Volltext Seite (XML)
am 6. März vermochte er nicht zu berichten, zu welchem Zwecke Moritz ihn zu sich beordert hatte, später kam er gar nicht wieder darauf zu sprechen. Im nächsten Brief erklärte er dem zur Rückkehr drängenden Rat, der Herzog habe nicht allein ihn, sondern auch den regierenden Bürgermeister von Leipzig, Dr. FACHS, und andere „erfordert", und am 10. März erwähnte er, daß er nunmehr „dem Lager nachziehen, müsse". Zwei undatierte Schreiben der herzoglichen Kanzlei an den Rat entschuldig ten sein ferneres Ausbleiben, er werde noch „in Geschäften" benötigt. Der letzte Brief Agricolas aus Freiberg ist am 11. März geschrieben, während die briefliche Verbindung zwischen Rat und Landesherrn noch bis zum 29. März fortdauerte. Da mals waren die Truppen des Königs und des Herzogs übers Erzgebirge verschwun den. Sie zogen dem von Nürnberg heranrückenden kaiserlichen Heere entgegen, um sich mit ihm nahe Eger zu vereinigen. Man wird annehmen müssen, daß Agricola in Freiberg mit diplomatischen Geschäften beauftragt wurde; daher das sonst unverständliche Schweigen über, seine Verwendung. Wäre er als Arzt zum Heere berufen worden, so hätte er das dem Rate sicher offen gemeldet. Worin seine Aufgabe bestand, können wir nur vermuten. Wahrscheinlich war er an den Verhandlungen mit FERDINAND, vielleicht auch an denen mit dem Kaiser beteiligt. Sein politisches Bekenntnis, wie es in seiner T ürkenrede offen vor lag, sein Festhalten am alten Glauben und sein hohes Ansehen als Gelehrter machten ihn für eine solche Mission besonders geeignet. Wir wissen aber nur soviel, daß er den Herzog „durch Böhmen zum Heere des Kaisers" begleiten mußte und Mitte April mit dem großen Heere durch das Vogtland in die Heimat zurückkehrte 24 . Aus allen Briefen, die uns aus jenen Wochen erhalten sind, spricht der Ver trauensmann des Landesherrn, der die größere Übersicht über die Kriegslage hat und daher der Stadt nützliche Verhaltungsmaßregeln geben kann. Es spricht daraus aber auch der verantwortungsbewußte Bürgermeister, der sich um das Schicksal der sich selbst überlassenen Stadt sorgt und bemüht ist, ihr Hilfe zu verschaffen. Bis zum Aufbruch des Heeres aus Freiberg stand er durch Boten mit dem Rat in regelrechter Verbindung. Da Agricola meist besser unterrichtet war, vermochte er ihnen tak tische Anweisungen mitzugeben, die dem Rat beim Kommen des Feindes sehr von Nutzen waren. MORITZ war nicht in der Lage, eine Besatzung zu schicken; denn die zugesagte Unterstützung des Kaisers ließ auf sich warten. Agricola deutete die Zusammenhänge in seinem Brief vom 10. März an, indem er schrieb: „5fl mangel nid)t in feiner furftlidjen gnaben aud) an feinen rebten xiid^t, fonbern an benen, fo von wegen ber popen potentaten ben frieg Verwalten." Entsprechend den Anweisungen seines Bür germeisters verschloß der Rat die Tore und legte sich aufs Verhandeln, solange der Feind nicht mit starkem Aufgebot vor den Mauern erschien. Durch diese Taktik hielt sich Chemnitz bis zum 3. April, während sich andere Städte sofort überrumpeln ließen. Das erkannte der Herzog besonders an. Dann mußte es sich aber doch er geben. Es hatte eine hohe Brandschatzung zu zahlen und dem Kurfürsten zu huldigen. Damals scheint die „kurfürstliche Partei", vor der Agricola gleich in seinem ersten Brief gewarnt hatte, in der Stadt die Oberhand bekommen zu haben, darunter der Ratsherr NIKEL SCHULZ, der später dafür aus dem Rat gestoßen wurde. Acht Tage darauf überschritt das verbündete Heer die Grenze des Vogtlandes. In Plauen erhielt Agricola Befehl, unter militärischer Bedeckung vorauszureiten. 24 Widmungsbrief an die Herzöge Moritz und August in De mensuris et ponderibus, ferner seine Briefe vom 14., 15. und 16. April 1547 an den Rat.