6. d. M. in dem »veiten Hof des Königsschlosses am Mälarsee mit ihrem Herrscher über die Notwendigkeit rascher und durchgreifen der Rüstungsmaßnahmen Zwiesprach hielten und nachher dem Ministerpräsidenten durch eine Deputation mitteilen liehen, was sie dem König vorgetragen hätten, wohl ein leichtes Gruseln ankommen. — Jede außergewöhnliche Zeit und Aufgabe jedoch hat ihre eigenen inneren Gesetze, und wenn ein König die Ueberzeugung gewonnen hat, daß in dem Mechanismus des konstitutionellen Lebens ein zur Verwirklichung reifer großer politischer Gedanke verschleppt und schließlich zerrieben zu werden drohe, weil er nicht recht in das Konzept der „regierenden Partei" patzt, so Mag er wohl nun eine Instanz weitergehen und sich die Bundesge nossen suchen, wo er Verständnis für seine Ideen und ihre Dringlichkeit findet. Das mag ungewöhnlich sein, aber das Wohl des Staates ist das höchste Gesetz, und was unge wöhnlich ist, ist darum noch lange nicht unrecht. Der König von Schweden (X) hält eine Ansprache an die im Schlotzhof Versammelten. Wäre die politische Struktur des deutschen Reiches nicht glücklicherweise erheblich anders, als die des Königreichs Schweden, so hätten vielleicht auch bei uns die Wehrvorlagen des Jahres 1913 nicht ohne patriotische Bauernwollfahrten zustande gebracht werden können! Glücklicherweise hat es bei uns so ungewöhnlicher Mittel nicht bedurft. Aber dieser offene, tapfere und mutige König und seine braven Bauern gewähren darum doch auch für uns ein herzerhebendes Bild, das durch die Gegendemonstrationen der Stockholmer So zialdemokraten, die am Sonntag stattfand, ebensowenig ge trübt werden kann, wie durch die „ernsten Vorstellungen", die das liberale Kabinett beim König gegen sein angeblich unkonstitutionelles Verhalten erhoben hat. Die Kund gebung -er schwedischen Bauern trug nicht im mindesten einen aggressiven Charakter, sondern galt lediglich der energischen Verteidigung der Freiheit und Selbständigkeit des Landes. Sie war darum eine eminente patriotische Kundgebung, um die wir das schwedische Volk beneiden könnten. Zur Heerfahrt der schwedischen Bauern schreibt die „Post": „Der Ernst der Lage blieb diesen Männern nicht ver borgen. Und mit der ihnen eigenen Energie setzten sie die neue Erkenntnis sofort in eine Willenskundgebung um, die auch bei uns in Deutschland Bewunderung erregen mutz. Wie sollten wir, die wir den Wehrbeitrag beschlossen, nicht fühlen mit den besorgten Söhnen Schwedens? Wie sollten wir uns nicht freuen über den geschlossenen, sieghaften Wi derstand, den das schwedische Bauerntum der Minierarbeit der Sozialdemokratie so erfolgreich geleistet hat? Der pa triotische Massenwille der Gegenwart, der den „internationa len" Willen zum Zerschlagen der bestehenden Staatsform so demonstrativ auf die Knie zwingt: ein prachtvolles Moni tum aus dem Norden!" Die „Rheinisch-Westfälische Zeitung": „Sie sehen es ein, diese echt germanischen Heerbann leute, daß sie mir ihr eigenes Wohl vertreten, wenn sie zu Schutz und Trutz ihres Vaterlandes das Opfer bringen, das zwar schwer, aber zur Erhaltung der Unabhängigkeit des Landes unerläßlich ist. Wie sympathisch berührt es, daß die schwedischen Bauern aus eigenem Antriebe zu ihrem ober sten Führer kommen und ihm ihre unverbrüchliche Vater landsliebe und Königstreue versichern. Ein wahrhaft ger manischer Zug! Wir begrützen deshalb ihre Opferwillig keit, die letzten Endes gegen eine gemeinsame Gefahr aller Festland-Germanen gerichtet ist." Die „Deutsche Tageszeitung": „Wir Deutschen wünschen der befreundeten Macht und dem uns nahe verwandten Volke, daß es so schnell wie mög lich das Ziel erreiche, seine Rüstung