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auf dem hereingetragenen Stroh ein Laib Brot liegt, daB in vielen Gegenden Osteuropas Stroh oder Heu die Unterlage fiir die Weihnachtsspeisen bildet, so haben wir ohne Zweifel Relikte eines alten indogermanischen Opferritus vor uns. Mit dieser Opferstreu haben sich Brauche mit der letzten Garbe ver- bunden, die meiner Meinung nach von einem Ernte- oder Druschfest her- stammen. In der letzten Garbe steckt konzentrierte Wachstumskraft, daher der Name „Alter“, sorbisch stary, ukr. diduch, schwed. julgubben. Als Opfer liegt sie auf dem Weihnachtstisch, oder sie steht in der Ecke oder steckt wie der schwedische uogelnek auf einer abgeasteten Tanne als Opfer fiir die V6gel (Seelen der Ahnen?). Ihre Korner werden dem Saatgut bei- gemischt, sie haben magische Kraft. Auch bei den Sorben laBt sich dieses Motiv noch feststellen: Wenn man sich in der Christnacht auf ungedroschenen Erbsen walzt und die ausgefallenen Erbsen unter die Saaterbsen mischt, so hat man eine reiche Erbsenernte zu erwarten 1 . Dieselbe Sitte ist aus der Rhdn bezeugt 2 . Dieses Walzen weist auf Brauche mit der letzten Garbe hin, denn vielfach ist es in Deutschland Sitte, dafi derjenige, der den letzten Drischelschlag macht, in Stroh eingebunden und auf der Tenne herumgerollt wird 3 . Er erscheint demnach als Vegetationsgeist in Menschengestalt, also auch als der „Alte“. Auch der Erbsenbar, der im Advent und besonders zu Fastnacht herumgefuhrt wird, ist nichts anderes als der Wachstumsgeist in Tiergestalt (vgl. Roggenwolf, Kornbock, HabergaiB, Erntehahn, Kater u. a.). 74. Auf dem sorbischen Weihnachtstisch erscheint — allerdings erst in neuerer Zeit — der grune Lichterbaum, der, wie sein volkstiimlicher Name krizbom sagt, von den Deutschen ubernommen worden ist (Schrift- sprache: os. Božeho džĕsćowy štom, ns. godowny bom'). Die in den Schulen unter dem Christbaum abgehaltenen Weihnachtsfeiern haben zu seiner Ver- breitung viel beigetragen. Wie O. Wićaz berichtet (Serbske Nowiny vom 10. Januar 1934) war der Christbaum um das Jahr 1880 im sorbischen Bauernhaus noch unbekannt. Auf dem Weihnachtstisch stand damals noch die Weihnachtspyramide, ein Holzgestell mit drei oder vier Kranzen und oben mit einer Art Krone. Die einzelnen Kranze waren mit brennenden Kerzen besetzt und mit buntem Papier uberklebt. Ein Kranz war weiB, der zweite blau, der dritte rosa. Die Pyramide war auBerdem mit trockenen Blumen geschmiickt (Parallelen zur Weihnachtspyramide im HDA. IX, 910). In seiner heutigen Gestalt ist der Christbaum verhaltnismaBig jung, aber seine Elemente sind alt: Baumgrun, brennende Lichter und die an dem Baum hangenden Friichte gehoren zum Bestand der antiken Kalendenfeier. In dem ersten Beleg iiber den Weihnachtsbaum (Strafiburg 1605) ist bloB die Rede von einer im Zimmer aufgestellten, mit Apfeln, Oblaten und Zischgold be- hangten Tanne. Wenige Jahre spater (1611) wird der Lichterbaum in 1 Veckcnstedt 437. — ’ Sartori, SB. III, 36. — 3 Mannhardt, WFK. I, 484: bei Ndrdlingen.