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Agricola-Zeit auf das volksmäßige Singgut überhaupt ausgedehnt wurde”, erhellt eindringlich, wie sehr man damals die Bergleute als hervorgehobene Träger lied hafter Äußerung empfand. Als Exponenten des musikalischen Lebens unter den Bergleuten lassen sich im 16. Jahrhundert erstmalig die sogenannten Bergsänger und Bergmusikan ten feststellen. Um sie entfaltete sich eine wechselreiche Tradition. Auf der einen Seite rangieren sie als Vertreter der beruflich-ständischen Mannschaftsordnung des Bergbaues in der Form örtlich gebundener und beauftragter Gruppen. Andererseits aber treten sie als freizügige Trupps auf, ohne offiziellen Charakter, ohne Reglement, als wandernde Bergknappen und damit als Teile des singenden Bergvolkes, vor allem seiner Jugend. Zwischen diesen beiden Polen spannen sich alle Möglichkeiten musikantischen Daseins. Damals kommen in der langen Reihe der „Fahrenden" auch „Bergreyer" vor ”. Darunter sind zweifellos „Bergreihen-Sänger" oder „Bergreihen- Singer" (das Wort ist belegt) 17 18 zu verstehen. Die Bezeichnung „Bergreihen" hat vor allem als Titel von Liederheften ihre Ver breitung genommen. 1531 erschienen bei WOLFGANG MEIERPECK in Zwickau bergfreien, geiftlid) unb mclflief) ju famen gebracht" ”. Diese Überschrift, unter der 36 volkläufige Lieder in bunter Mannigfaltigkeit und Reihenfolge, darunter auch einiges Bergmännisch-Ständische, ohne irgendwelchen Leitgedanken einer in haltlichen Auslese oderGliederung vereinigt sind, wurde vom Herausgeber nicht ohne Grund gewählt, wie aus dem Nachwort der 2. Auflage von 1533 hervorgeht: „Unb nemet alfo vergüt, $l>r lieben 53erggefeHcn. 9?acf) tiefen 9?epen merben balt beffer unb anbere mehr bernacb folgen" 19 . Die Sammlung wendete sich an die bergmännische Bevölke rung, naheliegenderweise wohl vor allem der so regen Bergbaugebiete des Erz gebirges, mit denen der Verlagsort intensive geistige und wirtschaftliche Beziehun gen unterhielt. Dort, wo mehrere der abgedruckten Lieder nachweislich entstan den 20 und die meisten wohl gesammelt, „zusammengebracht' - waren, sollte das Liederheft vertrieben werden. Deshalb der dem bergmännischen Wortschatz ent nommene zugkräftige Titel ,,Bergreihen'', der, wie erwähnt, das unter den Berg- 15 HEILFURTH: Erzgeb. S. 22, 76 (Anm. 96). 18 FISCHART. JOHANN: Aller Praktik Großmutter. 1572 (Neudruck Halle 1876), S. 14. CLEMEN, O.: Eine Meistersingerschule in Zwickau. In: Neues Archiv für Sachs. Geschichte und Altertumskunde, Bd. 46 (S. 78—85), S. 85 Anm. MEIER, JOHN: Bergreihen. Ein Liederbuch des 16. Jahrhunderts. Nach den vier ältesten Drucken von 1531, 1533, 1536 und 1537, hrsg. Halle 1892. (Ein Faksimiledruck der Ausgabe von 1531 ist 1954 in Zwickau erschienen.) Der bekannte Volksliedforscher John Meier hat die Zwickauer Ausgaben der Bergreihen 1889 in der Ratsschulbücherei Zwickau entdeckt und 1892 zusammen mit den Nürnberger Ausgaben von 1536 und 1537 veröffentlicht. Die letztere Aus gabe hatte schon O. SCHADE publiziert (Bergreihen. Eine Liedersammlung des 16. Jahrhunderts. Nach dem Exemplar der Großherzogi. Bibi, zu Weimar, Weimar 1854). Ludwig Uhland hatte 1843 vergeblich in Zwickau nach den Bergreihen für seine „Alten hoch- und niederdeutschen Volkslieder“ 1844/45 (S. 977) gesucht, konnte sie aber später noch einsehen; Moritz Haupt ver mittelte die Einsichtnahme. Vgl. SPINDLER, K.: Ludwig Uhland und Zwickau. In: Der Heimat forscher (Sächsische Heimat 1925), S. 25 ff. Die Zwickauer Exemplare stammen aus der Biblio thek des Humanisten und Zwickauer Syndikus Roth (t 1546). Es ist übrigens fraglich, ob der Druck von 1531 wirklich die früheste Ausgabe darstellt. John Meier hat darauf aufmerksam gemacht, daß möglicherweise eine 1. Aufl. die Lieder Nr. 1—28 enthalten habe, weil sie durch ihre alphabetische Ordnung zusammengefaßt erscheinen. ” MEIER a. a. O. S. 105. Der Vermerk findet sich auch in den folgenden Ausgaben. ’« WOLKAN, R.: Böhmens Antheil an der deutschen Literatur des 16. Jahrhunderts. 3 Teile. Prag 1890, 1891 und 1894, III.