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Dkl SS-Wche LrM«. Dichei» Unsere Zeit ist eine Zeit des Hasten- geworden. Alles drängt und treibt. Alle-ist auf die Minute berechnet. Wo- zv man «chedem sich Tage lang Zeit ließ und auch meist Zeit genug lassen konnte, das mutz heutzutage in Stunden erledigt werden. Die Epoche des Dampfes, der Elektrizität, des venzinS kann keine Zeitverluste brauchen. Mehr, denn je gilt der Spruch des praktischen Angelsachsen, daß Zeir Geld sei. Gewiß ist dieser Umstand mit daran schuld, daß in neuerer Zeit durch manche Volkskreise etwas wie ein Sichbesinnen auf die Stelle, wo ein AuSruhen möglich ist vom TageSkampf, vom Hasten und Treiben des grauen, oft bleischwer lastenden Einerlei: — auf das Daheim! Es ist kein Zweifel darein zu setzen, daß unser Geschlecht ein in mancher Beziehung andersgeartetes geworden ist, daß die Sucht nach Genuß und die Freude am glitzernden Außen- schein das Gediegene da und dort überwuchert hat, und eS hat sich vielfach auch die Anschauung Bahn gebrochen, daß «S Lccheim zu „langweilig" sei, daß man sein „Amüsement" draußen suchen müsse. Nun soll zugegeben sein, daß man von Zeit zu Zeit auch etwas Anderes sehen und erleben muß, als die vier Pfähle -eS eigenen HauseS und was sie umschließen. Abe? es hieße doch übertreiben oder falsche Schlußfolgerungen ziehen, wenn man damit Len allgemei- JeitgemLtze Betrachtvvge«. O Neaumur, o Celsius! O Celsius, o- Reaumur, — ihr »nacht euch nützlich für und für — ihr kündet uns die Lemp- raturen — im Zimmer, wie auch auf den Fluren. — Ihr ÄÄgt dem p. t. Publikum — einmütig an „um Null herum" — und finkt ihr auf den Nullpunkt nieder, — dann seid ihr einmal gleiche Brüder! O Reaumur, o Celsius! — Den HauSfrau'n macht ihr viel Verdruß — ihr eilt gar boshaft auf und nieder, — zeigt Wärme an und Frost dann wieder. — Und setzt die Hausfrau Wäsche an, — sie dann vor Frost nicht trocknen kann — -och hat sie Glück, dann naht als Ret- ter — der Utnschlag, und bringt wärmres Wetter! O Reaumur, o CelsiuS! — Heut zeigt ihr minus, morgen plus — und mag sich mancher darum sorgen, -- der Wechsel kommt von heut auf morgen, — und wie im Kurs ein Wert- chapier — abwechselnd sinkt und steigt auch ihr, — was mor gen wird, das ficht noch offen, — man kann nur stets das Beste hoffen! —Besonders zu beklagen ist, — der vielge- psagte Verschwürst — singt er vom Eislauf tausendtönig— Echt Wasser auf dem Eis Nicht wenig — und singt er dann, baß Über Hacht — die milden Lüste sind erwacht, — dann Mckt er morgen traumverloren, — sein'Äiod ist fälsch, — e? Hat gefroren! Ob Reaumur wie CelsiuS — zur Zeit apch Kälte künden muß — ist's für den Balkan wenig nütze, — dort herrscht schon wieder Siedehitze, — und wenn man dieses Treiben sicht — dann fürchtet man, der Prinz von Wied, — wird dort trotz aller guten Gaben — es kaum zum allerbesten haben! — — Auch LaS polit'sche Wetterglas — nen Vergnügungstaumel parallelisieren wollte. Das Da heim ist der feste Grund jeder gesunden Volkskraft und muß es auch bleiben. AuS ihm lassen sich immer und immer wieder, wie Anteus von seiner Mut ter Erde stetige Kraft erhielt, neue Quellen der Ausdauer und Unbesieglichkeit erschließen. „Hier sind die starken Wurzeln Deiner Kraft" — LaS scheint man heute instinktiv zu empfinden. Man findet dies Gefühl innerhalb der füh renden Kreise, in der Sorglichkeit, ein seßhaftes, ein ge sundes Volkstgm zu erhalten, das nicht um Scheingüter und inhaltlich hohles Getue sich verzettelt und seine Kraft ver- geudet, — man findet es innerhalb der selbstinteressierten Kreise