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vor Sonnenaufgang unter Segensspriichen ins Wasser wirft 1 . Um dieselbe Zeit feierten die Litauer noch im 17. Jahrhundert das „Fest der Zusammen- schiittung", Sqbarios, oder „das Fest der dreimal neune“: 27 Wiirfe von jeder Getreideart schiittete der Hauswirt zusammen, von den daraus gebacke- nen Brotchen muflte jedes Hausmitglied eines essen, von dem daraus ge- brauten Bier neunmal drei Schalchen leeren 2 . Abgesehen von dem Wechsel der Speisen werden diese Neumondfeste je nach der Jahreszeit eine andere Farbung aufgewiesen haben. In den winter- lichen Festen trat der Seelenkult starker hervor, in den sommerlichen das Liebesleben. Letzteres ersehen wir aus den freien Sitten in der Georgsnacht, Walpurgisnacht, Johannisnacht, aus den Mailehen u. a. Alte Festelemente hat iiberhaupt der 1. Mai am besten festgehalten: nachtliche Feuer, Einholen griiner Zweige und Baume, Schlag mit der Lebensrute, heilkraftige Bader in Wasser oder Tau, gegenseitiges BegieBen mit Wasser, Arbeitsruhe. In Boh- men ist mit dem Schlag mit dem Maienzweig der Ruf verbunden: „Da hast du Gliick“ 3 . Dafi der Mond als Gliickspender angerufen wird, haben wir oben gehort. Ich bin iiberzeugt, daB eine so wichtige Unternehmung wie der erste Aus- trieb des Viehs, gewdhnlich verbunden mit dem Absetzen der Lammer und dem ersten zeremoniellen Melken der Mutterschafe, urspriinglich ebenfalls zu Beginn des Neumonds stattfand. (Die Sorben entwdhnen heute noch die Kal- ber bei zunehmendem Mond; siehe P. 128.) Heutzutage sind die hautigsten Termine des ersten Austriebs der Georgstag, der 1. Mai, Pfingsten, Veitstag. Bekranzung des Viehs, Besprengungen mit Wasser, Schlag mit der Lebens- rute, nachtliche Umwandlung der Herde, Hindurchtreiben durch Feuer oder Lichter (Serbien), Tanze u. a. sind fast iiberall damit verbunden. Halten wir die volkstiimlichen Brauche des altrdmischen Hirtenfestes der Palilien (21. April) daneben, so finden wir darin ebenfalls die Grundelemente unserer Jahresfeste vertreten: „Der Schafstall wurde in der ersten Morgen- dammerung mit Wasser besprengt, mit frischem Besen gekehrt, mit frischem Laube geschmiickt und an der Tiir desselben ein groBer Kranz aufgehangt. Dann wurden die Schafe durch ein Feuer von Stroh getrieben und mit Schwefeldampfen berauchert, — offenbar ein Akt der Lustration, der Reinigung und Abwehr gefahrlicher Machte. — Man wusch sich in frischem Tau die Hande, trank ein Gemisch von Milch und frischem Most und fiihrte, so gestarkt, den Sprung durch das Feuer aus. Das Feuer dazu wurde aus dem Stein geschlagen, resp. durch Reibung zweier Steine erzeugt, ... dann folgte ein lustiges Gelage, bei welchem von den ver- sammelten Hirten reichlich getrunken und gesungen wurde“ 4 . AuBerdem 1 Schneeweis, Weihn. Skr. 4. 209; Schlag mit der Lebensrute, Arbeitsverbot, Wert- schiitzung des ersten Besuchers, Orakel aus dem Brei sind mit diesem Brauch ver- bunden. — ’ W. Mannhardt, WFK. 2 II, 249. — ’ Reinsberg-Duringsfeld, Festkal. B. 208. —■ • W. Mannhardt, op. cit. II, 311.