Volltext Seite (XML)
Den Cusaner reizte allein schon die Fülle an Erfahrungen, die er bei Experimen ten mit der Waage gewann, dazu, seine Beobachtungen niederzuschreiben. Von der Vielfalt solcher Versuche her stellte er Überlegungen an, die in die Medizin und Arzneimittellehre gehören, führte er den Leser ein in Probleme der Metallurgie, streifte er auch die Lehre von den Edelsteinen und Magneten; er behandelte schließ lich Fragen der Meteorologie, der Astronomie und Astrologie, ja der Musik und Geometrie, dabei einige sogar unter dem Gesichtspunkt technischer Nutzbarkeit’. Bei NIKOLAUS VON KUES wurde das Wägen ein Schlüssel zu tieferer Er kenntnis. Im folgenden Jahrhundert stellt Georg Agricola, ausgehend vom Mutterboden der aus dem Erfahrungsschatz der Werktätigen im Berg- und Hüttenwesen stammenden neuen Erkenntnisse, die Frage nach den allgemeingültigen, durch Übereinkommen festzulegenden Maßstäben für das Messen und Wägen und strebt nach einem mit exakten Gewichtsnonnen verbundenen einheitlichen Münzsystem. Es ist nicht nur das im „Bermannus" bereits verankerte große Wissen schaftsprogramm Agricolas, das ihn vor Beginn seines eigentlichen Lebenswerkes so eindringlich und mühevoll nach den Normen für Maß und Gewicht fragen läßt, ohne die keine Wissenschaft möglich ist; gemeint ist jenes geniale Programm, über die Frage nach dem Wesen des Unterirdischen, nach der Verschiedenheit und dem Wert der Mineralien, zur Nutzbarmachung alles bisher errungenen berg- und hüttenmännischen Wissens vorzudringen. Dies unmittelbare Anliegen ist eigentlich nur Anlaß. Die tieferen Ursachen für die Entwicklung einheitlicher, objektiver Maßstäbe für Maß und Gewicht in der Wissenschaft von Natur und Technik, so auch für Agricolas Nachforschungen auf diesem Gebiet, liegen vor allem in den Bedingungen und Erfordernissen der Produktion und des Handels. Der mit der Entwicklung der Produktivkräfte ständig wachsende Erfahrungs schatz erfordert ein zunehmend höheres Maß an Abstraktionsvermögen, an Fähig keit, zu verallgemeinern und zu vergleichen. Das ökonomische Interesse der zum Fortschritt drängenden gesellschaftlichen Kräfte gibt dazu starke Impulse. Die treibende Kraft, die hinsichtlich der Entwicklung des Abstraktionsvermögens von der Wirtschaft, vom Handel mittels des Geldes, der verkörperten Verall gemeinerung des Wertes, ausgeht, steht dank der fundamentalen Arbeiten von MARX außer Frage. Die kulturgeschichtliche Leistung, die in der Entwicklung des Abstraktionsver mögens in Verbindung mit dem Aufkommen der Geldwirtschaft begriffen liegt, mag durch den Aphorismus angedeutet werden, mit dem MARX einmal die Logik das „Geld des Verstandes" nannte. MARX ist der Nachweis zu verdanken, daß in demselben Verhältnis, in dem der Warenaustausch seine lokalen Bande sprengt und der Warenwert menschliche Arbeit überhaupt vergegenständlicht, auch die Geldform auf Waren übergeht, die von Natur zur gesellschaftlichen Funktion eines allgemeinen Äquivalents taugen, auf die edlen Metalle. Der Unterschied ökonomischer Wertgrößen ist, wie MARX betont, rein quantitativ. Also muß gerade die Geldware rein quantitativer ’ Vgl. NIKOLAUS VON KUES, Der Laie über Versuche mit der Waage, bearb. von MENZEL ROGNER, Verlag von Felix Meiner in Leipzig, Philos. Biblioth., Bd. 220, 2. Aufl. 1944, S. 47.