in dem Instinkt, daß eben nichts Fremdes, und sei eS noch so in die Augen fallend un- schätzenswert, ein ge- diegeneS Daheim ersetzen kann. Oder sollte der Drang, ein eigenes Häuschen zu haben, aus der Geldspekulation An derer herausgewachsen sein? In mancher Hinsicht gewiß! Wer aber einmal dort eigens in den Arbeiter- und kleinbiir- gerlichen Kreisen Umschau hielt, dem kann es bei Prüfung -er Sachlage nicht zweifelhaft sein, daß die Sehnsucht nach dem Daheim trotz aller Auswüchse der modernen Zeit tief in unserem Volke sitzt. Und das ist gut so! verkündete wechselnd Lies und das, — es weiß davon vor allen Dingen — der Kanzler jetzt ein Lied zu singen, — ob manchem auch der Preußenbund — in Hitze bringt, 's ist ohne Grund — denn nach wie vor tönts ernsten Falles — noch immer Deutschland über alles! Im Reichsland des Jntresses Kern — ist immer noch der Ort Zabern, — wann wird man endlich davon schweigen, — wann wird das Barometer steigen? — Das Militär und Zivilist — ein Herz und eine Seele ist — und dort das Wetterglas nicht weiter — auf dem Gefrierpunkt steht! ErnstHeiter 8«r Jugenderziehung aller StSude. Im „Tag" weist Dr. v. Frege-Weltzieß, auf die ernste Frage der richtigen Erziehung aller Ständch zu Got tesfurcht und deutscher Einfachheit der Sitten hin. Wir entnehmen den sehr beachtenswerten Ausführun gen folgendes: r / „Wie das 1. Garde-Regiment z. F. — die großartige Überlieferung aller preußischen Könige — heut noch viel schlichter lebt als manche Neuschöpfungen für Krieg und Frieden, wie kündige 'Geber die überreichen Weihnachtsbe- scherungen an arme Kinder usw. beklagen, denen diese nütz lichen Gaben in stiller Christnacht daheim zugehen sollten, ohne Neid oder Mißgunst erregen zu können, so muß der Affenliebe gesteuert werden, die die Jugend verwöhnt, denn auch der so berechtigte Sport dient bald zur Förderung der Eitelkeit und zu falschem Ehrgeiz. Bei» Lampevfchei«. Die Stunde, da man die Lampe erhellt, Wie ist sie gut! Nichts wagt ihr atmendes Schweigen zu stören. Man könnte es hören. Wenn eine Feder zu Boden fällt. Die Stunde, da man die Lampe erhellt. Wie ist sie gut! Sie verrät. Wie sehr man tagsüber sich nahe gewesen. Und läßt des Herzens geheimstes Gebet Traulich Auge in Auge lesen. Und man plaudert dann von ganz schlichten Sachen, Von der Frucht, die man im Garten gepflückt, Don der Blume, die man zwischen den Gräsern Zum ersten Male erblickt, Und wie man — mit süß erschrecktem Erwachen Alter Gefühle — in einem Brief, Der irgendwo im Schranke versteckt Und vergessen schlief. Ein vergilbtes Wort der Liebe entdeckt. Emil Verharren. Von den überfeinerten, ost monatelang hinausge- schobenen Tauffestlichkeiten der höheren Stände, bei denen die Geschwister des Täuflings nur die Damentoiletten, die viele Hunderte kosten, und raffinierten Speisekarten im Ge dächtnis behalten, bis zu dem Unfug luxuriöser Vereins- trauerkränze (zu denen ärmere Mitglieder im stillen ost widerwillig beitragen müssen) und kostbarer Blumenspen den an Gräbern oder bei Jubiläen meist recht unbekannter Mitbürger, geht ein Augenblicksluxus durch alle Schichten. Keineswegs will ich damit die Freude am Familienzuwachs oder die Teilnahme bei Trauerfällen gering einschätzen, nur gegen die Formen der Äußerung dieser berechtigten Gefühle möchte ich nut hoch und niedrig, Kulturträgern und Kreisen der ehrlichen Arbeit ankämpfen. Die Sucht, mehr zu scheinen, die Selbstttäuschung über das, was standesge mäß oder „selbstverständlich" ist, muß von dem Mut, gegen den Strom zu schwimmen, überwunden werden. Gern er innere ich