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dies im sudlichen Baden der Fall ist’. Im ehemaligen Schlesien wurde die Schwere des Erntesegens dadurch ausgedriickt, daB man beim Erntefest den Hahn auf einem vier- bis sechsspannigen leeren Leiterwagen auf das Feld hinausfuhr, ihn unter Gebarden, als habe man eine schwere Last, herunterhob und dann tdtete 1 2 . Im sorbischen Erntefestbrauch begegnet auch das oben P. 108 besprochene Ringreiten (Spreewitz = Sprjejcy: auch die Sorben nennen es so), bei dem der Reiter von einern Reifen verschiedene Sachen abreiBen mufi, und das ganz ahnliche aber altere Kranzreiten (Jenschwalde = Janšojce), bei dem jener Konig wird, dem es gelingt, im Reiten einen aufgehangten Kranz herabzu- stechen. 127. Die Vorstellung, daB sich der alte Yegetationsgeist in die letzte Garbe zuriickzieht, spricht auch aus dem weitverbreiteten Namen dieser Garbe: sie heiBt oft der Alte (die Alte) 3 . Die Ukrainer nennen das Weih- nachtsstroh, das nach dem Feste verbrannt wird, did, diduch. »GroBvater« 4 * . Nach meinen eigenen Erhebungen heiBt bei den Karpatorussen die letzte Garbe, die zu Weihnachten auf dem Festtisch liegt, did. Nach Haupt 6 herrschte fruher auch in manchen Gegenden der Nieder- lausitz die Sitte, die letzte Garbe, den Alten, aufzuputzen und aufrecht hin- zustellen, daB sie aussah wie ein Mann. Die Magde trugen ihn in feierlichem Aufzug zum Hofe, wobei sie sangen: „Jetzt bringen wir den Alten.“ Nach Schulenburg 6 sagt man in der Niederlausitz von dem, der die letzte Garbe gebunden oder die letzte Staude Kartoffeln herausgenommen hat, er (sie) hat den Alten. Bis heute hat sich bei den Sorben dieser Ausdruck auch im Drescher- brauch erhalten. Wer beim Ausdreschen den letzten Schlag tut, von dem heifit es, w6n je stareho bil, »er hat den Alten geschlagen«. Man verfertigt dann eine Strohpuppe, den stary, die muB der letzte Drescher einem Nachbarn, der noch nicht ausgedroschen hat, heimlich iiber den Zaun oder in die Scheune werfen, dann schleunigst davonlaufen, denn, wird er eingeholt, bekommt er Hiebe und wird schwarz gemacht. So wandert der stary durch das Dorf, zu- letzt wird er ins Wasser geworfen und ertrankt. Wie mir Herr Dobrucky im August 1951 mitgeteilt hat, wird der stary heutzutage dem Bauern zuge- worfen, der sein Ablieferungssoll nicht rechtzeitig erfiillt hat. Alte sorbische Kalender haben beim Monat Februar, in dem das Dreschen beendet sein soll, gewohnlich die Bauerregel: Hońće stareho!, »Vertreibt den Alten!« 7 Die Sitte, den alten Wachstumsgeist in Gestalt eines Strohbiindels oder einer Puppe nach dem letzten Drischelschlag auf die Tenne des Nachbars 1 Fehrle, D. F. V. 78: Bild. — ’ Drechsler II, 72. — 3 Sartori, SB. II, 86; HDA. s. v. Ernte; Drechsler II, 66: die Ale, der Ultemann, Grulamutter; Schulenburg, W. V., 146: Pommern, Mark Brandenburg: der Olle: so heiBt die aus Stroh verfertigte Puppe, die derjenige, der die lctzte Garbe gebunden hat, heimtragen muB; Bystroń, ZŽ. 55: die Polen nennen die aus der letzten Garbe geformte Puppe stary, deiad oder baba. — • Zelenin, R. V. 375; Globus 76, S. 275. — • Sagenbuch II, 233. — * W. V. 146. — 7 P. Nedo im Serbski Student, XI (Bautzen 1930), Nr. 10.