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Die Begründung der Bergbaugeschichte durch Georgius Agricola 185 zum Ruhme des Fälschers unternommen wurden. Bevor das Wesen der Geschichts wissenschaft von PAT RIZZI 0 und BODIN' 0 umschrieben und von BACON" die Geschichte als Erfahrungswissenschaft gekennzeichnet war, fehlte es an einer Richt schnur, die über die antiken Ziele der Geschichtsschreibung oder über die mittel alterlichen Geschichtsdeutungen hinausführte. Agricola mußte also die Prinzipien seiner Geschichtsschreibung selbst entwickeln, wobei er vor allem die Quellenkritik als methodisches Problem meistern mußte, ohne einen brauchbaren „Leitfaden" zu haben. Seine Aufgabe war noch erschwert, weil gerade kurz zuvor AGRIPPA von Nettesheim * * * * * * 10 11 12 der Geschichte wie allen anderen Wissenschaften jeden Wert ab gesprochen hatte. Er konnte sich also nur an Vorbilder halten, da es keine theoretische Begründung der Geschichtswissenschaft gab. Nun waren in Italien wie in Deutschland, nicht zuletzt aber auch in Spanien, in Frankreich und England, höchst bedeutsame historische Werke erschienen, die bereits den literarisch-rhetorischen Ehrgeiz abgestreift hatten. Sie zeichneten sich durch einen praktischen Geschichtssinn aus, der schon darin zum Ausdruck kam, daß viele die historia sui temporis, die Geschichte der eigenen Zeit, bevorzugten. Die „Geschichte der Gegenwart" wurde dargestellt von Denkern sehr verschiedener sozialer Herkunft, die teils schlicht sagten, was sie erlebt und gesehen hatten, teils tiefgründig zu deuten suchten, welches Gewicht den Ereignissen in der Zeitfolge zu kam. Dabei neigten die einen dazu, stärker ihrer Wissensfreude nachzugehen, wäh rend andere tiefer einzudringen suchten und den Erkenntnisdrang befriedigen woll ten. So traten neben die humanistischen Polyhistoren mit ihrer halb naturwissen schaftlich, halb geographisch unterbauten Geschichtsdarstellung doch auch schon die politisch-juristischen Geschichtsschreiber, die das in der Zeitfolge festliegende Geschehen auf den Kräftewandel zurückführten, der nach Anlaß, Ursache, psycho logischen Bedingungen und Auswirkungen untersucht wurde. Damit war die Geschichte eine praktische Wissenschaft geworden, die zum zukünftigen Han deln anleitete und nicht mehr nur aus einem „Vergangenheitsbehagen" moralische Verhaltungsregeln gab. • FRANCESCO PATRIZZI (1529—1597), Prof, der platonischen Philosophie in Ferrara, schrieb ,X discorsi sopra Vistoria*. Darin unterschied er eine historia maior (Darstellung der großen Zeitereignisse) und eine historia minor (Erforschung der eigentlich bewegenden Kräfte unter Darlegung der „Zeitumstände“ und der psychologischen Antriebe). [Wirksam wurde diese Schrift vor allem in der 1579 erschienenen lateinischen Übersetzung, die in den berühmten Sammelband Artis historiae penus (Basel 1579) aufgenommen wurde.] 10 JEAN BODIN (1530—1596), Kronjurist Frankreichs, bedeutender Rechtstheoretiker, schrieb den ,Methodus ad facilem historiarum cognitionem' (1566). In ihm begründet er (wie z. T. schon MACCHIAVELLI) das vergleichende Studium der Geschichte und stellt die Ermittlung des hinter den historischen Ereignissen sichtbaren Gemeinschaftslebens als Ziel der Geschichts forschung hin. 11 FRANCIS BACON Lord VERULAM (1561—1626) r Lordkanzler und Großsiegelbewahrer. Er vertrat in seiner 1623 veröffentlichten Schrift ,De dignitate et augmentis scientiarum“ die Lehre, daß die Geschichte nur darstellbar sei, wenn der Forscher das Gewebe der Ereignisse be herrscht. Dazu muß er sich in die Natur der Völker und Länder, in die Gunst oder Ungunst der alten Zeiten, in den Einfluß der wirtschaftlichen, technischen, künstlerischen, religiösen und politischen Phänomene vertiefen. 11 CORNELIUS AGRIPPA von Nettesheim (1486—1535), Lic. med., Dr. jur., Mag. art., halb an FAUST, halb an PARACELSUS erinnernder Wander- und Wunderdoktor, Anhänger der Alchi mie und der durch REUCHLIN vermittelten Kabbala. Er wendet sich in seiner 1533 erschienenen Schrift „De incertitudine et vanitate omnium scientiarum et artium“ gegen die wissenschaft liche und sittliche Berechtigung der Geschichtsforschung. Er forderte ein .lebensvolles Bild“, das er jedoch als Skeptiker für unerreichbar hielt.