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Einfluß zu nehmen suchte. Daß 1546 ausgerechnet in Leipzig Dr. FACHS und in Chem nitz Dr. AGRICOLA Bürgermeister wurde, ist gewiß kein Zufall. Auf beide konnte sich MORITZ verlassen. Er erreichte sein Ziel. Der Landtag bewilligte ihm Mittel für Verteidigungszwecke und setzte einen Ausschuß von 6 ihm treu ergebenen Män nern ein, der im Notfall weitere Steuern einziehen durfte. Nachdem sich MORITZ im Herbst darüber klar geworden war, daß König FERDINAND Absichten auf Kur sachsen hatte und seine Vermittlungsversuche gescheitert waren, entschloß er sich, den Kurstaat lieber selbst zu besetzen und sich nach Friedensschluß mit dem ge ächteten Vetter zu vergleichen. Er mußte nun ernsthaft rüsten und bedurfte dazu abermals der Stände. Der Landtag zu F r e i b e r g (8. bis 11. Oktober 1546) stimmte ihm nach harten Meinungskämpfen zu und bewilligte ihm Geld zum Anwerben von Kriegsknechten. Das evangelisch gesinnte Volk mit den Geistlichen an der Spitze verstand diese Politik nicht und war aufs tiefste erregt, daß Moritz mit den katholi schen Habsburgern zusammen den Hort des neuen Glaubens angreifen wollte. Auch in Chemnitz gab es eine „kurfürstliche Partei", die keineswegs damit einverstanden war, daß ihr Bürgermeister dazu seine Zustimmung gegeben hatte 22 . Inzwischen war die Lawine ins Rollen gekommen. Während der Kurfürst mit seinem Heere an der Donau lag, besetzte Ferdinand das Vogtland und Moritz den größten Teil des ernestinischen Besitzes, fast alle Städte ergaben sich ihm. In Naum burg zog der von JOHANN FRIEDRICH vertriebene Bischof JULIUS PFLUG wieder ein. In der Annahme, der Kaiser habe den Kurfürsten geschlagen, entließ Moritz seine Truppen. Da rückte Ende des Jahres JOHANN FRIEDRICH in Thüringen ein, nahm MORITZ die leicht gewonnene Beute wieder ab und begann, sich der Herzogtums zu bemächtigen. Während er Leipzig belagerte, wurden in aller Eile Dresden, Frei berg, Zwickau und Chemnitz zur Verteidigung eingerichtet. In Chemnitz schlug MORITZ sein Hauptquartier auf. Die Stadt lag voller Kriegsvolk. Ein harter Winter und das Ausbleiben der kaiserlichen Hilfstruppen zwang zu wochenlangem Still liegen. Der Gegner bezog Winterquartier im nicht allzufernen Altenburg. Es war eine bewegte, aufregende und arbeitsreiche Zeit für den Gelehrten an der Spitze der Stadt. Ende Februar 1546 brach das inzwischen verstärkte Heer des Herzogs auf, um die Muldenpässe zu besetzen. Der verbündete Markgraf ALBRECHT ALCIBIADES VON BRANDENBURG - KULMBACH - BAYREUTH nahm dabei Rochlitz ein, wurde aber am 2. März mit dem größten Teil seiner Truppen von JOHANN FRIEDRICH gefangengenommen. Dieser Schlag veranlaßte Moritz, sein Hauptquartier nach Freiberg zu verlegen und die verbliebenen Streitkräfte auf wenige entscheidende Städte zu verteilen. Chemnitz gab er auf. Er zog nicht nur die Kriegsknechte heraus, sondern befahl am 3. März auch den regierenden Bürgermeister ins Feldlager 23 . Dieser stand vor einer schweren Entscheidung. An gesichts der drohenden Gefahr und während seine Frau ein Kind erwartete, sollte er als Stadtoberhaupt die Stadt verlassen! Pflichtgemäß eilte er nach Freiberg. Noch :i Stadtarchiv Karl-Marx-Stadt IV, I, 35 b, ferner VII b 4 *’ Der Schriftwechsel Herzog—Rat sowie Rat—Agricola im Stadtarchiv Karl-Marx-Stadt IV, I, 35b, erstmals (nicht fehlerfrei!) veröffentlicht bei UHLE, PAUL: Urkunden zur Geschichte der Stadt Chemnitz im Schmalkaldischen Kriege, Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Ge schichte IV S. 225