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Winter - Zauberhandlungen 107 (Brei aus Weizen- oder Gerstenkornern mit Honig und Mohn) fiir die ganze Nacht stecken und erwarten dabei den Besuch der verstorbenen Verwandten, und die Weifirussen laden zum Essen der Weihnachtskutja die verstorbenen dedy, »GroBvater«, besonders ein. Auch die vier Niisse, welche die Serben am Weihnachtsabend kreuzweise in die Ecken werfen und die niemand auf- heben darf, sonst bekommt er Beulen, sind Opfer an die guten Hausgeister. In Schleife (Slepo) heifit es ferner, daB man beim Weihnachtsmahl nichts aufheben darf, was auf den Tisch abfallt oder verschiittet wird, sonst be- kommt man viele Schwaren 1 . Auch in Danemark darf, was am Julabend an Speisen und Getranken verschiittet wird, nicht vor Sonnenaufgang unter dem Tisch hervorgehoben werden 2 . Der Glaube, dafi Speisenabfalle den Seelen gehdren, ist bereits der Antike gelaufig und heute in ganz Europa verbreitet. In dem Kuchen, den man am Weihnachtsabend fiir das Christkind auf den Tisch legt 3 , sehe ich ebenfalls ein umgedeutetes Seelenopfer. Dafi auch die guten Geister in der Christnacht in Bewegung sind, ersieht man aus dem sorbischen Glauben, dafi man die Engel singen hdren kann, wenn man in dieser Nacht sein Ohr an einen Eichenstumpf legt 4 und dafi man um Mitternacht mit den Toten sprechen kann, wenn man sich auf das Grab setzt 5 . Zauberhandlungen 76. Auf keine Zeit des Jahres hat sich so viel Zauber- und Orakelwesen gehauft, wie auf die Weihnachtszeit, die heute an der Schwelle des neuen Jahres steht und friiher durch Jahrhunderte Jahresbeginn war. Durch verschiedene Betatigungen und Unterlassungen will man sich Gliick, Gesundheit und Fruchtbarkeit in Haus und Hof, in Garten und Feld sichern. Wenn wir die hierhergehdrigen magischen Handlungen in ein System bringen wollen, so ergeben sich je nach der psychologischen Grundlage folgende Gruppen: U'bertragungszauber. Nach primitivem Glauben ist es moglich, die einem belebten oder unbelebten Subjekt innewohnende Kraft oder Eigen- schaft auf ein belebtes oder unbelebtes Objekt zu iibertragen. Segenskraft wohnt allen Dingen inne, die mit dem Weihnachtsmahl (Opfermahl) zusam- menhangen. Deshalb schmiert man mit den Heringsresten die Krippen ein, damit das Vieh gut frifit und gedeiht 6 . Das Weihnachtsstroh bindet man um die Obstbaume, um sie fruchtbar zu machen. Die Christasche soll man aufheben und das Vieh damit bestreuen, wenn es Lause hat’. Gesundheit und Fruchtbarkeit der Haustiere bewirken die tierfigiirlichen Gebildbrote, die auf dem Weihnachtstisch (Opfertisch) gelegen haben. 1 Handrik 121. — 2 Sartori, SB. III, 29. — 3 Schulenburg, W. V. 131. — 4 Muller, 157- ~ s Veckenstedt 440. — 6 CMS. 54, S. 121. — 7 Schulenburg, W. V. 128.