Volltext Seite (XML)
AGRICOLAS TÄTIGKEIT ALS BÜRGERMEISTER UND ALS DIPLOMAT 1546/47 Von RUDOLPH STRAUSS, Karl-Marx-Stadt Als Georgius Agricola 1531 nach Chemnitz kam, dürfte er schwerlich einen Ratssitz oder gar das Bürgermeisteramt erstrebt haben. Der Rat hatte ihn zum Stadtphysikus bestellt, der Landesherr nahm seine Dienste als H o f h i s t o- riograph in Anspruch, und die Zeit, die dann noch übrigblieb, war seinen natur wissenschaftlichen und montanwissenschaftlichen Forschungen zugedacht. So er klärt sich, daß er 14 Jahre nach seiner Übersiedelung aus Joachimsthal noch nicht einmal Bürger der Stadt war. Als Arzt und Wissenschaftler brauchte er das Bürgerrecht nicht zu erwerben, zumal er ein Freihaus bewohnte. Erst 1546 wurde Agricola Bürger, Ratsherr und zugleich Bürgermeister von Chemnitz. Diese außergewöhnliche Tatsache offenbart das Bürgerbuch, das in der Reihe der Einwohner, die ,,1546 unter dem Bürgermeister Dr. Agricola“ Bürger recht erlangten, auch den Dr. GEORGIUS AGRICOLA aufführt. Die Wahl des Gelehrten zum Stadtoberhaupt erfolgte auf Befehl des Landes fürsten. Das bezeugt Agricola selbst in einem Briefe an den Bischof JULIUS PFLUG vom 11. August 1547 1 sowie in einem Schreiben an WOLFGANG MEURER vom 22. April 1548 2 . GEORGIUS FABRICIUS meldet MEURER diese Neuigkeit bereits am 19. Mai 1546 3 * 5 * 7 . In den Akten des Rates der Stadt findet sich darüber nichts. Agricola bekleidet das verantwortungsvolle Amt auch 1547, 1551 und 1553. Das weisen namentlich das Bürgerbuch* und die Kämmereirechnungen 8 aus. Das neue Verhält nis zur Stadt spiegelt sich auch im Geschoßbuch 0 wider. Von 1546 an erscheint hier nicht mehr der Name seiner Frau, sondern regelmäßig sein eigener Name; seitdem zahlt er der Stadt auch Geschoß (Steuern). Bevor wir den Ursachen dieser plötz lichen Berufung nachgehen und Agricolas Wirken als Bürgermeister verfolgen können, müssen wir versuchen, uns eine Vorstellung von dem Charakter und der Bedeutung der Stadt Chemnitz zu jener Zeit zu machen’. ’ Sächsisches Landeshauptarchiv Dresden: Loc. 9046 Nr. 61. Diese Briefsammlung, auf die der Agricola-Biograph REINHOLD HOFMANN hinweist, ist heute nicht mehr vorhanden. 2 WEBER: Virorum clarorum Saeculi XVI et XVII epistolae selecta, Lipsiae 1894, p. 8. 3 BAUMGARTEN-CRUSIUS: Georgii Fabricii Chemnicensis epistolae ad Wolfg. Meurerum et alias aequales, Lipsiae 1845, p. 26. ’ Stadtarchiv Karl-Marx-Stadt II, IV, 1 a, II 5 Stadtarchiv Karl-Marx-Stadt III, II, 53a, II, Bd. 2 " Stadtarchiv Karl-Marx-Stadt III, II, 42c 7 Vergl. dazu: KUNZE, ARNO: Die Entwicklung der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse in Chemnitz in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Ein flüsse des oberdeutschen Handelskapitals. WILD, ERICH: Chemnitz und seine weitere Umgebung in der sächsischen Wirtschaftsgeschichte des 16. Jahrhunderts auf Grund der Geleitsrechnungen. Beide Abhandlungen in Beiträge zur Heimatgeschichte von Karl-Marx-Stadt H. 4: „Das Wirt schaftsleben in Chemnitz zur Zeit des Dr. Georgius Agricola“, Karl-Marx-Stadt 1955.