mich eines wahrhaft vornehmen Mannes, der, trotzdem er als Präsident eines Landtages Freifahrtkarten der 1. Klasse benutzen konnte, stets in der 2. Wagenklasse der Eisenbahn fuhr. Vorbildlich war auch die einfache Jagd tracht zweier königlicher Brüder, überraschend die geringe Kost einer durch großartige Wohltätigkeit bekannten fürst lichen Frau, die für Arme selbst Dauerwaren bereitete. Aber so sicher wir annehmen können, daß solch edle Vorbilder sich heut noch finden, so bedauerlich bleibt der vulgäre Luxus der großen Masse der Bevölkerung. Bei der sog. Hygiene der großstädtischen Institute, die aber das platte Land bereits Der verflossene Reßdors. '' Roman von H. LourthS-Mihlrr. PL Fottsetzung.) ^Nachdruck verboten.) ReN«rf freute sich sichtlich darüber, daß Käthe Rivers rtnd Ethel so wohl gefiel. Sein Schwiegervater drückte ihm «imnal verstohlen Li« Hand und sagte leise: „Du hast Maud eine würdige Nachfolgerin gegeben, mein Sohn. Dieses Mädchen ist gut und edel, das sagen ihre Mtgen." ES wurden nun eifrig Zukunftspläne geschmiedet, an denen sich alle beteiligten. Mr. Rivers wollte mit Ethel noch verschiedene größere Meisen machen, zuerst nach Frankreich und an die Riviera. Weihnachten wollte man gemeinsam auf gute deutsche Art rn Wollin feiern, darauf freute sich Ethel sehr. Nach. Weih nachten ging sie dann mit ihrem Vater nach Italien, bis Dstern. Inzwischen sollte die Villa soweit fertig sein, daß sie bezogen werden konnte. Retzdorf sollte alles «inrichten las sen. Dann wollte Rivers mit seiner Tochter sein bleibender Domizil in der neuen Villa aufschlagen. - Schloß Reßdorf sollte sofort im Mittelbau und dem noch Wohl erhaltenen Seitenflügel neu ausgestattet werden, da- Mit da- jung« Paar im Mai dort einziehen konnte. Der Linke Seitenflügel sollte erst dann in Angriff genommen werben. Reßdorf wollte sich selbst der Verwaltung seines Gutes widmen. Er hatte immer viel für die Landwirtschaft übrig gehabt. Und Käthe freute sich, einen Wirkungskreis zu be- kommen, in dem sie ihre Kräfte regen konnte. ES war ihr aber lieb, daß sie noch bei Marianne bleiben konnte, bis Deren schwere Zeit vorüber wär und sich diese dann ihres HauShälteS selbst annehmcn konnte. Marianne wollte nichts davon hören, daß Käthe ihretwegen etwa gar ihr« Hochzeit aufschieben sollte. Da sagte Käthe schelmisch: „HanS bat ja vor dem Mai kein Obdach für mich — so Dange muß Du mich schon bei Dir behalten." „O, was das anbelangt", protestierte Reßdorf, wir könn en ja erst eine kleine Reise um die Welt machen." Mithe schüttelte den Kopf und sah- ihn innig an. , > "„Nein, HanS — nicht in die-Welt hinaus mit unserein Glück",-sägte sie leise. Da zog er sie fest an sich und sah ihr aufleuchtend in die Huchtschimmernden Augen. „Wolltest Du gar mit einem armen Mann«-Seite an Seite in Kampf und schwere Not ziehen?" „Aber nicht mit einem reichen Mann im Nichtstun von Hotel zu Hotel — davon hab' ich nie etwas gesagt", antwor tete sie schelmisch Limbach ließ es sich nicht nehmen, in aller Eile eine nette kleine Feier zu improvisieren, Käthe durfte sich um gar nichts kümmern, nur holte er sich zuweilen Rat bei ihr. Auf Reßdorfs und Ethels Wunsch hatte man einen Boten nach Schlomitten gesandt, der die Herrschaften her überbitten sollte. Botho sorgte eifrig dafür, daß man dieser Einladung Folge leistete, als er hörte, daß Miß Ethel und ihr Vater in Wollin waren. Schlomittens stellten sich sehr über Käthes und Reß dorfs Verlobung. Botho dagegen wollte erst den Gekränkten spielen, daß ihn Käthe nicht ins Vertrauen gezogen hatte. „Weißt Du, Käthe, das