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um so grdBer ist sein Lohn. Zum SchluB folgt Tanz um den Baum und in der Schenke 1 . Seiner Bedeutung nach gehdrt der Maibaum bzw. die Maienzweige in dieselbe Reihe wie der Weihnachtsbaum, der Christklotz, der Erntemai, die Palmzweige, die nach dem Todaustragen zuriickgebrachten Reiser, die rbmische strena, die griech. Eiresione usw. Sie alle sind Yerkbrperungen des Wachstumsgeistes, welcher Fruchtbarkeit, Gesundheit und Segen in Haus und Dorf bringt und welcher Krankheit, Tod und MiBwachs fernhalt. Sowie die ins Haus gebrachten griinen Zweige Lebensruten des einzelnen Menschen oder Hauses sind, so ist der groBe, mitten im Ort aufgestellte und angstlich bewachte Maibaum der Lebensbaum der Gesamtheit, des ganzen Dorfes. Die Sitte ist uralt, wenn auch die altesten Belege erst aus dem 13. Jahr- hundert stammen (Deutschland, England, Frankreich) und ist in landschaft- licher und jahreszeitlicher Abwandlung (oft Zweige an Stelle von Baumen) iiber ganz Europa verbreitet 2 . Die Idee des Schutzbaumes tritt besonders deutlich bei einer Abart des Maibaums, dem Kreuz- oder Hahnbaum bei den Elbwenden (nbrdlich von Salzwedel) des 17. Jahrhunderts hervor, iiber den wir durch den Visitationsbericht des herzoglich zellischen Obersuperinten- denten D. Hildebrand vom Jahre 1672 3 gut unterrichtet sind: Jahrlich zu Maria Himmelfahrt (15. August) wurde im Walde eine mehr als zwanzig Ellen hohe Eiche gefallt, wobei jeder Hauswirt einen Hieb tun muBte, dann wurde sie auf einem mit Ochsen bespannten Wagen, mit den Rocken der Hauswirte bedeckt, ins Dorf gefahren, behauen und aufgestellt. Den Wipfel zierte ein Kranz mit einem Hahn. Um den Baum wurde getanzt, auch das Vieh pflegte man an einem bestimmten Tag um ihn zu treiben. Jede junge Frau, die ins Dorf einheiratete, umtanzte den Baum und steckte etwas Geld hinein. Heilkraft ging von ihm aus, deshalb rieben sich Kranke an ihm und beschenkten ihn mit Geld. Der Baum, der nach dem Glauben der dortigen Bewohner Sitz eines Genius war, blieb ein Jahr lang stehen, aufier daB er schon friiher von selbst umfiel. Bezuglich des oben erwahnten sorbischen Brauchs, zu Johanni auf die Stange zu klettern, um den Hut herunterzuholen, ware zu sagen, daB er schon eine freiere Form des Maibaums ist, wie sie auch bei Kirchweihen, Schiitzen- festen usw. begegnet. Der Hut ist nach Mannhardt das Rechtssymbol des Maikdnigtums 4 . — Das Schalen der Rinde soll wohl verhindern, daB sich etwas Schadliches darunter festsetze. Manche sehen darin ein Phallus- zeichen 6 . Die sorbische Sitte des Maikdnigspaars kehrt in verschiedenen Va- 1 Miiller 163; deutsche Parallelen bei Sartori, SB. III, 230; NiederL Mitt. I (1889), 472. — 2 Mannhardt, W. F. K. I, 160ff., wo reiche Parallelen und Literatur; Sartori, SB. III, 173 ff.; Mdchal, Nakres 195; Nilsson, Die volkstiimlichen Feste des Jahres, 4 ff. — ’ Ed. von J. G. KeyBler in dessen „Neuesten Reisen - ', Bd. II, 1377 ff„ zit. nach Mannhardt, WFK. I, 173 ff. — * Mannhardt, WFK. I, 392. — 5 Sartori, SB. III, 174.