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der erzgebirgische Seifenbergbau vermittelt hat: Da reißt das Wasser das Erdreich an den Ufern weg, Blöcke stürzen herab und werden von den Fluten fortgerissen. Mehr und mehr erweitert sich der Lauf des Baches, des Flusses, gräbt sich immer tiefer ins Gebirge ein. Regengüsse und Frostsprengung wirken mit beim weiteren Abtrag, die Klüftung des Gesteins erleichtert die Abtrennung. Und im Vorlande, wo der Fluß seine Geschwindigkeit verringert, lagert sich das Erdreich wieder an und bildet neues Land. Wo der Wind das lockere Erdreich, den Sand aufwirbelt, mit sich fortführt und schließlich aufschüttet, da entstehen in den Dünen neue Hügel. Und dieses Vergehen der Gebirge und Entstehen neuen Landes spielt sich täglich vor unseren Augen ab, meist kaum bemerkbar, erst in langen Zeiträumen sichtbare Wirkungen ausübend. Vorahnung der Aktuogeologie, doppelt bemerkenswert bei dem Manne, der so zäh am alten Glauben hing, aber die Wissenschaft grundlegend reformierte. Als verhältnismäßig nebensächlich wird die gebirgsbildende Bedeutung der Erdbeben eingeschätzt. Zwar wird darauf hingewiesen, daß durch Erdbeben wiederholt neue Hügel entstanden und neue Inseln aufgetaucht sind, aber im wesentlichen wird den Beben doch eine zerstörende, also abtragende Wirkung bei gemessen. So sauber die Beben in Schwankungen, Erschütterungen, Erdstöße und eigentliche Erdbeben unterschieden werden, so umständlich sind die Auffassungen von den Ursachen derselben: Die Angaben der alten Literatur, daß bei den Beben Felsmassen emporgeschleudert werden, verführen Agricola dazu, nach einer Kraft zu suchen, die dieses Emporschleudern bewirken kann; er meint, daß nur im Erd inneren entstandene Dämpfe vermögen, die Beben auszulösen und Felsen empor- zuschleudem. Wiewohl er selbst die Entstehung unterirdischer Höhlen durch Lösungsvorgänge dargestellt hat, ist ihm nicht der Gedanke an die Einsturzbeben gekommen, weil dabei keine Möglichkeit gegeben war, ein Emporschleudern zu erklären. Wir wissen alle, wie unendlich schwer überkommene Hypothesen zu über winden sind, um ermessen zu können, vor welch schwerer Aufgabe Agricola stand, als er jetzt die Überlieferung von Jahrtausenden mit der Naturbeobachtung in Ein klang zu bringen hatte und fast überall feststellen mußte, wie sehr überkommene Anschauungen in Widerspruch zu seinen eigenen und den bergmännischen Erfah rungen standen. Erzogen in dem strengen Autoritätsglauben scholastischer „Wissen schaft", war es für ihn doppelt schwer, an den vorliegenden literarischen Schilde rungen der Erdbeben Wahres und Fabel zu unterscheiden, weil eigene Erfahrungen nicht in ausreichendem Umfange vorlagen. Er hat anscheinend selbst nur zwei Erd beben im Erzgebirge erlebt, also ausgerechnet in einem Gebiete, in dem wirklich markante schwere Beben nicht auftreten, die ihm einen Begriff von deren tekto nischer Bedeutung hätten vermitteln können. Was an antiken Berichten über Erd beben vorlag — und diese allein konnten nach seinem Urteil wohl noch als glaub würdig gelten — betraf vornehmlich Beben in vulkanischen Gebieten, so daß eine Verbindung von Tektonik und Vulkanismus gegeben schien. Was lag also näher, als beide Erscheinungen auf gemeinsame Ursachen zurückzuführen. Als solche ergab sich aber zwanglos die Erdwärme, die ein Verdampfen des unter irdischen Wassers verursachen konnte und in den so entstehenden Dämpfen das Mittel bot, die Sprengwirkung der Beben und der Vulkane zu erklären. Betrachten wir die Vulkanbilder in SEBASTIAN MUNSTERs Cosmography, so erkennen wir als wesentliches Charakteristikum der Vulkanausbrüche neben den Flammen die riesenhaften Auswürflinge, wie sie angeblich ja auch bei den Erdbeben aus-