ist nicht nett von Dir. Hab' ich Dir nicht immer alles anverstaut?" sagt« er, nachdem er ihr zum Glückwunsch die Hand fast zerdrückt hatte. Käthe lachte ihn an und flüsterte ihm zu: „Ja, Botho — genau einundzwanzig Mal warft Du erst glücklich und dann unglücklich verliebt." ' Er hielt ihr die Hand auf den Mund und blickte ängst lich nach Ethel hinüber, die sich eben mit seinem Vater neckte. „Schweigst Du still! Wenn Du Miß Ethel ein Wort davon verrätst, bringe ich Dich noch vor Deiner Hoheit um." ! Sie sah ihn tragisch an. „Schon wieder, Botho?" Er nickte seufzend. „Und diesmal ist es schlimmer, als je zuvor — ich kann schon nicht mehr schlafen." „Und die GanSleber?" „Längst passe. Aber sag mal ehrlich, Käthe, ist dies? Miß Ethel nicht daS entzückendste Geschöpf unter der Sonne?" „Ganz ehrlich — sie ist reizend. Du, Botho — daS wäre eine Frau für Dich" „Hm! Meinst Du?" „Wirklich." „Na — dann will ich mir mal ein bißchen Mühe geben — vielleicht hab' ich diesmal Glück." Damit drückt« er Käthe nochmals die Hand und ging zu Ethel hinüber, die „das drollige Herr von Schloncktten" la- chcnd begrüßte. Als man spater zu Tisch ging, sicherte sich Botho den Platz neben Ethel, und die beiden waren sehr vergnügt. Man hatte eben die Suppe eingenommen, als ein Diener Herrn v. Tiesterfeld meldete. Alle, außer Ethel, sahen sich mit ko mischem Entsetzen an. „Hilf Gott! Hat der eine feine Nase, er hat sicher den Verlobungsschmaus gewittert", sagte Botho ärgerlich. „Er ist unvermeidlich, wie der Schnupfen im Herbst!' rief sein Vater, in sein Schicksal ergeben. „Kann man ihm nicht begreiflich machen, daß er heute hier überflüssig ist?" fragte Mr. Rivers ruhig. „Ausgeschlossen, Papa, das wäre eine Sisiphusarbeit, so etwas begreift er nie", erwiderte Reßdorf. „Sein das der Herr mit eine Gesicht wie ein — Frosch — der gesessen hat mit Herrn Limbach im Hotel in Berlin?' „Ja, Ethel — Du hast damals gleich Dein Herz an ihn verloren", neckt« Reßdorf. „O, ich verliere meine Herz nicht so leicht, aber gewissen niemals an diese Herr v. Diesterseld." Kurt und Marianne sahen sich unbehaglich an. „Wir können ihn doch nicht abweisen lassen, er muß ja bemerkt haben, daß Gäste hier sind", sagte Marianne. „Ach, so soll er nur hereinkommen. Wir wollen ihn nur humoristisch nehmen und uns die Stimmung nicht von ihm trüben lassen", entschied schließlich Reßdorf. Und Diesterfeld wuchtete herein, von dem ganzen Zau ber seiner unwiderstehlichen Persönlichkeit umflossen. „Gesegnete Mahlzeit, meine Herrschaften, ich bitte sehr, sich nicht stören zu lassen. Hatte ja keine Ahnung, daß ich hier jewissermaßen jroße Gesellschaft finde. Wollte nur zu einem kleinen jemütlichen Plausch hcriibcrkommen und finde nun hier janz reizende Festivität. Ja, ja — sag' es immer, Glück muß 'n junger Mensch haben. Na — auf dem Lande ist man ja sans «Lne in dieser Beziehung", piepste er mit jovialer Miene. Und dann begrüßte er die einzelnen Personen. Als er vor Ethel Rivers stand, verneigte er sich tief, und ehe ihm noch Reßdorf ihre Namen nennen konnte, sagte er, seinen großen Mund süßlich zusammenziehend und Ethel mit einem verzückten Blick anstarrend: „Ach — habe die Ehre und das Vergnügen, Frau von Reßdorf kennen zu lernen. Bin äußerst entzückt, auf Ehre." Und sich an Reßdorf lvendend, fuhr er fort, diesem jo vial auf die Schulter klopfend: „Na. Sie kleiner Schäker, haben unS ja nett düpiert. Hehehel Schießt Rchbock auf eigenem Grund und Boden, und spielt sich als Wilddieb auf. Famoser Spaß! Und ha ben un- neidisch reizend Frau Jemahlin vorenthalten." (Schluß folgt.)