zu Lande und zu Wasser genügend stark zu machen, um seine Selbständigkeit unter allen Umständen zu wahren und Staatsmänner findet, die ebenso viel Verständnis für die dringenden Bedürfnisse des Landes besitzen wie der König und die opfermutigen Bauern massen." Die „Leipziger Neuesten Nachrichten": „Bei den nahen Beziehungen zwischen Deutschland und Schweden empfinden wir die Not des nordischen Bruder volkes fast wie unsere eigene. Und auch wir Deutschen haben den lebhaften Wunsch, den die schwedischen Bauern am Frei- tag ihrem König vorgetragen haben, daß nämlich Schweden durch eine rechtzeitige Verstärkung seiner Rüstung imstande ist, seine Selbständigkeit und seinen Besitz gegen jeden feind lichen Angriff zu schützen und zu wahren." Heimat. Original-Roman von A. Marby. st«. Frntsrtzung.) (Nachdruck «rboten.) Eckartsburg kam aus der Meierei von seinem ersten Be- ßuch bei seinen Kusinen. Es mutzte Wohl ein äußerst beweg tes Wiedersehen gewesen sein, jemehr er sich dem Schlosse näherte, desto zögernder wurden seine Schritte. Ein tiefer Ernst lag in seinen Mienen, doch sie erhellten sich im Augen blick, wo er der vor dem Portal seiner Wartenden ansichtig wurde. Herr von Gehren richtete im Namen Mer einige begrü ßende Worte, durchatmet von warmer Herzlichkeit, an den Baron, die von ihm eine gleich herzliche Erwiderung fanden. Er reichte dabei jedem freundlich die Hand, wie beiläufig er wähnend, ein Festmahl den Gutsangehörigen zu geben, be halte er sich vor. Damit war der Begrüßungsakt beendet. Im Laufe des Nachmittags machte Eckartsburg in Geh rens Begleitung einen Rundgang durch sämtliche Wirt schaftsgebäude, durch Remisen, Scheune und Ställe. Auch hier sah es, dank deS Administrators rastloser Tätigkeit und hauptsächlich dank der ihm bewilligten Barmittel, schon ganz anders aus, wie bei des Barons erstem Besuch, doch viel, viel mehr mußte noch geschehen, um das herabgekommene Besitztum wieder in die Höhe zu bringen. Für daS bisher Geleistete kargte Eckartsburg nicht mit anerkennenden Worten, die dem davon sichtlich erfreuten Gehren zum Sporn wurden, mit seiner ganzen Kraft und seinem Mimen dem neuen Herrn zu dienen. Begraben unter Zeichnungen und Plänen zu wirtschaft lichen Neuschöpfungen und Berechnungen saßen die beiden Herren in der herrschaftlichen AmtSkanzlei bis gegen Mit- ternacht beisammen. Als sie sich endlich kennten, fühlte der Baron sich wohl erschöpft, aber nicht schlafbedürstig. . Er ließ sich auf der Ottomane nieder. Kein Wunder, wenn in der tiefen Stille der Nacht, der ersten wieder in dem durch tausend Erinnerungen geweih ten Raume, die Geister der Vergangenheit erwachten, ihm Bild auf Bild in greifbarer Deutlichkeit vor die Seele zau berten. 10. An dem Festmahl, das der neue Majoratsherr Baron von Eckartsburg einige Tage nach feinem stillen Einzug in Schloß Eckartsburg seinen Beanrten, Hausleuten, Hof- und Feldarbeitern gab, hatten auch der Landrat des Kreises, der Ortsgeistliche und Justizrat Kaltenbach teilgenommen. Die Herren waren dann noch in anregender interessanter Unter haltung mit dem liebenswürdigen Wirt bis in später Abend stunde beisammen und mit Ausnahme des jungen Geistlichen über Nacht im Schlosse geblieben. Während Landrat v. E . . . den ersten Vormittagszug zur Heimfahrt benutzte, hielt ein triftiger Grund den Justiz rat bei seinem Gastfreund noch fest. Stunde um Stunde ver- rann den beiden Herren in ernster Besprechung, bis Kalten bach, nach einem Blick auf die Uhr, sich erhob und lebhaft sagte: „Beinahe Mittag, also höchste Zett, den Damen meinen Besuch zu machen. Bei Gott, bester Baron, eS will mir durch aus nicht in den Sinn, an Ihrer Stelle