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Betritt ein Fremder das Feld, auf dem Schnitter und Schnitterinnen arbeiten, dann bindet ihm ein Madchen ein Strohband um den rechten Arm und spricht: „Ich habe vernommen, daB ein junger Herr ist gekommen. Ich werde ihn binden mit lieblichen Sachen, erst keine groBen Komplimente machen, ich werde ihn binden nicht zu locker und zu fest, er mdge sich losen aufs allerbest.“ (Bagenz = Bageńc.) Der Fremde mufi sich mit einem Geldstiick ausldsen 1 . Dieses Binden ist weitverbreitet 2 , es begegnet auch in den Spinnstuben’ und beim Hausbau 4 . Die Deutung Mannhardts, der in dem Fremden den entweichenden Erntegeist sieht, der gefesselt und getdtet werden soll, ist nicht iiberzeugend. Sartori stellt den Brauch in eine Reihe mit dem „Verziehen“ bei der Hochzeit und bei Taufgiingen und deutet ihn als Abwehrzauber. Mei- ner Meinung nach kann auch ein urspriinglicher Griinzauber vorliegen, der von Erntebrauchen auf Spinnstuben und Hausbau iibertragen worden ist. Wie der Schlag mit der Lebensrute dem Geschlagenen Lebenskraft vermittelt (deshalb mufi er dafiir etwas schenken!), so spielt auch das Binden der Arme und Schultern mit griinen Stricken eine grofie Rolle im Heilszauber 8 ). Beim Beginn der Erntearbeit binden sich die Schnitter in der Oberpfalz einen Giirtel aus drei Halmen um, damit sie keine Riickenschmerzen bekommen 8 , anderswo ist man beim Feuersprung mit BeifuB gegiirtet (siehe oben P. iio). Die Serben legen am Georgstag Giirtel aus griinen Weidenzweigen an, das ukrainische Brautpaar wird mit Hopfen umwunden usw. Wenn man also einen Voriibergehenden mit griinen Halmen bindet (Strohband, Wocken- band, Senkelschnur sind sekundare Bindemittel), erweist man ihm eine Wohl- tat — das Binden besorgt ein junges Madchen — und dafiir muB er sich er- kenntlich zeigen 7 . Das Einbringen der letzten Garbe ist heute nicht mehr so feierlich wie friiher. Nach Schmaler 8 wurde sie mit Feldblumen geschmiickt, auf die letzte Fuhre gestellt, dann gings in feierlichem Zuge unter Absingen von Liedern auf den herrschaftlichen Hof. Voran schritten die Miidchen und Frauen, von denen eine den mit dem Rechen emporgehaltenen Erntekranz trug, die anderen trugen Blumenstraufie. Ihnen folgten mit geschulterten Rechen die Schnitter. Auf dem Hofe angekommen, iiberreichten sie den Kranz und wurden dafiir gut bewirtet. Den anschlieBenden Tanz eroffnete der Gutsherr mit der Vor- schnitterin und der Vormaher mit der gnadigen Frau. Nach einiger Zeit 1 Miiller 166. — 1 HDA. s. v. binden; Bystroń, Z2. 220ff.; Sartori, SB. III, 77, viel Lit., II, 114: bei der Flachsernte. — 3 Miiller 166. — * Sartori, SB. II, 5. — 5 * Zibrt, Staročeskĕ vyročni obyčeje 248, Prag, 1889. — 8 Mannhardt, WFK. ’, I, 487. — ’ Uber Binden ini serb. Weihnachtsbrauch s. Schneeweis, Weihn. Skr. 13 101. — 8 Volksl. II, 221.