Volltext Seite (XML)
Fruhling - Der erste Mai 137 meist aber bis Pfingsten stehen bleibt. In der Heide und in der Niederlausitz wird er zu Pfingsten aufgestellt und zu Johanni gefallt, doch heute auch schon an einem vorhergehenden Sonntag, je nachdem die Musikanten zu haben sind. Als Maibaum wird eine gut gewachsene Kiefer, Tanne oder Fichte von den Burschen in der Nacht geholt — womoglich gestohlen, bis auf die Krone abgeastet und geschalt, dann womoglich noch vor Sonnenaufgang aufgestellt und gut bewacht. Ein an dem Wipfel befestigtes Holzkreuz ist mit einem StrauB oder Kranz, mit bunten Tuchern und Schleifen, der Stamm mit Guir- landen geschmiickt. Diesen Schmuck haben die Miidchen beigestellt. In der Niederlausitz bindet man an das obere Ende eine Birke und an ein Querholz darunter zwei Kranze und Fahnchen 1 . In der friiheren preuBischen Ober- lausitz wird an dem Kieferstamm ein Fichtenbaumchen befestigt 2 . Am Tage des Maibaumfallens wird im Rahmen eines Festes unter dem Baume getanzt, dann wird er durch Umsagen oder Abgraben des Bodens zum Fallen gebracht. Wer nach dem Niederfallen den Wipfel gewinnt — heute meist schon auf dem Wege der Versteigerung — wird Maikonig. Er wird feierlich in die Schenke getragerr, wo er mit der von ihm erwiihlten Mai- konigin den Vortanz halt. Der Kranz vom Maibaum wird im Tanzsaal auf- gehangt. Nicht nur das Kreuz auf dem Wipfel bedeutet eine Verchristlichung des heidnischen Brauches, sondern auch die Sitte, zu Pfingsten in den Kirchen Maien aufzustellen 3 . Hortzschansky 4 berichtet, daB die Leute von diesen Maien Reiser abbrachen und als gluckbringend nach Hause trugen, auch die Kinder damit schlugen (Schlag mit der Lebensrutel). Wie zu Walpurgi werden auch zu Pfingsten griine Zweige (Birkenreiser) an Zaune, Tore, Tiiren und Fenster gesteckt. Zu den Maibaumbrauchen gehort auch das schon zu Abr. Frenzels Zeit als Volksbelustigung der Sorben beliebte „S t e i gen aufeine Stange“: „Dieses wird gleichfalls um Johannis des Taufers Fest, an den also genannten Lobe- tanzen vorgenommen, damit auch dadurch die Jugend zur Feld- und Ernte- arbeit bessere Lust gewinne. Die Stange ist sehr hoch, stark und glatt, ge- schalet, wird unweit der Schenken auf der Aue aufgerichtet; oben stehet ein Hut oder anderes; welcher daran bis oben hinauf klettern oder rutschen kann, nimmt solchen als einen Gewinst weg. Ihrer viele aber fallen in Zeiten herunter“ 5 . In dieselbe Reihe gehdrt der von der Alt- und Mittelmark in die Nieder- lausitz eingedrungene Rosenbaum, eine hohe, bei den Sorben mit einer Fahne verzierte Stange, an welcher in verschiedener Hohe Rosenkranze mit Tiichern, Wiirsten, Semmeln usw. befestigt sind. Je hoher einer klettern kann, 1 Tetzner, Slawen 333: Papitz (Popojce); Miiller 162. — 2 Jenke in der Oberlaus. Heimatzeitung, Jg. 1923, Nr. 69. — 3 Historia, S. 99. — ’ Op. cit. 257. — 5 Abr. Frenzel, Historia, Hs., S. 166.