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MNd. Beiblatt zu Nummer 22. Der Sächsische Lrzähter. Mittwoch, de« 28. Januar 1S14. r im großen »SPP. -er-Semioar«. IOS. tag, r Völker, amationo«. «gehörige« ohrrerfckaft tragSordimng nd anzulegen. m. 1. Vorsteher. !I8. urtStag): SsII. mthal. I r»»«. I ndwerk, Logis), c- und »dwcrk, Mler- ttaii, Protest -er stS-tische« «n- lS«-liche« tüchfifcheu Grunddesttzerorganisationeu in Sache« -er Neichszuvachssteuer. Die städtischen und ländlichen Grundbesitzerorganisa- tiorren in Sachsen haben gegen die geplante Uebernahme des freigewvrdenen Reichsanteils der Reichszuwachssteuer auf den sächsischen Staat bei der Staatsregierung Protest erho ben und denselben folgendermaßen begründet: Wenn auch anzuerkennen sei, daß durch die Reichsgesctz- gebung die Finanzen des sächsischen Staates ungünstig be einflußt und insbesondere die Anteile Sachsens an der Erv- fchasts- und an der Stempelsteuer beschnitten worden sind, so liege doch kein Grund vor, für die Deckung dieser Arts fälle an Steuern, die von der Gesamtheit des Volkes getra gen werden, nunmehr eine Steuer zur Einführung zu brin gen^ die einseitig vom Grundbesitz erhoben wer den solle. Das würde eine ungerechte Belastung des letzteren zugunsten der Allgemeinheit sein, wofür cs jeden Grundes und Anlasses entbehre. Die Staatsregierung selbst er kenne in der Entwurfsbegründung an, daß „hinreichende Erfahrungen über die Wirkung des Zuwachssteuergesetzes noch nicht vorliegen". Unter solchen Uniständen erscheine es durchaus nicht geraten, das Zuwachssteuerproblem zur Fest legung gesetzlicher Bestimmungen zu benutzen, von denen die Staatsregierung im weiteren anerkenne, daß sie „zu be rechtigten Klagen Anlaß gegeben" und zu schweren Härten geführt habe. Es erscheine unerträglich, ein Gesetz zu erlas sen, von dem feststehe, daß es den Grundbesitz außerordentlich schädige, das private Bauunternehmertum lahm lege, damit die Wohnungsverhältnisse nachteilig beeinflusse und ange sichts dieser Wirkungen im einzelnen Falle von einem Mini sterium erst noch interpretiert werden sollen. Es sei viel mehr unbedingt daran festzuhalten, daß Gesetze auf ihre Wirkungen hin vor ihrem Erlasse — soweit menschliche Voraussicht dies ermögliche — genau geprüft werden. Ab gesehen davon, daß es selbst in der Theorie mindestens zwei felhaft sei, ob eine Sondersteuer auf den Wertzuwachs - auch ohne dabei gerade an den Wertzuwachs bei Grund stücken zu denken — berechtigt sei, steht doch so viel fest, daß der Wertzuwachs, gleichviel, ob verdient oder unverdient, be reits durch das Reichsbesitzsteuergcsetz erfaßt werde, in sei nen Erträgnissen auch von der Einkommensteuer, so daß eine nochmalige Sonderbesteuerung des WertzMvachses sich als eine unzulässige Doppelbesteuerung charakterisiere, zumal derselbe Wertzuwachs doch bereits mit der Besitzwcchselao- gabe und mit den Stempelsteuern für den Besitzwechsel be legt sei. Endlich müsse aber berücksichtigt werden, daß cs direkt den Absichten des Bundesrates und des Reichstages widerspreche, wenn jetzt für Staat oder Gemeinde der bis cherige Anteil der Reichszuwachssteuer reklamiert werde, ob wohl das Gesttz über Aenderungen im Finanzwesen aus ¬ drücklich damit begründet worden sei, daß der Grundbesitz in Stadt und Land entlastet werden müsse. Ein die Wert zuwachssteuer auf Grundstücke für Staat und Gemeinden einführender Beschluß würde geradezu die Beschlüsse von Bundesrat und Reichstag desavouieren. Aus allen diesen Gründen, so schließt der Protest, dürfte es das Richtigste sein, wenn die Sächsische Staatsregierung den Gesetzentwurf über die Erhebung der Zuwachssteuer zu- rückzöge. Geschieht dies aber nicht, so sei an die Stände- kamrner die Bitte zu richten, den Gesetzentwurf in seinen» vollen