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leute mit dem Berufserlebnis. Sie äußert sich hier sprachlich in der eigenständigen und bewußt berufsbetonten Form der Allegorien und metaphorischen Umschrei bungen aus dem Wort- und Bilderschatz der bergmännischen Sphäre. In dem Lied gut der Agricolazeit liegt der Anfang einer langen und umfangreichen derartigen Tradition, die — mehr als nur modische Spielerei oder bloße stilistische Kategorie — die Repräsentation ständischen Selbstgefühls und ständischer Exklusivität im Bereich geistiger Äußerungen darstellt. Das älteste Lied dieser Zeit, Ich weiß das höfflichste Bergwerk**, unternimmt den Versuch, durch „aDufion unb porgleicbunge her unbeftcnbigen vergendlicben 23ergn>erd ju ben bcftenbigen unb ewigen ..." religiöse Glaubensgehalte zu veranschaulichen und sie in die vertrauten Formeln und Begriffe zu kleiden. Einzeln verstreut erscheinen solche bergmännischen Umschreibungen auch in den schon erwähnten Liedern: Christus wird als „allerhöchster Bergkmann angeredet (Auf, auf, ihr Bergieul, Str. 5, 3) oder als „Fahrt" (=bergm. Leiter) ins Himmelreich bezeichnet: QBir glauben an bid), &err 3befu Gbrift 2er bu bie fart ins öimelreid) biff. Sie fart jproffeu fein bein beiligs wort ... (In Gottes Namen fahren wir ein Str. 3, 1 ff.) Dasselbe Bild von der „Fahrt" als der Himmelsleiter erscheint in einem zeit genössischen Grablied von CASPAR FRANCK (um 1520—1578), Pfarrer in Joachimsthal (Laßt uns folgen St. Paulus' Lehr) 5S : Das irdische Dasein ist hier als tiefer Schacht gezeichnet, in dem uns Gott mit seinem Wort leuchtet und in den er die Himmelsleiter = „Jakobsfahrt" hineinhängt, an der wir fröhlich ans Licht aus fahren. Zur Verknüpfung der bergmännischen Berufswelt mit christlichen Glaubens vorstellungen erwies sich dieses Bild von der „Fahrt" in seiner Doppeldeutigkeit als besonders geeignet, denn auch JOHANN MATHESIUS verwendet es in einem Bergchoral: Vaf) uns ergreiffen beine JJabrt, Sein waren <3obn ben T?enfd)en jart, Ser fid) für t>n$ febendt in ben Sobt, 2luff ber SFafyrt fcfcrt man auff ju Sott. (Gott Vater, Sohn, heiliger Geist Str. 6) JOHANN MATHESIUS (1504—1565), der Freund LUTHERs, war Pfarrer in Joachims thal zur gleichen Zeit, als NIKOLAUS HERMANN dort Kantor war. Wie dieser war auch MATHESIUS mit seiner Bergmannsgemeinde aufs engste verwachsen. Er sagt einmal von sich: Gin gel)ftlid)er 23ergfman bin ünb blepb id) / ob Sott wil / fo lang ich lebe / vnb biene bem öberften 23erg.berrn 3efu <£t>riffo / vnb febürffe / finde / bau» Gib / röfte / fdjmclbe Vnb trepbe in Sottet 23crgfwerd vnnb butten. Diese Verbundenheit erweist sich offenkundig an der „Sarepta"“, der Sammlung seiner Predigten, die er „nach M Fliegendes Blatt „(Eine allufion unb rorgleitpunge ber unbeftenbigen »ergendlicpen 23ergn>erd 511 beit bcftenbigen unb ewigen ... Sillen jagpafftigen 23ertleutcn tröfttiep; gemacht pnn G. Soadjiin^tpal pm 30. (1530) Zwickau o. J. — Bergreihen I 1531 (1574) Nr. 17. — HEILFURTH: Bergmannslied S. 99. 157, 330. 350; abgedruckt S. 481; Belege und Literatur S. 671. 14 FRANCK, CASPAR: Zwo Trostpredigten usw. (v. J. Mathesius). Neben etlichen Collecten und Trostsprüchlein. Leipzig 1556. — HEILFURTH: Bergmannslied S. 65, 161; Literatur S. 682. M MATHESIUS, JOHANN: Garcpta ober 23crgpoftill Gampt ber Scwdnmfrtpalifcben turften (Epro. nifen. Leipzig 1618 (Nachdruck der Erstausgabe Nürnberg 1562).