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Agricola in Italien und seine persönlichen Beziehungen zur angelsächsischen Welt 237 Anfang. Agricola nennt ihn seinen Lehrer 15 16 . Dagegen spricht nur sein Studien freund NAEVIUS davon, bei dem „berüchtigten" Gottesleugner PIETRO POMPO- NAZZI'" gehört zu haben. Es ist aber sehr wahrscheinlich, daß auch Agricola seine Vorlesungen besucht hat. Die Professur für Griechisch lag in unbedeutenden Händen (PIETRO YPSILA DA EGINA). Dagegen mußte sich Agricola angezogen fühlen von GIOVANNI FLAMINI, der 1520—1526 Professor litterarum hebraicarum et chaldaicarum war. Vielleicht aber waren die Gebühren bei diesem Gelehrten zu hoch, so daß er den oben erwähnten Juden zum Lehrer wählte. Trotz ihres mitunter sehr hohen Gehaltes waren nicht alle Professoren bereit, einen unbemittelten Studenten gratis propter Deum (kostenlos um Gottes willen) hören zu lassen. Schließlich dürfte es auf Agricola einen tiefen Eindruck gemacht haben, daß in Bologna eine Professur ad historiam Bononicam errichtet und 1524 ACHILLE BOCCHI berufen wurde, der insgesamt 60 Jahre (1502—1562) Professor in Bologna war. Dieser sehr wohlhabende Herr vereinigte in seinem Palazzo die Academia ermatena o bocchiana. Die „Vaterländische Geschichtsforschung" ist ja für volle 25 Jahre Agricolas Studiengebiet gewesen, seine offizielle „Amtsstellung" wenn man so sagen will, war bekanntlich die eines „Kurfürstlich sächsischen. Hoihistorio- graphen". Kurz, wir dürfen behaupten, daß Agricola in diesem Studienjahr 1523/1524 eine Fülle von Anregungen in sich aufnahm, die er später nutzen konnte. Wir sehen aus diesem notgedrungen sehr knappen Überblick, welch reiche Auswahl an Vor lesungen die Universität mit ihren zahlreichen Lehrkräften dem Studenten bot, der zum Abschluß seiner Studien nochmals Zusammenfassungen und Überblicke, Spe zialvorlesungen und sonst nicht erreichbare Wissensvermittlung suchte. an das nachmals so viel gesungene Gaudeamus an- Es wollen sich freuen ja ja! Die Jünger Homers ha ha! Zeit ist’s, daß man die Lippen netzt, Und, haben den Becher wir abgesetzt, So wollen die Knie wir beugen und beten: Verhüte der Himmel, daß die Lampen ausgehen, Sonst könnten die Zecher nicht länger bestehen! Drum O1 her für alle Kalamitäten! Das .studentische Leben' in Bologna ist uns durch die zahlreichen Aktenstücke der Fakultäten wie der landsmannschaftlichen Vereinigungen recht greifbar. Es spielte sich in einer fröhlich-feierlichen Weise bei zahlreichen, um nicht zu sagen: zahllosen Festakten ab, die mit Umzügen, Reden, Aufführungen und vor allen Dingen mit recht üppigen Trinkgelagen verbunden waren. Ein gerade 1518/19 entstandenes Studentenlied, das wenig bekannt ist, wollen wir deshalb in einem Übersetzungs versuch mitteilen, zumal es klingt: Gaudeamus io, io, io! Dulces Homeriaci, io, io! Est iam tempus, ut potemus Et post potum sic oremus, Deflectamus genua: Ne lucernae extinguantur Et potantes moriantur, Date nobis oleum! 15 So z. B. in dem ausführlichen Schreiben an den Zwickauer Rat ber SRömcr crcutj bclangenbc vom 1. X. 1536. Da indes ROMOLO AMASEO ein strenger .Ciceronianer* war, hatte Agricola an diesem Lehrer manches auszusetzen! 16 PIETRO POMPONAZZI (POMPONATIUS) wird in der demnächst erscheinenden Dissertation von ERWIN HERLITZIUS ausführlich behandelt.