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Fast 10 Jahre galt er als verdächtig, doch 1544 wurde der tüchtige Arzt durch den Einfluß seines Freundes EDWARD WOTTON zum Rektor des College for phy- sicians gewählt. Freilich, als unter König EDWARD VI. der Erzbischof CRANMER die Reformation einführte, ging er in freiwillige Verbannung nach den spanischen Niederlanden. Zwar kehrte er unter der Regierung der katholischen Königin MARIA (1553—1558) zurück, mußte indes unter ELISABETH abermals das Land verlassen und ist 1574 in Mecheln gestorben, — zuletzt mit rein theologischen Arbeiten be schäftigt, wie auch Agricola sich am Ende seines Lebens wieder mit theologischen Fragen auseinandersetzte. Es ist kein Zweifel, daß Agricola durch JOHN CLEMENT mit den Staatstheorien, die in der Utopia entwickelt werden, bekannt geworden ist. Die enge Freund schaft zwischen ERASMUS und MORUS, die überall bekannt war, mußte für ihn schon ein Grund sein, sich mit den Gedanken des englischen Staatsmannes vertraut zu machen. Hier kann leider nicht der Nachweis geführt werden, an welchen Stellen Agricolas Werke den Einfluß bezeugen, der von THOMAS MORUS indirekt über JOHN CLEMENT auf Agricolas Anschauungen eingewirkt hat. Diese Untersuchung bedürfte einer sehr umfassenden Darlegung, da Agricola die Gedanken des Eng länders vielfach umgeformt wiedergibt, wenn er (meist in den Widmungsschreiben an seine Landesfürsten) politische und staatsrechtliche Gedanken zum Ausdruck bringt. Daß er aber überhaupt in seinen fachwissenschaftlichen Arbeiten auf Staats formen eingeht und für das Gedeihen von Bergwerksunternehmungen gewisse Anforderungen an die Staatsführung stellt, bezeugt den Nachhall einer gewiß sehr lebhaften Auseinandersetzung mit dem Freunde aus England. JOHN CLEMENT hat nichts veröffentlicht, und so ist der Ausdruck der gegen seitigen Wertschätzung nur bei Agricola zu finden, der gleich im „Ber mannus" den Freund erwähnt. Daß umgekehrt auch die Engländer in Padua und Venedig ebensogern an den sächsischen Kollegen, Mitarbeiter und Freund dachten, ist noch feststellbar: Im Verlagshaus der Firma ALDUS in Venedig arbeitete an der Erstausgabe des griechischen Galen-Textes ein Stab von sechs Gelehrten: die Leitung hatte der aus Padua stammende, später nie mehr hervorgetretene Professor BATTISTA OP1ZO, neben ihm standen vier Engländer und — Georg Agricola. Die vier Engländer kamen alle aus dem Kreis um POLE aus Padua und waren zum Teil langjährige, enge Freunde. So kannte JOHN CLEMENT bereits seit der Schulzeit auf der „Schola Paulina“ den Philologen THOMAS LUPSHED, der auch in Oxford als Dozent sein Kollege gewesen war. Dieser früh verstorbene Gelehrte war der einzige Nicht- Mediziner unter den Mitarbeitern. Ein sehr bedeutender Arzt wurde dagegen der dritte Engländer EDWARD WOTTON. Dies muß ein mutiger, anständiger Charakter gewesen sein: Als sein Freund JOHN CLEMENT nach dem Sturze seines Schwieger vaters sehr verschüchtert in tiefster Zurückgezogenheit lebte, holte er ihn wieder heran und verschaffte ihm sogar das Rektorat der Londoner Hochschule für Medizin. Und auch für Georgius Agricola, der ihn im „Bermannus" neben dem 1530 natürlich sehr viel einflußreicheren JOHN CLEMENT nicht genannt hatte, fand er 1551 sehr herzliche Worte der Erinnerung. Die 1551 veröffentlichte Schrift von EDWARD WOTTON „X libri de dif- i e r e n t i i s a n i m a 1 i u m“ enthält eine der wenigen Erwähnungen Agricolas, die 16 Agricola