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1610 151 , die Hausgenossen seien neben der jährlichen Kopfsteuer von 4 Groschen zur Lieferung von zwei Stück Garn verpflichtet. Zwar erhalten sie dafür 2 Gro schen Lohn, aber immerhin ist das eine schriftliche fixierte Abgabe an einen Feu dalen, die sicher im Verweigerungsfalle eingetrieben worden ist. Im Jahre 1624 154 155 leisten sie zwei Tage Frondienste als Mäher und vier weitere Tage „für andere Arbeit“ pro Jahr. Offenbar waren Landesherr und Adel an der gewerblichen Produktion der Hausgenossen in zunehmendem Maße interessiert und verpflich teten diese zur Garnherstellung, sicherlich auch in den genannten vier Tagen. Im Verlaufe des 15. Jh., erkennbar vor allem um und seit 1500, stieg die Zahl dieser Hausgenossen. Wie wir bereits bemerkt haben, war das die Folge des schnellen Bevölkerungszuwachses einerseits, der Unmöglichkeit der Landver sorgung andererseits. Und der Bevölkerungszuwachs wurde im Herzogtum Sachsen in unserem Zeitraum durch Zuwanderung in die Bergbaugebiete noch verstärkt. In der Freiberger Gegend hat Bergbaukonjunktur stets die Zahl der Hausgenossen ansteigen lassen, doch schlossen sich Konjunktur des Bergbaus und der Leinen produktion nicht aus, sondern bedingten einander. 156 Daß diese ständig wachsende Gruppe der Hausgenossen eine für die feudale Produktionsweise des Landes (und indirekt der Stadt) entscheidende Bedeutung hatte, ist sicher. Für solche freien Arbeiter war in der feudalen Produktion kein Platz. Wenn es nicht gelang, die Verbindung zu kapitalistischen Elementen in der Stadt herzustellen, was auch die Zunft hätte schwächen und zersetzen müssen, so war die feudale Bindung, ganz gleich in welchen Formen und in welchem Aus maß, nur eine Frage der Zeit. Man geht wohl nicht fehl, wenn man die vorhin skizzierte Entwicklung des Gesindes in enge Beziehung zum Hausgenossen-Problem setzt. Dem Adel mußte die Masse der nicht in grundherrlicher Bindung stehender Hausgenossen und des Gesindes als eine ernste Gefahr erscheinen. Wenn gewerbliche Konjunktur und Lockerung der feudalen Fesseln die Leistung der grundherrlichen Dienste auf Do mänen, Gütern und großen Bauernhöfen in Frage stellten 157 , so mußten die Mittel des Staates in Anspruch genommen werden, um die Hausgenossen und das Ge sinde wieder in die feudalen Produktionsverhältnisse zu zwingen. Das bedeutete nicht unbedingt einen Widerstand gegen die gewerbliche Produktion, vor allem gegen die Leinenproduktion an sich. Im Gegenteil, man war daran interes siert. Aber diese Produktion sollte im Rahmen der feudalen Produktionsver hältnisse, unter der Kontrolle des Adels vor sich gehen und mit einer Abschöp fung von Mehrprodukt verbunden sein. 154 Loc. 37924, Nr. 3, Erbbuch Gut Frankenberg. 165 Ebenda, Nr. 7, Gut Frankenberg. 156 Langer, Johannes, Hilbersdorf. In: „Mitteilungen des Freiberger Altertumsvereins", Bd. 63, 31 (1933); vgl. auch Schulze, Otto Eduard, a. a. O., S. 233 sowie Heitz, Ger hard, Dorfweber und Sozialstruktur a. a. O., S. 182f. 157 Übergefährdung der landwirtschaftlichen Arbeiten infolge starker gewerblicher Pro duktion vgl. Görlitz, Woldemar, a. a. O., Abdruck 21, S. 528.