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Rolle. Man weiß einfach von nichts, die Ortsherren sind erstaunt, solche Klagen vernehmen zu müssen, und die von ihnen daraufhin befragten Dorfweber oder die Richter der Dörfer äußern sich dementsprechend. Im übrigen wird in den meisten Stellungnahmen der Ortsherren die Landweberei nicht grundsätzlich geleugnet; man wehrt sich aber mit den verschiedensten Argumenten gegen ein Verbot. An erster Stelle ist dabei die Berufung auf altes Recht und auf jahrelang geübte Gewohnheit zu nennen. Die Anwesenheit von Handwerkern, speziell Leinewebern, wird als ein Recht des Ortes bezeichnet, und die entsprechenden Aussagen der Richter oder anderer Bewohner des Dorfes werden mitgeteilt. Wie Görlitz * * * * * * * 255 ausführt, ist der Grundsatz der Verjährung von der Landesherrschaft immer anerkannt worden. Eine solche Anerkennung erfolgte auch, wenn dadurch Zunftprivilegien beeinträchtigt bzw. außer Kraft gesetzt wurden. Wir stellen also fest, daß selbst der entstehende Territorialstaat ostmitteldeutscher Prägung, der doch schon über eine differenzierte Verwaltung und Schriftlichkeit verfügte, den Grundsatz des feudalen Gewohnheitsrechts über die Kodifikationen der städtischen Innungen stellte. Ich greife einige Beispiele heraus: Als Erwiderung auf eine sehr detaillierte Be schwerde antwortet G. v. Harras dem Landesherrn, das ,sei mit den Dorfwebern seit alter Zeit so gewesen’. 256 Mit dem gleichen Argument antworten die Herren von Lauterstein. In deren Schreiben 257 wird der Landesherr geradezu aufgefordert, für die Sicherung der herkömmlichen Rechte Sorge zu tragen. Auch die Familie v. Einsiedel zu Gnandstein und Scharfenstein bietet an, die Rechtmäßigkeit ihrer Dorfweber zu beweisen. 258 Der Richter von Jahnsdorf erklärt (1528) den Chem- tigeren Schönburgs kann an der dem ländlichen Gewerbe günstigen Einstellung kein Zweifel sein. Da sie — im Gegensatz zu anderen Herrschaften haben wir hier die Be ¬ weise — durch einen Stuhlzins an dieser gewerblichen Produktion besonders interessiert waren, galten die Nachforschungen ihrer Beauftragten vor allem der Eintreibung dieser Gebühren und stellten kein Zugeständnis an die Städte dar. Vgl. dazu Beriet, Erich, Geschichte der Stadt Glauchau, Bd. I, 1931, S. 119, sowie Seydel, Paul, Geschichte des Rittergutes und Dorfes Limbach. (Sa.), 1908, S. 41 ff. 255 A. a. 0., S. 216; vgl. auch Lütge, Friedrich, Die mitteldeutsche Grundherrschaft, a. a. 0., S. 69, mit Literatur. 256 Loc. 8746, fol. 122, Antwort auf Beschwerde vom Januar des gleichen Jahres. Auch im folgenden Jahr berichtet er, daß ein von der Stadt beanstandeter Dorfweber seit langer Zeit unangefochten webe, sogar für den Markt (ebenda, fol. 124). 257 Ebenda, fol. 113. 258 Erwähnt im Schreiben der Leineweberinnungen von Chemnitz, Geithain, Hainichen, Zschopau, Oederan und Frankenberg von ca. 1528, Dorfweber und Garnhandel betr. (ebenda, fol. 114); im folgenden Jahr berichtet A. v. Einsiedel selbst, als Ergebnis einer Untersuchung, daß in seinen Dörfern — mit einer Ausnahme, dort hat er die Produktion verboten — die Ausübung des Leinenhandwerks rechtmäßig sei (ebenda, fol. 128). H. v. Einsiedel zu Gnandstein — in der Prozeßführung besonders eifrig — führte jahre lang Briefwechsel und Prozesse um Dorfhandwerker; die Akten des Burgarchivs Gnand stein sind daher für die Methoden der Auseinandersetzung und für die Argumentation der Parteien und den Wechsel in der Argumentation sehr aufschlußreich. Dieses Gnand- steiner Material ist z. T. früher bereits in einem Aufsatz verwertet worden von Krebs, Kurt, a. a. O., S. 553.