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Der Erwerb der Doktorwürde in Bologna muß sehr schwer gewesen sein, vermut lich nicht so sehr wegen der wissenschaftlichen Ansprüche als vielmehr wegen der außerordentlichen Kosten. Die Juristen konnten darauf nicht verzichten, sie mußten Wert darauf legen, gerade in Bologna promoviert zu haben. Die Artisten und Medi ziner konnten die Kosten umgehen: 50 bis 65 juristischen Promotionen stehen daher in der philosophischen Fakultät nur gegenüber: 1523: 8 1524: 9 1525 : 16 1526 : 11 1527 sind es gar nur 4! Jedoch ist nicht ganz ausgeschlossen, daß neben den 9 Doktoranden des Jahres 1524, deren Namen wir kennen, auch noch Agricola die Doktorwürde erwarb. Denn am 24. August 1524 wurde einem nobilis Germanas Dominus magister Georgias die Würde eines Dr. phil. et. Dr. med. verliehen. Das Promotionsdatum — kurz vor dem offiziellen Semesterende — würde dafür sprechen, daß es Agricola war, der damals den Doktortitel erwarb. Ein Beweis liegt darin natürlich nicht. Nach seiner eigenen Angabe brachte er in Venedig, das er nachweislich im Spätsommer 1526 verließ, zwei Jahre zu; er müßte also im Septem ber / Oktober 1524 dort eingetroffen sein. Die Mittel, selbst die erhöhten Kosten der Promotion in Bologna aufzubringen, könnten ihm zur Verfügung gestanden haben. Vielleicht hatte er sich nämlich durch eine Unterrichtstätigkeit — er soll die grie chische Sprache gelehrt haben 17 — eine Einnahmequelle verschafft. Ob sich Agricola von Bologna sogleich nach Venedig wandte, ist ungewiß. Manches spricht dafür, daß er auch in P a d u a , eventuell sogar in P a v i a sich auf hielt 18 . Auf die Erwähnung des Paveser Professors ZENO im ,B e r m a n n u s' wollen wir nicht allzuviel Gewicht legen, — aber über Padua müssen wir uns etwas genauer informieren. Während Bologna kaum 20 Jahre zuvor ,,päpstlich" geworden, d. h. in den Kirchenstaat eingegliedert war, gehörte Padua seit 120 Jahren zur Republik Vene dig. Der Venezianische Senat sorgte energisch für diese von ihm bevorzugte Univer sität, während die beiden anderen an Venedig gefallenen Universitäten, Vicenza und Treviso, sich kaum gefördert sahen. Aus seiner Mitte bestimmte er drei Sena toren, die als Rilormatori degli Studii eine ständige Universitätsbehörde bildeten, der nicht nur alle Berufungen, Studienordnungen, Besoldungsfragen, sondern auch die höchste Disziplinargewalt über alle Glieder der Universität übertragen wurde. Zur „Universitätsverwandtschaft" gehörten damals aber auch jene Handwerker, die, ohne direkt Universitätsangehörige wie Professoren, Studenten und Pedelle zu sein, vorzugsweise für die wissenschaftlichen, aber auch für die sonstigen Bedürfnisse der Universität arbeiteten: Buchdrucker, Buchbinder, Pergamenter, Papierer, Tinten macher, Briefmaler, Schreiber, aber auch Reitlehrer, Fechtlehrer, Tanzmeister, hin und wieder sogar Schankwirte, Pferdeverleiher, Geldwechsler, Kerzenmacher und auch einzelne private Botengänger. Natürlich hing von der Zusammensetzung der 17 HERTEL behauptet wenigstens (B 21), dies von Agricolas Bruder unmittelbar erfahren zu haben, glaubt es selber aber kaum. 18 Auf den fraglichen Aufenthalt in Ferrara und Siena soll hier nicht eingegangen werden.