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Winter - Exkurs iiber slawische Neumondbrauche 95 Was ursprunglich monatlich geschah, das sei spater nur einmal jahrlich oder bei besonderen Anlassen wie bei Viehseuchen vorgenommen worden. 67. Diese Theorie paBt sehr gut zu dem, was oben beziiglich der von mir angenommenen Neumond-Opferzeiten der Slawen, bzw. Indogermanen gesagt wurde. Es entspricht vollkommen dem Analogieglauben des Menschen, zugleich mit dem Erscheinen des neuen kraf- tigen Mondes reines, heilkraftiges Wasser (poln. žywa woda), heilkraftige Krauter, Zweige (bzw. Baume!) einzuholen und das durch einmonatlichen Gebrauch verunreinigte Feuer neu zu gewinnen (serb. živa vatra, »Lebensfeuer«). So konnte sich ein periodi- sches Zeiteinschnittsfest ergeben, an dem man auch der Toten gedachte (vgl. das Opfer dem Lar an allen rom. Kalenden), an dem man Orakel fiir die Zukunft anstellte, Zauberhandlungen (besonders Anfangszauber, Schutzzauber durch Umwandlung u. a.) ausfiihrte 1 , um Gliick, Gesundheit und Fruchtbarkeit zu erlangen und um schadliche Einfliisse abzuwehren, an dem man gewisse Arbeiten einstellte und sich bei reichlichem Essen und Trinken, bei Gesang und Tanz, Umziigen und Wettlaufen 2 vergniigte. DaB man in der Zeit des jungen Mondes heiraten, saen und wichtige Unter- nehmungen beginnen soll, dafi in dieser Zeit geborenen Kindern Gliick und Gesundheit bevorsteht u. a., entspricht ebenfalls altem Analogieglauben. Da wir heute noch besonders bei den Slawen im Rahmen fast aller Jahresfeste Verehrung der Sonne, dieser unerschopflichen Quelle von Licht und Warme und Erweckerin des Lebens, feststellen kdnnen (Tanzen der Sonne an den groBen Festtagen, BegriiBung der Sonne, Wertschatzung der Ostseite, Um- wandlungen und Drehungen nach dem Sonnenlauf, Gebildbrote), so wird auch bei den erschlossenen Neumondfesten Sonnenverehrung eine Rolle gespielt haben, aber spezielle urslawische Sonnwendfeste lassen sich nach dem der- zeitigen Stand der Forschung nicht wahrscheinlich machen. Die Festspeise dieser Neumondfeste wird sich nach der Jahreszeit ge- richtet haben. Im Weihnachtsschwein, im Oster- bzw. Georgslamm, in den Ostereiern, im Eliashahn (bei den Serben), in der Martinsgans u. a. leben die alten Opferspeisen weiter, ebenso im uralten Brei: vgl. die rdm. Kalendae fabariae am 1. Juni mit dem rituellen Bohnenbrei 3 oder die bei den Serben in der Nacht auf den 4. Dezember gekochte varica, ein Gemisch aus allen Feldfriichten, von dem jeder Hausbewohner essen muB und von dem man 1 Bei Neumond beraucherten die Frauen um Krakau (Krakdw) ihre Kiihe mit der Wurzel der Pflanze przest^p, um fremden Kiihen die Milch zu entziehen (Biegeleisen, U kolebki, S. 483). — 2 Bemerkenswert ist es, daB bei den Vasojevići (Stamm in Montenegro), wo jeder manniiche Hausbewohner einen badnjak Weihnachtsbaum, der an dem Herdfeuer verbrannt wird) abschneidet, auf dem Heimweg ein Wettlauf dem Hause zu stattfindet. Man hat also den Eindruck, daB sich jeder bemiiht, als erster den neuen Segenstrager ins Haus zu bringen. — 3 Wissowa, Religion und Kultus der Rbmer 2 , S. 236.