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neun Grenzen Gras holen und taglich den Kiihen etwas davon geben, dann wird das Vieh gedeihen und viel Milch geben 1 . Um Ungeziefer los zu werden, soll man das Kehricht aus dem ganzen Hause zusammenfegen und iiber die Grenze tragen. Wer dieses Kehricht einern Nachbar auf die Tiirschwelle schiittet, iibertragt damit das Unge- ziefer auf dessen Haus 2 . Einen ahnlichen Bosheitszauber iiben die Serben zu Weihnachten 3 . Um Ratten und Mause aus dem Stalle zu vertreiben, soll man in der Walpurgisnacht geschopftes Wasser in die vier Ecken giefien 4 * . Wer den auf das eigene Vieh ausgeiibten Schadenzauber auf fremdes iibertragen will, der stelle um Mitternacht ein Topfchen mit Haaren vom Vieh, Krautern, Scherben usw. auf den Kreuzweg. Wer zuerst auf diese Dinge tritt, dessen Vieh wird krank 6 . Ein Zauber ist auch der alte sorbische Brauch, der darin besteht, daB sich die Kinder am Walpurgistag kleine Galgen von Weidenruten aufstellen und dariiber springen 6 . Wer, ohne anzustoBen, dariiber springt, hat groBes Gliick zu erwarten, auch werden die Kiihe viel Milch geben. — Diese Bemerkung weist darauf hin, dafi es sich um einen alten Brauch der Hirtenjungen handelt (am ersten Mai findet der erste Austrieb statt): In Armlingen bei Braun- schweig mufiten die Hirten, wenn sie wieder gemietet wurden, iiber ihren Stock springen 7 . DaB es sich hierbei um einen Analogiezauber handelt — wie gut der Hirt springt, so gut soll das Vieh iiber die Weide springen — beweisen folgende russische Hirtenbrauche: „Im Gouvernement Smolensk springen die Frauen (am Georgstag, dem Tag des ersten Austriebs), nachdem sie das Vieh aufs Feld hinausgetrieben haben, iiber Ruten, mit denen sie das Vieh ausgetrieben haben, damit das Vieh immer so springe, d. h. immer gesund und munter sei. Die nordgrofirussischen Madchen des Kreises Luga springen auch iiber Weidenruten, mit denen sie das Vieh angetrieben und die sie darauf in die Erde stecken, damit das Vieh gesund bleibe“’. Bei den Sorben ist dieser alte in primitivem Analogieglauben wurzelnde Hirtenbrauch, der Gesundheit und Gedeihen des Viehs zum Ziele hat, schon seit langem zum Kinderspiel herabgesunken. Hiermit ergibt sich von selbst, daB die Deutung Karl Haupts 9 , der an Runen aus Weidenstabchen denkt und der das Springen der Kinder in eine Reihe mit dem Brautsprung stellt, falsch ist. 106. In der Walpurgisnacht wird in der sachsischen Obcrlausitz nach altem Brauch der Maibaum, meja, f., majštanga (aus d. meie, dieses aus lat. Majus, Monat Mai, benannt nach dem Gott Maius »Gott des Wachstums*, etymologisch zu major »gr6Ber« 10 ) eingeholt, der bis Christi Himmelfahrt, 1 Schulenburg, W. V., S. 253. — 2 Veckenstedt 442. — 3 SEZb. 22, II, 93. — ’ Veckenstedt 442. — 0 Mullcr 162: GroB-Lieskow (Liškow), Saspow (Zaspy). — ” Hortzschanski 257: pschcs schibencu skakcź; Schmaler, Volksl. II, 224; Abraham Frenzel kennt dieses Springcn als Johannisbrauch: Historia, Hs., S. 101. — ’ Sartori, SB. III, 123. — 8 Zelenin, R. V., 59. — • Sagenbuch II, S. 70. — 10 Walde, Lat. Et. Wb. 455-