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Pflege des Kindes 6. Nach Handrik 1 wird in Schleife (Slepo) nach dem Tode der Wochnerin eine andere Frau bestellt, die das Kind stillen und pflegen muB. Es wird dort erzahlt, daB der Geist einer verstorbenen Wochnerin unter groBem Ge- tose erschien und ihr Kind trocken legte, da es die Pflegemutter vernach- lassigte. Auch nach Abschlufi des sechswochentlichen Wochenbetts muB das Kind sorgfaltig vor allerlei bdsen Einflussen bewahrt werden. Gegen den bosen Blick sollen es rote Korallenhalsbander schiitzen, der um den Hals gehangte Patentaler, Spiegel an der Miitze, u. a. Um die Wirkung des bdsen Blicks (nadostalo se mu) auf das Kind zu beseitigen, soll die Mutter auf den inneren Rocksaum spucken und dreimal die Stirn des Kindes streichen 2 oder sie soll dreimal die Stirn des Kindes ablecken und dann ausspucken (Konigswartha = Rakecy). Manche Miitter baden das Kind in einer Abkochung von str6žaive zelo, Schreckkraut, cirsium oleraceum, die sie dann unter einen Holunderbaum schiitten 3 . Als Abwehrmittel gegen den bdsen Blick bindet man dem Kind rote Bander um den Arm 4 , ein Mittel, das weit iiber Europa hinaus ver- breitet ist. Die Windeln soll man nicht in den Wind hangen, sonst wird das Kind spater in der Welt herumfliegen s . Im Laufe des ersten Jahres sollen Kinder nicht angeregnet werden, sonst bekommen sie Sommersprossen 8 . Das Stillen der Kinder dauert mindestens ein Jahr, oft zwei Jahre oder noch langer. Manche Miitter glauben dadurch die Pause bis zum nachsten Kind verlangern zu konnen. Dieser Glaube ist in Europa weit verbreitet. Ein beliebter Termin fiir die Entwdhnung ist der Tag des heiligen Johann von Nepomuk (Zunge!) 7 . Nach Schmaler 8 stellt man an dem Tage, an dem das Kind entwdhnt wird, Orakel beziiglich seiner Zukunft an, indern man ein Buch, etwas Brot oder Semmel oder eine Miinze vor dasselbe hinlegt. Nimmt es das Geldstiick, dann wird es zu groBem Reichtum gelangen, greift es nach dem Brot, so wird es niemals Nahrungssorgen haben, langt es nach dem Buch, so wird es klug und gelehrt werden. Friiher war es vielfach Sitte, das Kind zum letzten Mal auf einem Grenz- stein zu stillen, und zwar bei abnehmendem Mond 9 . Sehr verbreitet ist das Verbot, Kinder im Winter zu entwohnen, solange Schnee liegt 10 . Unter einem Jahr soll man den Kindern nicht die Haare schneiden, sonst haben sie spater, so heiBt es um Schleife (Slepo), vor Gericht Pech. In der 1 CMS. 54 (1901), 112. — ’ Hebamme Habrink, Schleife, m. — 3 Łužica X (1891), 6. — * Łužičan IV (1863), 88. — 5 6 Schleife, m. — 8 Schulenburg, Wend. Volkstum 109: Schleife; Muller, Wendentum 138: Strobitz (Strobice). — 7 Kirchendiener Funke aus Schopsdorf (šepšecy), m. — 8 Volkslieder II, 259. — " Hebamme Frenzel, Crostwitz (Crćsćicy), m. — 10 Schulenburg in der Landeskunde der Provinz Brandenburg II, 252.