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C. TOD UND BEGRABNIS. 38. Die an Tod und Begrabnis gekniipften Brauche haben vor allem den Zweck, einerseits dem Toten den Ubergang ins Jenseits zu erleichtern und ihn vor schadlichen Einwirkungen zu bewahren, anderseits sollen aber auch die Hinterbliebenen vor dem Hingeschiedenen geschiitzt werden. Pietat und Angst sind demnach die Hauptquellen der hierher gehorigen Brauche. Einen breiten Raum nehmen auch Trennungs- und Reinigungsriten ein, denn der Tod ist dem Christen blofi ein Ubergang von diesem Leben zu einem andern, und der Tote und alle mit ihm in Beriihrung gekommenen Menschen und Dinge gelten als unrein und miissen einer Lustration unterzogen werden. Wir betrachten zuerst die Vorzeichen des Todes 39. Einen nahen Todesfall kundigt nach dem Volksglauben das Verhalten gewisser Tiere an. Wenn der Hund in der Nacht unaufhorlich heult, so deutet das auf schwere Krankheit und Tod im Hause 1 . Heult der Hund, indem er den Kopf zur Erde senkt, so stirbt jemand im Hause 2 . Dieser iiber ganz Europa verbreitete Aberglaube erklart sich daraus, daB man dem Hund die Fahigkeit zuschreibt, Geister zu sehen, also auch den sich dem Hause nahernden Tod. Zahlreiche Parallelen zu diesem Glauben bringt A. Fischer 3 , der mit Recht auf die wichtige Rolle hinweist, die der Hund als Seelenfiihrer und Seelenwachter bei den alten Indern, Persern, Griechen, Agyptern usw. spielt. Auch das Pferd kann Geister sehen, daher der sorbische Glaube, dafi es in jenem Hause bald einen Toten geben wird, an dem ein Pferd nicht vorbei will 4 . In Polen, Litauen und Weifirufiland zeigt beharrliches Scharren des Pferdes baldigen Tod eines Hausbewohners an 5 . Dafi die alten Slawen dem Rofi divinatorische Krafte zuschrieben, ersehen wir daraus, dafi man im Heiligtum des Gottes Swantewit auf Riigen mit dem ihm geweihten heiligen Schimmel vor allen wichtigen Unternehmungen Orakel anstellte 6 . Vereinzelt ist der Glaube, dafi dem in der Familie ein Todesfall bevor- steht, der ein Kalb bcgegnet 7 . Wenn der Maulwurf an der Tiirschwelle oder unter dem Fenster grabt, wird jemand im Hause sterben 8 . Dieser Aberglaube hat zahlreiche Parallelen bei Deutschen und Slawen 9 . Erklaren lafit er sich daraus, dafi der Maul- 1 Schmaler, Volksl. II, 260; Veckenstedt 449. — 2 Miiller, W. V. 154: Strdbitz (Strobice), GroB-Lieskow, Klein-Lieskow (Liškow). — 3 Zwyczaje pogrzebowe ludu polskiego, 9—17. — 4 Veckenstedt 449, P. 16. — 6 Fischer, 19. — 8 Niederle, ZSS. 2 II, 1, S. 137. — 7 Veckenstedt 449, P. 15. — 8 Miiller, W. V. 153: GroB-Lieskow. — 9 Fischer 20—22; Wuttke, DV. 201; Andree, Braunschweiger Volksk. 314; Schneeweis, GrundriB 117.