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166 Feste und Volksbrauche der Sorben orare potenter et operare ratio tua sit, »Viel beten und kraftig arbeiten, sei deine Lebensweise«. Andere (wie Fritsch) rekonstruieren: Satan, oro te pro arte, a te spero, »Satan, ich bitte dich bei deiner Kunst, meine Hoffnung steht bei dir«. Die richtige Losung bringt F. Grosser im Arch. f. Rel. W. 24 (1926), i6sff.: Aus den 25 Buchstaben lassen sich die Anfangsworte des Vaterunsers, PATER NOSTER, zweimal mit N als Mittelpunkt zusammen- stellen. Es ergibt sich ein Kreuz, an dessen Spitzen sich die restlichen zwei A — O (Sinnbilder der Unendlichkeit und Ewigkeit) ansetzen lassen. Zu Simon und Judas (28. Oktober) Hebt die Peitschen auf, Schneidet Stocke, Suchet die Schuhe! 129. Bemerkenswerte Abwehrbrauche waren mit dem friiher iiblichen ersten Austrieb des Viehs verbunden. Die Kiihe des ganzen Dorfes wur- den von den Hutejungen, kniwarjo, gewdhnlich nach dem Michaelstag zu gemeinsamer Weide auf die abgeernteten Felder und Wiesen getrieben. Die Peitschen waren mit roten Biindern geschmiickt, Bander von gleicher (ab- wehrkraftiger) Farbe band man den Tieren an den Schwanz und streute ihnen Salz hinter die Ohren. — Salz ist wegen des scharfen Geschmacks und des geheimnisvollen Verschwindens im Wasser seit der Antike ein ge- laufiges Abwehrmittel, ebenso die rote Farbe als Ersatz des Blutes. Das Vieh wurde taglich ausgetrieben bis Ende Oktober, daher das SchluB- lied der Hirtenjungen: Symana, Judy Khowajće křudy Rĕzajca kije, Pytajće črije! In Blunjo sang man: Symana Judy Chowajte śćudy A pytajte rukajce Zu Simon und Judas Hebt die Peitschen auf Und suchet die Handschuhe! (Nyčka in der Lužica 1896, S. 3; zitiert nach Pata in der Slavia XIII, 213.) Der sorbische Dichter H. Zejleř hat das Motiv zu einem prachtigen Kunst- lied verarbeitet. An dem letzten Weidetag ging es besonders lustig zu. An dem Hirten- feuer verzehrten sie die von den Hauswirten eingesammelten Gaben, tanzten und sangen’. In der wiesenreichen Gegend von Bluno trieben sie friiher das Vieh von Woparga an taglich auf die Weide. Bis 24. August (do Rarfmjenja, Bar- tromja) trieb man es wegen der Hitze zu Mittag heim, spiiter blieb es bis Ende Oktober den ganzen Tag drauBen 2 . Einen mit dem ersten Austrieb der jungen Lammer (friiher nach Wal- ourgis) zusammenhangenden Brauch hat Schulenburg 3 als fiir seine Zeit * Kral, Bjesada wo kruwarjach: Łužica 18 (1899), sff.; H. Dučman, Kruwarjo: Luźica 33 (1914), 3—4; iiber das ehemalige Hirtenleben in der Niederlausitz siehe Miiller 112 ff. — ’ Schilderungen des dortigen Hirtenlebens in der Luźica 14 (1895), 75, ib. 15, S. 38. — ’ W. V. 144, Berlin 1882.