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ausgestorben aufgezeichnet: Der Schafer hatte beim ersten Austrieb ein ge- kochtes Ei in der Tasche, mufite damit die ganze Herde dreimal umkollern und es zum Schlufi aufessen. — Die Deutung ist klar: Der magische Kreis soll das Vieh vor schadlichen Einwirkungen bewahren, und das Ei ist ein gelaufiges Fruchtbarkeitssymbol. Dafi auch der Wunsch mitspielt, die Schafe mogen so rund und glatt werden wie das Ei, darauf weisen slawische Paral- lelen hin. Nach Zelenin 1 legen die Weifirussen vor dem ersten Austrieb auf die Schwelle des Stalles einen Pelz mit dem Fell nach oben, darauf ein Stiick Brot und ein Ei. Dafi das Springen der sorbischen Kinder iiber Galgen aus Weidenruten ein alter zum Kinderspiel herabgesunkener Hirtenbrauch ist, habe ich oben P. 105 gezeigt. In diesem Zusammenhang sei hier erwahnt, dafi derjenige, der das erste Futter maht, nach der Heimkehr mit Milch besprengt wird (Schopsdorf). Es ist ein Analogiezauber, der Milchreichtum gewahrleisten soll. Vergleiche hierzu das Besprengen des Pfliigers (Regenzauber). 130. Wenn man im Friihling zum erstenmal Zugtiere einspannt, naht man gegen den bosen Blick rote Fadenkreuzlein auf Kummet (Joch) und Gurten 2 . Wenn man einem jungen Ochsen zum erstenmal das Joch auflegt, soll man sich vorher Handschuhe anziehen, dann wird der Nacken des Tieres hart’. Viele Brauche (besonders Abwehrbrauche) sind an Milch und Butter gekniipft: Alt und sehr verbreitet ist das Verbot, nach Sonnenuntergang Milch aus dem Hause zu geben. Wenn man es schon tut, mufi man etwas Salz hineingeben 4 . Dafi man die erste Milch einer Kuh nach dem Kalbe iiberhaupt nicht weggeben darf, wurde bereits (P. 128) erwahnt. Damit die Kiihe viel Milch geben, soll man die Milchtopfe mit Dorant und Taubnessel ausbriihen und den Kiihen Dienstag und Freitag vor Sonnenuntergang etwas „Nutzpulver“ eingeben 6 . Auch Ausbriihen der Topfe mit Teufelszwirn, cartowy cwern (Cuscuta), gepfliickt am Johannistag, ist gut 6 . Damit die Butter rasch gerat, soll man den Stiel aus Kreuzholz machen (Abwehrkraft des Kreuzes) 7 . Manche sprechen Zauberspriiche, wenn die Butter nicht werden will, z. B. „Christus Blut ward fest, als man ihn stach ins Herz“ 8 . Manche werfen, wenn die Butter nicht werden will, Eisen oder Stahl ins Fafi 9 . Andere tragen das Butterfafi auf einen Kreuzweg und umtanzen es dreimal 10 . Wenn eineStute trachtig ist, soll man ihr den Schwanz nicht abschneiden, bis sie gefohlt hat, sonst bringt es Ungliick 11 . Das Verbot wurzelt wohl in 1 Russ. Volksk. 59. — 2 Handrik 123: Schleife (Slepo). — 3 ib. 123. — 1 Schmaler, Volksl. II, 260; Muller 160; Paiallelen bei Sartori, SB. II, 144. — 5 Schulenburg, W. V., S. 268. — 6 Schulenburg, W. V., 115. — 7 Veckenstedt 474. — 8 ib. 476. Parallelen bei Sartori, SB. II, 145, wo Lit. — 8 Schulenburg, W. V., 115: Schleife (Slepo). — 10 Miiller 169: GroB-LieBkOw (Liškow). — 11 Schulenburg. W. V., S. 257.