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Hochzeit - Die Trauung 35 Auch vor dem Neid und der Boswilligkeit der Menschen mufi das Braut- paar geschiitzt werden. Deshalb werden in den Abschiedsreden nicht blofi die Angehdrigen, sondern auch alle Verwandten und Dorfgenossen um Ver- zeihung gebeten, jeder Dorfbewohner wird mit einem Kuchen beteilt, jeder den Hochzeitszug Begegnende mufi auf das Wohl des Brautpaares trinken. Tn manchen Ddrfern der Niederlausitz (bezeugt aus Dissen [Dešno] und Tauer [Turej]) steht vor jeder Tiir, an der der Zug auf der Riickkehr von der Trauung voriiberkommt, ein Sessel mit einem Teller, jeder Hochzeitsgast mufi etwas spenden 1 . 22. An die Abholung der Braut und die Kirchfahrt ist eine Reihe von Orakelformen und Zauberhandlungen gekniipft, von denen die wich- tigsten hier angefiihrt seien: Wer von den Brautleuten am Hochzeitstage zu- erst erwacht, wird in der Ehe herrschen 2 . Bei der Ausfahrt aus dem Hof darf der Wagen der Braut nicht hangen bleiben, das ware ein schlechtes Omen 3 , auch darf man wahrend der Fahrt nicht halten. Als schlechtes Vor- zeichen gilt es in der Niederlausitz, wenn vor dem Hochzeitszug eine ver- heiratete Frau quer iiber den Weg geht (das deutet auf Zwist in der Ehe), wenn ein Hase von rechts nach links den Weg kreuzt (noch wahrend der Hochzeit wird ein Ungliick passieren), wenn sich im Hochzeitszug ein weifies Pferd befindet (es kiindet Tod) 4 . Dafi eine Frau im Angang Ungliick bringt, ist eine weitverbreitete An- schauung, die besonders in den Weihnachts- und Neujahrsbrauchen vieler Vdlker (erste Begegnung im neuen Jahr!) zum Ausdruck kommt. Zwei Hochzeitsziige diirfen einander nicht begegnen. Dasselbe Verbot gilt fiir Taufziige. — Bei der Erklarung dieses Verbots ist meiner Meinung nach von dem Verbot des Umsehens auszugehen: Hochzeits- und Taufziigen drangen nach primitivem Glauben neidische Damonen nach, deren Anblick schadlich wirkt. Die Anschauung, dafi ein weifies Pferd Tod kiinde, wurzelt meiner Mei- nung nach in der alten Trauerfarbe, die bei den Slaven nicht das Schwarz, sondern das WeiB war. Noch heute tragen die sorbischen Frauen in der Gegend von Schleife lange weifie Trauermantel, eine Sitte, die friiher einen grofieren Geltungsbereich hatte (Naheres dariiber weiter unten im Kapitel iiber die Totenbrauche). — So erklart es sich auch, dafi das sorbische Mad- chen zu sterben fiirchtet, wenn sie getraumt hat, dafi sie in einem weifien Kleid getraut worden sei 6 . Die Trauung, wĕrowanje 23. Ist der Hochzeitszug, sei es auf Wagen oder zu Fufi, vor der Kirche angekommen, dann treten die den Zug eroffnenden Musikanten bei Seite und bleiben hier bis zum Abschlufi der Trauung stehen. 1 Parallelen fiir die Beschenkung aller Begegnenden bei Sartori, SB. I, 85. — 2 Schmaler, Volksl. II, 257. — 3 Cerny, Svatba 42. — ’ Schwela in Veckenstedts Zs. f. V. III, 434. — 6 Veckenstedt, 447. 3"