V. SCHLUSSBETRACHTUNG Wir hatten einleitend angedeutet, wie die Leinenproduktion sich bis zum Aus gang des 15. Jh. gestaltete. In dem von uns sodann näher untersuchten Zeitraum konnten wir deutliche Zeichen einer Krise des feudalzünftischen Systems fest stellen, und wir müssen jetzt — da wir am Ende der Untersuchung angelangt sind — die Entwicklung auch über die Mitte des 16. Jh. hinaus noch skizzieren, um die Grundlage für eine abschließende Bewertung zu schaffen. Es ist bekannt, daß die Produktion schwerer, wertvoller Tuche in Deutschland weder in der Qualität noch in der Quantität mit der Westeuropas hatte Schritt halten können. Schon seit der zweiten Hälfte des 15. Jh. kündigte sich ein Ab sinken der Produktion in diesen Sorten an, und man stellte sich in immer größerem Maße auf die Verfertigung von leichteren Mischgeweben und auf Leinen um. Der deutsche Groß- und Fernhandel konnte der ausländischen, besonders der nieder ländischen und englischen Konkurrenz auf die Dauer nicht standhalten. So wurde das frühere Handelsmonopol der Hanse gegenstandslos, weil die nur auf Aus tausch der Produkte West- und Osteuropas gerichtete Funktion dieser Städte historisch überholt war. Die oberdeutschen Städte, in denen die Produktion und deren Export schon lange eine größere Rolle gespielt hatten, fanden noch Möglich keiten, durch Umstellung in der Produktion ihre Stellung wenigstens zu halten. Eine dieser Möglichkeiten war die Verbindung mit dem ostmitteldeutschen Leinen produktionsgebiet, die ihrerseits eine Folge der Entdeckungen insofern war, als auf dem (kolonialen) Weltmarkt gerade billige und in der Qualität geringere Sorten Leinewand benötigt wurden und mit großem Gewinn gehandelt werden konnten. Solche Leinewand aber konnte der ostmitteldeutsche Raum liefern. Oberdeutsches Handelskapital war schon früher in Sachsen in Erscheinung ge treten. Seine Vertreter nahmen aber im 16. Jh. schnell an Zahl zu, und ihre Be deutung erhöhte sich ständig. 383 Sie brachten außer ihren in anderen Teilen Deutschlands und Europas erworbenen Vermögen auch die Erfahrung und die Marktkenntnis mit, die für erfolgreiche Geschäfte unbedingt erforderlich waren. 363 Zum Folgenden vgl. Aubin-Kunze, a. a. O., bes. S. 42ff. 109