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Unterschiede fähig, d. h. nach Belieben teilbar sein, so wie Gold und Silber diese Eigenschaften in hervorragendem Maße besitzen 4 . Es ist unerläßlich, Agricolas spezielle Erwägungen über Maße, Gewichte und Münzen, die in bisherigen Arbeiten über sein Werk nur wenig oder gar nicht gewürdigt worden sind, in unmittelbaren Zusammenhang mit der großen Dynamik zu bringen, die seit dem Ende des 15. Jahrhunderts in ständig zunehmendem Maße wirksam wird. Die Arbeitsteilung zwischen Stadt und Land, die Entwicklung der Warenproduktion auf Grund der Abtrennung des Handwerks vom Ackerbau, das Entstehen großer Städte und Handelsplätze mit gleichzeitigem Aufkommen der Geldwirtschaft und der großen Manufakturen — das sind die großen ökonomischen Bewegungen, durch die gerade der Edelmetallbergbau jene überragende Stellung erhält, die er z. Z. Agricolas besitzt. Zu beachten ist hierbei, daß Deutsch land für Europas damalige Wirtschaftswege eine zentrale, beherrschende Lage hatte. Das trifft bekanntlich bis zur Verlagerung der Handelswege in die näher am Atlan tik gelegenen Länder zu. Diese Verlagerung des wirtschaftlichen Zentrums nach Westen trat nach der Entdeckung Amerikas ein. Niedergangserscheinungen im Wirtschaftsleben Deutschlands zeigten sich aber zu Lebzeiten Agricolas noch nicht oder kaum, wenigstens nicht, soweit dies Sachsen betrifft. Zu diesem großen Zusammenhang gehört auch die verhängnisvolle politische Situation. Sie ist dadurch gekennzeichnet, daß bei den sehr verschiedenartigen Ver hältnissen und Bedingungen der einzelnen Länder Deutschlands und der partiell zwar unterschiedlichen, aber im ganzen genommen viel zu großen Macht der ein zelnen Landesherren eine einheitliche ökonomische und politische Entwicklung nur durch eine siegreiche Volksreformation, durch den Sieg der Volksmassen möglich gewesen wäre. So stand Agricola zwischen zwei Extremen: Zwischen landesherrlichem Parti- kularismus und habsburgischem Expansionismus. Er glaubte bedauerlicherweise, zwischen beiden vermitteln zu können. Er trat als Bürger zwar in den Dienst der Feudalität, diente dieser jedoch nicht mehr, als zur Sicherung seiner Existenzgrund lage unabdingbar war. Immer müssen wir vor Augen haben, daß die deutschen feudalen Landesherrschaften, auch dort, wo sie sich zum Übergang in den Feudal absolutismus anschickten, historisch eine reaktionäre Rolle spielten, denn sie ver körperten einen partikularistischen Absolutismus in Miniaturform, ganz zum Unter schied von der nationalstaatlichen Entwicklung unter dem französischen Absolutis mus, die dem fortschrittlichen Bürgertum Frankreichs diente. Für die objektive Einschätzung der zwiespältigen Stellung Agricolas beispiels weise auch als Ökonom muß man in letzter Instanz diese größeren Zusammenhänge geltend machen. Trotzdem heben sich aber aus dieser geschichtlich betrüblichen Lage die große Friedensliebe und das Streben Agricolas nach nationaler Einheit und ökonomischer Blüte heraus. * * * An Gedanken über den volkswirtschaftlichen Nutzen des Berg- und Hütten wesens ist Agricolas Werk sehr reich. Wir wollen versuchen, nur einiges hier an zudeuten, da uns ohne Verständnis für die Verbundenheit Agricolas mit der im 4 Vgl. KARL MARX, Das Kapital, Bd. I, Dieta-Verlag, Berlin, 1947, S. 95.