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II. IM KREISLAUF DES JAHRES A. WINTER Die Adventszeit, os. advent, přikhad, ns. pšichod 58. An die Andreasnacht, mit der die Adventszeit beginnt, kniipft sich eine groBe Zahl von Liebesorakeln, die grdBtenteils zu Weihnachten und Neu- jahr wiederkehren. Madchen, welche erfahren wollen, ob sie im kommenden Jahre heiraten werden, klopfen an die Tiir des Hiihnerstalls: Meldet sich zuerst der Hahn, dann ist das ein gutes Vorzeichen. Andere horchen an fremden Hausern, ob sie zuerst ein ja oder nein horen. Manche schiitteln den Zaun und warten dann auf das Bellen eines Hundes: aus dieser Richtung wird der Zukiinftige kommen. Aus der Beschaffenheit von Holzscheiten, die man aus dem HolzstoB herauszieht, kann man diesbeziigliche Schliisse ziehen. Aus dem Gerausch, das man von einem Kreuzweg aus hort, schlieBt man auf den Beruf des kiinftigen Mannes 1 . In Schleife (Slepo) binden sich die Madchen am Andreasabend, Handrejka wjecor, die Strumpfbander oder Kopfbander ab und legen sie in eine Mulde, die sie dann schwingen: wessen Band zuerst herausfallt, die heiratet zuerst 2 . Ein ganz ahnlicher Brauch ist fiir die deutschen Gegenden der Lausitz be- zeugt: Am Andreasabend kommen die Madchen zusammen, legen ihre Latze in eine Mulde, und eines fegt sie darin herum mit den Worten: „Latz fege dich, Feinsliebchen bewege dich!" Wessen Latz herausfallt, die ist eine heim- liche Braut. Auch die deutschen Madchen der Lausitz gehen in der Andreasnacht auf einen Kreuzweg und rufen: „Lieber Andrees, bescher mir einen, den ich nicht weef)!" 3 In den Spinnstuben lassen sie einen Ganserich los: welches Madchen er an dem Rock zupft, die wird binnen Jahresfrist heiraten 4 . DaB sich eine so grofie Zahl von Liebesorakeln an die Andreasnacht ge- kniipft hat, ist in erster Linie darin begriindet, dafi bei Katholiken und Pro- testanten das Kirchenjahr mit dem Advent beginnt. Albers 6 weist darauf hin, dafi an dem ersten Adventsonntag viel vom hl. Andreas als dem be- deutendsten Heiligen der Woche gepredigt werde, ferner auch darauf, daB 1 Parallelen aus der deutschen Niederlausitz: Niederl. Mitt. I, 6. Heft (1889), 479 ff. — 2 Schulenburg, W. V. 126. — 3 E. Ruhlandt, Taschenbuch fur die Lausitz, Gdrlitz 1855, S. 78. — 4 Miiller 132. — 5 Das Jahr und seine Feste, Stuttgart 1917, S. 299.