Umfange abzulehnen. Fletschpreise im K»einha«-el. Die Fleischnot, die in dem vergangenen Jahre den frei händlerischen und sozialdemokratischen Preßorganen immer wieder Gelegenheit gab, die Öffnung der Grenzen zu ver langen, neigt sich jetzt, wie aus der Etatsdebatte im Reichs tag deutlich hervorging, stetig ihrem Ende zu. War doch die Verminderung des Viehbestandes — die Ursache der Fleiscl-- teuerung — nicht etloa eine Folge dauerrrder Unfähigkeit unserer deutschen Landwirtschaft, den deutschen Markt mit genügend Schlachtvieh zu versorgen, sondern einerseits eine Folge der besonderen Umstände im Mitzwachsjahre 1911, das wenig Futtermittel zeitigte, andererseits der Maul- und Klauenseuche. Diese Widrigkeiten zwangen damals zu einer Herabsetzung des Viehstandes uild verursachten auch den Rückgang des Auftriebes an schlachtreifem Vieh dank des Grenzschutzes und der intensiven Maßnahmen, der Ve terinärpolizei geht die Maul- und Klauenseuche ständig zurück, so daß die Landwirtschaft heute schon ihre Viehbe stände wieder vervollständigt hat. Sie ist wieder in der Lage, den Bedarf des deutschen Volkes ohne Mithilfe des Auslandes zu decken, wozu ihr mich die Rekordernte des Jahres 1913 sehr zu statten kain. Allerdings ist bis jetzt ein Rückgang der Preise — we nigstens im Kleinhandel — noch nicht zu verspüren. Es ist ja eine bekannte Tatsache, daß Preise (namentlich solche auf Lebensmittel) sehr leicht erhöht werden, zumal wenn vermindertes Angebot oder gesteigerte Nachfrage dazu nö tigen; ein Herabsetzen der Preise hingegen erfolgt jedesmal nur sehr zögernd, oft nur im geringen Maße. So ist eS auch beim Fleisch gewesen. Die Preise im Kleinhandel sind noch immer hoch, obwohl die Voraussetzungen jetzt besei tigt sind. Aus diesen Erwägungen heraus hatte das Polizeipräsi dium von Berlin eine Konferenz unter der Leitung des Ge heimen Regierungsrats Burkhardt einberufen, an der Ver treter der Handels-, Handwerks- und Landwirtschaftskam mern. des statistischen Amtes, sowie des Flcischergewsrbes teilnahmen. Tas Ergebnis dieser Beratungen liegt nun vor. Danach soll in Berlin eine Notierung der Fleischpreise im Kleinverkehr eingeführt werden. 150 Fleischermeister sollen ein ihnen zugehendes Schema monatlich einmal aus füllen. Das so gewonnene Material soll dann von einer Kommission bearbeitet werden. Es ist sicher daß dadurch ein gewisser Einfluß auf die Preisbildung erzielt werden kann, tiefergehender würde die ser aber sein, wenn die Fleischer auch gezwungen wären, im Verkaufsräume, vielleicht auch noch an der Ladentür, diese Preistafeln auszuhängen. Dann erst würde sich eine un mittelbare Einwirkung auf den Preis erzielen lassen, die dann die Konkurrenz zu einer normalen Preisnotierung nötigt und die willkürlichen Preistreibereien einzelner Fleischer unterbindet. Vergessen darf dabei allerdings nicht werden, daß die Hauptgewinne im Diehhandel nicht der Fleischer, geschweige denn der Landwirt einheimst, sondern, daß wie bei anderen wichtigen Nahrungsmitteln, der Zwischenhandel die Sahne abschöpft. Gegen diese Übelstände gewährt, wie im Reichstag von rechtsstehender Seite wiederholt betont wurde, nur eine weitgehende Ausschaltung des Zwrschengroßhandels durch Abschluß langfristiger Lieferungsverträge zwischen den Ver brauchsverbänden (Staat, Städte, Fleischerinnungen) mir den Produzenten einen gewissen Schutz. Solche Verträge würden am sichersten das kaufende Publikum vor unnötig hohen Fleisckchreisen bewahren; ferner würde dadurch auch bewirkt werden, daß der Gewinn für anstrengende Arbeit auch wirklich den Ständen zugute kommt, die ihn redlich verdient haben, dem Bauer und dem Fleischer. Das „Schmiergel-" im Geschäftsverkehr. Anläßlich des Erpressungsprozesses gegen einen frühe ren ausländischen Vertreter der