einen Dank entge genzunehmen, der Ihnen einzig und allein gebührt. Möch ten Sie nicht doch lieber selbst den Baronessen Bericht er statten?" „Aber, verehrter Freund, wir waren doch darüber einig, daß meine Person ganz aus dem Spiele bleibt!" versetzte Eckartsburg ernst. „Wüßte Marie Luise, inwieweit ich bei der Sache beteiligt bin, so bin ich sicher, sie lehnt alles ab." „Hm", der Justizrat schüttelte ungläubig den Kopf, „beurteilen Sie die Baronesse nicht etwa falsch, lieber Ba ron? Sie besitzt allerdings einen ungemessenen Stolz, aber ein so großmütiges Anerbieten von der Hand zu weisen, wäre denn doch mehr als töricht." „Es ist nicht allein ihr Stolz, der bestimmend auf Ma- rie Luise wirken würde, sondern ihre unverhohlene Abnei gung gegen mich", versetzte der Baron, die tiefe Stimme von schmerzlicher Bitterkeit durchklungen. „Ja, ja, so ist's, mein Freund", fuhr er, sich erhebend, in überzeugendem Ton fort, „meine Kusine scheint mich als einen Usurpator zu betrach, ten, der sich das Erbrecht aufs Majorat erschlichen hat durch — den unseligen Schuß, der Egon niederstrckkte. Sie zeiht mich nach wie vor der Schuld am To- des Unvergeßlichen, des einzig berechtigten Majoratserben. Deshalb darf sie nie die Wahrheit betreffs Ihrer Mission erfahren. Daß Sie sich ihr unterziehen, dafür bleibe ich Ihr dankbarer Schuldner!" „Nicht doch, nicht doch!" wehrte der Justizrat, seine Be wegung unter einem heiteren Lächeln verbergend. „Als Komplize der von Ihnen angezettelten Jntrigue bin ich ein fach verpflichtet, sie mit zu Ende zu führen." „Nun, und datz sie erfolgreich zu Ende geführt wird", sagte Eckartsburg, Kaltenbachs Hand mit warmem Druck umfassend, „dafür, mein verehrter Freund, bürgt mir Ihre Klugheit und Ihr aufrichtiges Interesse am Geschick mei ner jungen Verwandten." „Will hoffen, alle guten Götter stehen mir bei, Ihr mich ehrendes Vertrauen zu rechtfertigen", versetzte der Justizrat ernst. „Auf Wiedersehen, Herr Baron! Wo finde ich Sie bei meiner Rückkehr?" „In diesem Zimmer." Raschen Ganges, das Haupt nachdenklich gesenkt, legte Justizrat Kaltenbach die kurze Entfernung vom Schlosse bis zur Meierei — Einsiedelei wäre eine passendere Benennung gewesen - zurück. Nach vorangegangener Anmeldung durch die kleine hübsche Lore wurde der alte Freund der Familie im „Studio" der Baronessen empfangen und freudig be grüßt. „Wie liebenswürdig, Herr Justizrat, sich der Einsamen zu erinnern!" sagte Marie Luise, ihn zum Sessel geleitend. „Don unserer kleinen Aufwartung hörten wir. Sie übernach teten im Schloß." „Es wurde gestern zur Abreise zu spät; mein Bleiben wurde überdies noch von besonderen Gründen bestimmt: aber wäre mein Aufenthalt auch nur von kurzer Dauer ge wesen, ich hätte EckartSburg nicht verlassen, ohne Ihnen einen Besuch zu machen", versicherte Kaltenbach verbindlich. „Anders wären Sie auch in allerhöchste Ungnade gefal len, Herr Justizrat", lächelte ihn Herta schelmisch an. „Bitte, erzählen Sie, wie verlief das Festessen? Zuweilen drang ein windverwehter Ton laut jubelnder Lust bis zu unS. Un ser alter Weller nebst Tochter und Enkelin sind heute noch voller Entzücken über die ihnen zuteil gewordenen Genüsse aller Art, sie schwärmen für den neuen Herrn. Nicht etwa", schloß das reizende Mädchen eifrig, „infolge des Festmahls! In ganz Eckartsburg, sagt Weller, hätten bereits die Leute Beweise von des Barons Gerechtigkeitssinn und Herzens- güte erhalten, alle verehren ihn." „Mit Recht!" bestätigte Kaltenbach in überzeugend war- mem Ton. „Baron von EckartSburg ist der beste, vorzüg lichste Mensch, wie ich einen zweiten in meinem langen Le ben kennen zu lernen noch nicht das Glück hatte." —