MARKSCHEIDERISCHE KENNTNISSE ZUR ZEIT DES GEORGIUS AGRICOLA Von KARL NEUBERT, Freiberg/Sa. Geschichtlichen Studien auf technischen Fachgebieten kommt zweierlei Bedeu tung zu: 1. Verständnis und Begründung bestehender Ausführungen aus dem Werdegang erfolgreicher Entwicklung. Kennenlernen der Ursachen des Stillstandes und des Rückganges. 2. Grundlage zur Weiterentwicklung durch Neubelebung früherer Gedankengänge und Versuche unter Anwendung moderner technischer Entfaltung. Während wir nur spärliche Kenntnis von der Markscheidekunde, ihren Instru menten und Methoden vor der Zeitenwende besitzen, scheinen nach dieser Zeit bis zum Mittelalter viele Errungenschaften wieder verlorengegangen zu sein. Fort schrittliche Gedanken wurden systematisch unterbunden, da es ketzerisch war, das Weltbild durch geodätisch-astronomische Messungen zu berichtigen, und es als teuflisch galt, in den Schoß der Erde vorzudringen. Auch herrschte auf allen Gebie ten der Wissenschaft, die nur wenigen Auserwählten vorbehalten war, das Prinzip der Geheimhaltung. Ebenso wie LIONARDO DA VINCI das Geheimnis der Herstel lung dauerhaft leuchtender Farben mit sich ins Grab nahm, so wachte auch der Markscheider des Mittelalters darüber, daß sein Wissen keinem anderen zugängig war. Um so bedeutender ist für die damalige Geisteshaltung die Tat von GEORGIUS AGRICOLA vor etwa 400 Jahren, als er im 5. Buch seines Werkes „D e r e m e t a l - l i c a" [1] über den Stand der damaligen Markscheidekunst berichtete. Auch nach dem Tode Agricolas wurde noch viel Geheimhaltung geübt. Erst mit der Gründung der Bergakademie Freiberg im Jahre 1765 wurde dieser feudalistischen Auffassung die Spitze gebrochen. Die uns heute selbstverständlich gewordene Publizierung wissenschaftlicher und praktischer Erkenntnisse mußte hart erkämpft werden. Um so leuchtender ist das Beispiel von Agricola, indem er sorgsam alles Wissen jener Zeit über den Bergbau und das Hüttenwesen zusammentrug, so daß es der Nachwelt erhalten blieb. Im Folgenden sollen seine Ausführungen über die Markscheidekunst im damaligen Zeitspiegel mit einigen Schlaglichtern in die Gegenwart betrachtet werden. Als eine seiner Quellen bezeichnet Agricola das Bergbüchlein des Frei berger Stadtphysikus ULRICH RULE1N VON CALW [2], Dieses gilt als die erste zünftige Bergbauschrift in deutscher Sprache und erschien um 1500. Neben Bergbau technik wird darin auch Markscheidekunst, Mineralogie und Alchimie behandelt. Ein Vorgänger Agricolas im Joachimsthaler Bergbaugebiet war der dort ansässige Volksdichter HANS RUDHART [3] mit seinem Bergbüchlein von 1523. Von ihm unterscheidet sich Agricola durch seine wissenschaftliche Behandlung und Dar-