Siemens-Schuckertwerke ist die leidige Frage des Schmiergelderunwesens wieder laut geworden. So sehr mm» auch diese krankhafte Erscheinung des Geschäftsverkehrs verurteilen und bekämpfen mag, so wenig sollte man sich doch über ihre tatsächliche Ausbreitung hinwegtäuschen. Es wird im In- und Auslande viel mehr „geschmiert", als der Laie sich träumen läßt und als die Be teiligten zugeben wollen. Besonders diejenigen Firmen oder ihre Vertreter, Kommissionäre und dergl., die in halb zivilisierten Ländern mit Behörden und Verwaltungen Ge schäfte machen wollen, müssen den ortsüblichen Persönlich keiten, sei es auch in noch so unverfänglicher Form, gewisse Aufmerksamkeiten erweisen. Dem deutschen Kaufmann sollte man daraus keinen besonderen Vorwurf machen; sein englischer, amerikanischer oder französischer Konkurrent tur das gleiche. Bei den Staatsmännern und Verwaltungs beamten erotischer Länder herrschen eben andere Auffassun gen in dieser Beziehung. Soll inan ihnen das als Tod sünde anrechnen? Herrschen nicht in mancher hochzivili- //. />>,'//« 0 ,7//7/,'7 au/«-,' /-«.^/«/7/r Heimat. Original-Roman von A. Marby. (4. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Die große Schreibstube, in der eben der Bürovorsteher sich in hitzigem Gespräch mit einem sichtlich erregten Klage antragsteller befand, rasch durchschreitend, trat der Diener nach kurzem, lauten Anklopfen, ohne auf ein „Herein" zu warten, in das „Allerheiligste" des Chefs, der schreibend an feinen Pult saß. Außer dem leise kritzelnden Geräusch der eilig übers Papier gleitenden Feder unterbrach kein Laut öie tiefe Stille. „Was gibts?" fragte Justizrat Kaltenbach, ohne aufzu- bkicken, im Ton des Unwillens. „Sie wissen doch, Hasse, ich will nicht gestört sein." „Herr Justizrat verzeihen! Dem frenrden Herrn, der Sie zu sprechen wünscht, schien daran gelegen, daß ich seine Karte sofort Herrn Justizrat überbringe!" entschuldigte sich -er Diener. „Wird Wohl nicht so große Eile haben, muß sich dednl- ben", versetzte Kaltenbach, noch ärgerlich über die Störung. „Eckart", las er gleichgültig, „mir ganz unbekannt." Im Begriff, die Visitenkarte in eine auf dem Schreib tisch stehende bronzene Schale zu tverfen, haftete sein flüch tig über die Karte streifender Blick auf dem in der rechten Ecke gedruckten Wort „New Aork". Der Justizrat schnellte von seinem Sitz empor. Mit dem Ausdruck höchster Ueberraschung in den Augen und Menen stieß er hastig hervor: „Hasse!" Der Gerufene kehrte von der Türschwelle rasch zu sei nem Herrn zurück. „Herr Justizrat befehlen?" „Wie sieht der Mann aus, der Ihnen die Karte gab?" -fragte Kaltenbach gespannt. „Vornehm, Herr Justizrat! Möchte mir zu sagen erlau ben, wie — wie ein Gutsbesitzer", lautete der pwmptc Be scheid. „So — hm!" Ein kurzes Zögern, dann fuhr der Rechts« geehrte in befehlendem Ton fort: „Führen Sie den Herrn gleich her! Solange er bei mir ist, bin ich für niemand zu sprechen, hören Sie, Hasse? für niemanden! Sagen Sie das cmch dem Referendar!" Die letzte Weisung galt dem Bürovorsteher, der nach glänzend bestandenen: Referendar-Examen widriger Fanü- licnverhältnisse wegen sein weiteres Ncchtsstudium hatte auf geben müssen, und nun schon seit vielen Jahren die gut aus kömmliche, verantwortliche Vertrauensstellung in: Büro des vielgesuchten Notars, Justizrat Kaltenbach, bekleidete. Kaum allein, bemühte sich der Justizrat seiner ihn be herrschenden Aufregung Herr zu werden. Gewohnheitsge- mäß fuhr seine Hand durch den Weißen Haarbusch, der über feiner hohen Stirn einer Löwenmähne gleich emporstarrte und strich dann ein paarmal über Stirn und Augen. „Also doch noch?" murmelte er halblaut — „ob wirklich „er" selbst? Aber freilich, der Name sagts — und sieht vor nehm aus? Hm! also kein herabgekommenes, verlottertes Subjekt, das . . . ." Nein! Dem glich die hohe Mannesgestalt, die eben im Türrahmen sichtbar wurd, in der Tat nicht. Bein: ersten Blick, der forschend des Fremden äußere Erscheinung über flog, sagte dem Rechtsgelehrten sein bewährter juristischer Scharfsinn, daß ihm ein „Gentleman" gegenüberstand. Sich erhebend und rasch auf den Ankömmling zuschrci- tend, rief er mit einem Gemisch von Zurückhaltung und freu diger Bewegung: „Willkommen, herzlich Herr Baron von Eckartsburg." In den Augen und Mienen des Genannten malte sich leichte Verwunderung. Doch ohne Zögern legte er seine Rechte in die das In- stizratS sich ihm entgegenstreckenden Hände und fragte selt sam bewegt: „Sie wissen bereits? Sie kennen mich?" „Noch weiß ich nichts, als daß ich Sie leibhaftig vor mir sehe! Der auf Ihrer Karte abgekürzte Name „Eckart" ver riet mir sofort die Wahrheit, hätte ich aber noch daran ge zweifelt. so schließt auch Ihre Erscheinung in ihrer frappan ten Aebnlichkeit mit Ihrem leider allzufrüh verstorbenen Vater eine Täuschung vollkommen aus." „Mein Vater!" wiederholte der Baron, „wie mich Ihr Zeugnis bewegt, Herr Justizrat! Ich vermag mich der Per- fönlichkeit des Frühverlorcnen nicht zu erinnern, denn als er mit seinem kostbaren Blute den französischen Boden düngte für unseres Vaterlandes Ehre und Freiheit, war ich rin noch nickst dreijähriges Büblein. Doch der Mutter Schil derungen von meinem Heldenvcster ließ sein Bild mit allen Mannestugenden geschmückt, vor meinem Geiste erstehen, in mir von früher Jugnd an den Wunsch erlveckend nach glei chem Mcnschenwert im Denken und Handeln." Justizrat Kaltenbachs Blick ruhte, während Eckartsburg sprach, mit durclchringender Sclchrfe auf dein gebräunten Antlitz, in dessen edlen, geistvollen Zügen sich eine gleiche Bewegung inalte, wie sie sich im Wohlklang der tiefen Stim me bemerkbar machte. Hätte in der Seele des Juristen noch ein Rest von Zweifel an der Echtheit der vor ihm stehenden Persönlichkeit getvohnt, er wäre unter den veriwmmenen Worten bis aus die letzte Spur verschwunden. Die Hand des Barons aufs neue umfassend, gab Kal tenbach dem ihn bewegenden Gefühl unwillkürlich Ausdruck in den herzlichen Warten: „Ich bin überzeugt, des Knaben Mansch und Gelöbnis fiel nicht auf steinigen Boden. Zndem^xsaßen Sie einen köstlichen Geleitsbrief für Ihr ganzes Löben in der Erin nerung an Ihre sonnige Kindheit unter den sorglich bewa chenden Augen Ihrer herrlichen Mutter, eine -er besten, edelsten der Frauen'" „Auch meine unvergeßlich Mutter" — ein hörbarer Seufzer drängte sich über Eckartsburgs Lippen — „wurde mir früh entrissen. Mit ihrem Tode fielen die ersten Schar ten in meine sonnige Kindheit." „Das Hinschiden der noch in voller Jugendschönhcit stehenden Baronin v. Eckartsburg wurde damals allgemein beklagt", sagte der Justizrat teilnehmend. „Als Anwalt unserer Familie warm Sie mit meinen Eltern näher bekannt?" fragte der Baron interessiert. „Allerdings!" nickte Kaltenbach. „Schon mein Vater — vor allen Dingen wollen wir aber nun Platz nehmen, Herr Baron", unterbrach sich der alte Herr, seinen Besuch zu einem Diwan geleitend, doch bevor er sich selbst nieder setzte zog er erst die vor der Stubentür in dichten Falten her niederhängende Portiere von schwerem Stoff fest zusammen, dadurch verhütend, daß aus seinem Privatbüro ein oder da» andere Wort von einen: unbefugten Lauscherohr im Neben zimmer mifgefangen wurde, wie auch anderseits von dem dort häufigen Parteigezänke keine störende Laune eine in time Unterhaltung im „Allerheiligsten" beeinträchtigen konnten. Nach beendeter Vorsichtsmaßregel den Sitz neben dem Baron einnehmend, fuhr der Justizrat in seiner Rede kort: „Wie ich sagen wollte, schon mein Vater vertrat als Sach walter der Familie Eckartsbmg ihre sämtlichen geschäftlichen