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1. GEBURT, HOCHZEIT UND TOD A. GEBURT UND TAUFE Mutterhof f en i. Gliick und Gedeihen des kiinftigen Erdenbiirgers hangen nach dem Volksglauben von dem Verhalten der Mutter wiihrend der Schwangerschaft ab. Eine Reihe von strengen Verboten wurzelt in diesem Glauben. Wahrend sie schwanger ist (wona z dźiesćom dźe, wona je w druhich umśtendach, Crostwitz, Chrosćicy), darf sie nicht naschen oder gar stehlen, sonst wird ihr Kind dasselbe tun. Sie soll keinen Fisch essen, sonst bleibt das Kind stumm (I. Slodeńk im Kat. Posol 1934, 20 ff.). Sie soll nicht zu viel verborgen, sonst wird es liederlich. Sie soll kein totes Kind anschauen, sonst stirbt das ihrige. Sie darf iiberhaupt keine Leichen sehen, das Kind hatte sonst zeitlebens eine blasse Gesichtsfarbe. Sie soll nicht iiber den Kreuzweg gehen', wohl deshalb, weil dort unreine Geister umgehen. Auch das Anblicken einer MiBgeburt kann dem werdenden Kinde schaden. Wenn sie Wasche aufhangt, soll sie nicht unter dem Strick hindurchgehen: die Nabelschnur konnte sich um den Hals des Kindes legen 2 . Wenn eine Schwangere Holz iiber den Knien entzweibricht, daB es knackt, so werden dem Kinde beim Gehen die Knbchel knacken 3 . Die Schwangere soll alles essen, worauf sie Appetit hat, sonst kann das Kind spater die betreffende Speise nicht essen. Deshalb darf man einer Schwangeren keine Speise verwehren, die sie verlangt, sonst bekommt das Kind ein Muttermal, os. znamje, znamjeśko, ns. zname, und zwar an dem Korperteil, den die Mutter nach der Verweigerung beriihrt hat. Dasselbe ist der Fall, wenn sie etwas stiehlt und sich anfafit. Dieser Glaube ist in ganz Europa weit verbreitet, viele Namen des Muttermals beruhen darauf: vgl. franz. envie, eigentlich Verlangen, ital. voglia »Verlangen«. Ein Muttermal bekommt das Kind auch, wenn die Mutter erschrickt und sich anfaBt: erschrickt sie vor einem Feuer, dann ist die Folge ein Feuermal. Erschrickt sie vor einer Maus, so hat das Kind ein haariges Muttermal. Er- 1 Ruhlandts Taschenbuch fiir die Oberlausitz, Gorlitz 1856, S. 104. — 2 Hoch- zeitsbitter Joh. Mietrach in Wuischke (Wuježk), O. L., m. — 3 Schulenburg, W. V. 108. 1 Feste und Yolksbrauche